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NASA-Sonde
Wo sind die Krater auf dem Zwergplanet Ceres geblieben?

Der Zwergplanet Ceres ist der kleinste bekannte Zwergplanet im Sonnensystem - und gleichzeitig einer der ältesten Körper im Asteroidengürtel. Seit der Dawn-Satellit der NASA ihn im vergangenen März erreichte, funkt die Sonde rätselhafte Bilder zur Erde. Eigentlich sollte Ceres mit Kratern aller Größe übersät sein. Doch seine Oberfläche ist überraschend glatt.

Von Dagmar Röhrlich |
    Ceres aus der Nähe, aufgenommen von Dawn
    Ceres aus der Nähe, aufgenommen von Dawn (DLR)
    Ceres soll kurz nach der Geburt des Sonnensystems entstanden sein, in den ersten paar Millionen Jahren nach der Bildung der ersten Festkörper überhaupt. Wenn das stimmt, hat er die wilde Frühzeit "miterlebt", als schwere Kollisionen noch an der Tagesordnung waren. Außerdem kreist er im turbulentesten Teil des Sonnensystems, dem Asteroidengürtel. Deshalb sollten - theoretisch - Krater aller Größen auf Ceres zu finden sein. In Wirklichkeit ist die Oberfläche jedoch erstaunlich glatt:
    "Wir sehen längst nicht so viele große Krater, wie wir erwarten würden angesichts der anderen Asteroiden und unseres derzeitigen Verständnisses über die Geschichte des frühen Sonnensystems. Es müsste allein neun bis 15 Krater mit Durchmessern von mehr als 400 Kilometer geben. Tatsächlich jedoch ist keiner größer als rund 280 Kilometer."
    Selbst die Zahl der Krater, die es auf mehr als 100 Kilometer brächten, sei viel zu niedrig. Statt der erwarteten 80 bis 180 habe man in dieser Kategorie nur 16 gezählt, erklärt Simone Marchi vom Southwest Research Institute in Boulder, Colorado. Er und sein Team haben anhand aller verfügbaren Daten versucht, dieses Rätsel zu lösen. So erstellten sie mit Hilfe hochauflösender Bilder ein dreidimensionales Modell des Zwergplaneten:
    "Die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen, aber es sieht danach aus, als ob diese ganzen Krater durchaus entstanden sind, dann jedoch im Lauf von geologischen Zeiträumen bis zur Unkenntlichkeit ausradiert wurden. Das könnte etwas mit der ungewöhnlichen Zusammensetzung von Ceres zu tun haben und mit seiner besonderen inneren Struktur."
    Ceres' Untergrund kann sich plastisch verhalten und langsam verformen
    Denn frühere Messungen haben gezeigt, dass die Kruste des Zwergplaneten nicht aus reinem Gestein besteht, sondern auch über einen beträchtlichen Anteil von Salz, Eis und Tonmineralen verfügt. Die dürften dafür sorgen, dass sich der Untergrund plastisch verhält und langsam verformen kann.
    "Wenn man einen Krater auslöschen will, muss der Untergrund fließen können, so wie Gletschereis auf der Erde." Zu dieser Idee passen auch frühere Befunde: Vor einigen Monaten sind in einem Krater weiße Flecken aufgefallen. Die entstanden vermutlich, als flüssiges, salzhaltiges Material aus dem Inneren an die Oberfläche stieg, dort austrocknete und so sichtbar wurde."
    Immerhin: Die genaue Analyse des topographischen Modells zeigte, dass die "Superklasse" der Krater nicht ganz verschwunden ist. Drei riesige Strukturen mit rund 800 Kilometern Durchmesser zeichnen sich immer noch als Dellen ab. Die deutlichste ist die mit jüngeren Kratern übersäte Vendimia Planitia. Dieses Becken konnten selbst die Jahrmilliarden nicht auslöschen.
    "Große Krater entstanden wahrscheinlich nur durch die schweren Einschläge in der Frühzeit des Sonnensystems. Dieser Mechanismus funktioniert heute nicht mehr. In dieser frühen Phase war auch der radioaktive Zerfall im Gestein von Ceres noch höher und der Zwergplanet damit heißer. Das wiederum machte es leichter, Krater zu erodieren."
    Und die kleineren Krater? Auch sie wurden dem Modell zufolge im Lauf der Zeit wieder ausgelöscht - doch anders als die großen entstanden sie immer wieder neu. Denn so ganz haben die Kollisionen nicht aufgehört. Bei den Kratern, die man sieht, war danach entweder der Zeitraum zu kurz, so dass sie noch nicht ausgelöscht werden konnten - oder dieses besondere "Planeten-Botox" funktioniert inzwischen nicht mehr.