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Nachruf
Zum Tode von Manfred von Richthofen

Manfred von Richthofen war der Gegenentwurf eines deutschen Sportfunktionärs. Obwohl er diesen Begriff, wann immer er als Schimpfwort eingesetzt wurde, vehement verteidigte. Keiner vor oder nach ihm hat bei unterschiedlichsten Anlässen öfter der Sportbasis die Ehre erwiesen als er und den Politikern die Würdigung der milliardenschweren ehrenamtlichen Arbeit in Sportvereinen und Verbänden abverlangt

Von Herbert Fischer-Solms |
    Schwarz-Weiß-Bild von Manfred von Richthofen
    Manfred von Richthofen, ehemaliger Präsident des Deutschen Sportbunds, ist tot. (picture alliance / dpa/ Jens Wolf)
    Im Gegenzug forderte er vom organisierten Sport ebenso unablässig wie vergeblich das, was er unter „Politikfähigkeit" verstand.
    Von Richthofen, der im Februar in prächtigem Rahmen seinen 80. Geburtstag feierte, war ein Mann des Sports, der Wirtschaft und sehr stark der Politik, bis zuletzt als bekennendes CDU-Mitglied bestens vernetzt über alle Parteigrenzen hinweg. Als Ehrenpräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes DOSB applaudierte er öffentlich, zum Missvergnügen seines Sportbund-Nachfolgers und IOC-Präsidenten Bach, Bundespräsident Gauck für dessen Verweigerung eines Besuchs der Sotschi-Winterspiele im Lande des Wladimir Putin. Dass sich Gauck für die Unterstützung in sehr persönlichen Worten bedankte, blieb freilich intern.
    In seinem Freiheitsideal ließ sich der Freiherr, Spross einer alten Adelsfamilie, von niemandem beirren. Mit seltener Schärfe geißelte er den damaligen DFB-Präsidenten Neuberger für die Feigheit, den Austragungsort Berlin geopfert zu haben für die Zustimmung des Ostblocks für die Fußball-Europameisterschaft 1988 in Deutschland. Als ein Ergebnis der Kontroverse wurde Berlin immerhin ständiger Schauplatz des DFB-Pokal-Finals. Und als nach dem 1973 zwischen beiden deutschen Staaten geschlossenen Grundlagenvertrag der DTSB der DDR den Sportverkehr mit dem Westen auf Sparflamme halten wollte, animierte von Richthofen den DSB zu einer Angebotsoffensive, die die DDR-Sportführung in Erklärungsnotstand brachte.
    Im Osten galt der Berliner Sportführer als harter Hund und "Kommunistenfresser", dem bei seiner Wahl zum DSB-Präsidenten 1994 viele aus den neuen Bundesländern die Stimme verweigerten. Vier Jahre später, bei seiner Wiederwahl, waren die ostdeutschen Landessportbünde seine größten Unterstützer, Folge eines Wandels durch Annäherung.
    Wenn man von Richthofen nach Niederlagen fragte, dann war man beim Thema Doping. Als der vereinte deutsche Sport vor dem Scherbenhaufen des DDR-Staatsdopings stand, hat der Aufarbeiter von Richthofen seinen Glauben an die Selbstheilungskräfte des Sports verloren. Gegen seinen Rat kamen als Minderjährigen-Doper entlarvte Trainer im deutschen Sport unter, und auch seine Warnung vor Westdopern wie dem Freiburger Mediziner Keul, dem er eine Nicht-Eignung als Olympiaarzt attestierte, verpuffte, weil NOK-Präsident Willi Daume seine schützende Hand über die Sportärzteschaft hielt.
    Im Vorjahr hat der sonst so meinungsfeste Richthofen seine Ansicht geändert: Er plädierte nun ebenfalls für ein deutsches Anti-Doping-Gesetz, das auch den Sportler in Haftung nimmt.
    Manfred von Richthofen war ein lebensbejahender Mensch, immer klar, deutlich, meinungsstark, der einem Streit nie aus dem Wege ging. Obwohl er gern Olympische Spiele in seiner Heimatstadt gehabt hätte, war er selbst der größte Kritiker der gescheiterten Kandidatur für die Spiele 2000. Die widerlichen Allianzen im IOC waren ihm ein Greuel, Angebote des ihn damals umschmeichelnden IOC-Präsidenten Samaranch lehnte er ab. Er konnte das mit dem Selbstverständnis eines Salem-Schülers und mit einem auch materiell begründeten Selbstbewußtsein.
    Von Richthofen gehörte zu jenen bewundernswerten deutschen Sportfunktionären, die von bestechender Unabhängigkeit waren. Mit ihm ist der letzte Vertreter dieser Generation nun gegangen.