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Nach dem Brexit
Sesselrücken im EU-Parlament

Wenn die Briten am 29. März 2019 aus der EU ausscheiden, werden 73 gepolsterte Sessel im Europaparlament frei. Eine Gelegenheit, das Parlament zu verkleinern - oder aber mit Volksvertretern anderer EU-Länder zu besetzen. Schon bahnt sich ein Reformstreit an.

Von Sebastian Schöbel |
    Die Weitwinkel-Aufnahme zeigt Mitglieder des Europäischen Parlaments bei der Abstimmung.
    Das Europäische Parlament in Straßburg (AFP / Sebastien Bozon)
    Vor jeder Europawahl wird diskutiert, welches Land wie viele Sitze im EU-Parlament bekommt: Die EU-Abgeordneten machen Veränderungsvorschläge, der Rat, also die Ländervertretung, müssen zustimmen. Eigentlich Routine, eigentlich.
    "Dieses Mal", also vor der Europawahl 2019, "wird's komplizierter", so Danuta Hübner, die Vorsitzende des Ausschusses für Verfassungsfragen. Der Grund: Großbritanniens EU-Austritt.
    Guy Verhofstadt, der Brexit-Chefverhandler für das Parlament, bringt's auf den Punkt:
    "Der Austritt ist angemeldet, jetzt haben die Briten zwei Jahre Zeit, zu gehen. Und wir verlieren 73 britische Kollegen."
    Und zwar am 29.3. 2019, Schlag Mitternacht.
    Verkleinerung nur unter Bedingungen
    Was tun mit den frei werdenden Abgeordnetensitzen? Einfach streichen und die Stühle aus dem Plenarsaal entfernen? Oder die Sitze mit Volksvertretern anderer EU-Länder auffüllen?
    Danuta Hübner hat nun einen Vorschlag erarbeitet: Das Parlament soll mit dem Brexit von bisher 750 auf 699 Sitze verkleinert werden. Unter einer Voraussetzung:
    "Kein Land verliert Sitze", so die Polin Hübner. Einige wenige Länder aber würden nach ihrem Plan welche dazugewinnen: Frankreich und Spanien jeweils 4 zusätzliche Sitze, Italien 3 Sitze, die Niederlande und Irland 2, einige weitere Staaten je 1. Deutschland würde bei 96 Sitzen bleiben, dem Maximum.
    Chance für Kandidaten aus allen EU-Ländern
    Im zuständigen Verfassungsausschuss bekam dieser Vorschlag schon mal viel Applaus: Weniger ist mehr, so das Motto.
    Weil mehr auch keine Option ist, so der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen.
    "Das würde die Öffentlichkeit nicht gut finden. Und wir schaffen auch Platz, für die nächsten EU-Erweiterungen."
    Allerdings hat Leinen noch einen weiteren Vorschlag - der dann doch wieder "mehr" bedeutet. Mehr Europa nämlich, und zwar auf dem Wahlzettel: Indem man bei der nächsten Europawahl nicht mehr nur für die in der Heimat aufgestellten Kandidaten abstimmen kann, sondern auch für echte europaweite Listen, mit Kandidaten aus allen EU-Ländern. Eine nicht ganz neue Idee, sie wird schon jahrelang diskutiert - nur bisher ohne Erfolg.
    "Wir haben jetzt wirklich eine einmalige Chance, einen Teil der freigewordenen Sitze dafür vorzuschlagen", so Leinen. "Der Rat wird es nicht tun, die Kommission auch nicht. Es gibt nur dieses Parlament für die Europäisierung der Europawahlen und die Bemühungen, europäische Demokratie einzuführen."
    Reformstreit in Sicht
    Allerdings: Es gibt ernsthafte Zweifel an dem Vorschlag, auch im EU-Parlament. Wen würden diese Volksvertreter vertreten? Ein "europäisches Wahlvolk" das es so rechtlich gar nicht gibt? Und wie wird verhindert, dass kleine EU-Länder übergangen werden? Ganz zu schweigen vom Widerstand der EU-Regierungen, so der Linken-Abgeordnete Helmut Scholz.
    "Wir sind da in einer Sackgasse weil der Rat dem aus nachvollziehbaren, nationalen Gründen nicht bereit ist, diesen Schritt zu gehen."
    Und doch scheint derzeit eine große Zahl von EU-Abgeordneten von der Idee überzeugt zu sein, es bahnt sich also ein großer Reformstreit zwischen Europas Volksvertretern und Europas Regierungschefs an.
    Den die britischen EU-Abgeordneten allerdings nur noch aus der Entfernung beobachten können: Sie können eigentlich fast schon ihre Sachen packen, ihre Sitze im EU-Parlament sind Verhandlungsmasse geworden.