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NATO-Russland-Rat
Signal zur Deeskalation

Vertreter der 28 Nato-Staaten und Russlands kommen erstmals in diesem Jahr in Brüssel zusammen. "Der Austausch über Positionen ist der Anfang einer möglichen Deeskalation in diesem NATO-Russland-Konflikt", sagt Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Münchner Universität der Bundeswehr im DLF. Die zugrunde liegenden Probleme seien aber längst nicht gelöst.

Carlo Masala im Gespräch mit Catrin Stövesand |
    Symbolbild mit den Ländern des europäischen Kontinents, überlagert von der Flagge der EU und den russischen Symbolen Hammer, Sichel und Stern
    Die meisten NATO-Mitglieder gehören auch der EU an. Vor allem die osteuropäischen Länder fühlen sich von Russland bedroht. (imago / Ralph Peters)
    Catrin Stövesand: Vertrauen schaffen zwischen ehemaligen Gegnern, das war das Ziel, als im Jahr 2002 der NATO-Russland-Rat gegründet wurde. Regelmäßig tauschten sich Vertreter der NATO-Mitgliedstaaten und Russlands über verschiedene Bereiche der Sicherheitspolitik aus.
    2014, nach der Annexion der Krim und dem Beginn des Konflikts in der Ostukraine, brach dieser enge Dialog ab. Die baltischen Staaten und Polen fürchteten um ihre Sicherheit, sehen Russland seitdem wieder als mögliche Bedrohung. Die NATO rüstete in diesen Ländern auf, Russland tat an seiner Westgrenze das Gleiche – was die Spannungen natürlich verstärkte.
    Nach fast zwei Jahren Pause kam der NATO-Russland-Rat im vergangenen Frühjahr erstmals wieder zusammen, und er steckt seitdem in einer Zwickmühle. Das westliche Verteidigungsbündnis drängt auf eine Lösung für die Ostukraine, nur so lasse sich das Wettrüsten beenden. Moskau will im gemeinsamen Rat vor allem über die jüngste Aufrüstung sprechen.
    Beim Antrittsbesuch von Bundesaußenminister Gabriel in Moskau hatte sein russischer Amtskollege Lawrow die aktuelle Aufgabe des NATO-Russland-Rates entsprechend so definiert:
    "Wir sollten uns ansehen, wie die euroatlantische Sicherheit aussieht. Dafür muss man Karten auf den Verhandlungstisch legen und eine Bestandsaufnahme vornehmen, was bei wem und wo stationiert ist."
    Stövesand: Wie gesagt, eine Zwickmühle, über die ich jetzt vor dem heutigen Treffen des NATO-Russland-Rates in Brüssel mit Carlo Masala sprechen möchte. Er ist Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München. Guten Morgen, Herr Masala!
    Der Auftrag: direkte Eskalation verhindern
    Carlo Masala: Schönen guten Morgen, Frau Stövesand!
    Stövesand: Herr Masala, Anfang diesen Monats haben sich ja erstmals wieder hochrangige Militärs auf beiden Seiten ausgetauscht, Russland hat etwa über bevorstehende Manöver informiert. Sehen Sie das als ein Signal für eine Wiederannäherung?
    Masala: Na ja, es ist zumindest ein Signal der Bemühungen zur Deeskalation der existierenden Situation. Also, der beiderseitige Austausch von Informationen über Militärmanöver, der Austausch über Positionen ist der Anfang einer möglichen Deeskalation in diesem NATO-Russland-Konflikt.
    Stövesand: Heute dann also der neue Versuch, den Dialog im Rat konkret wieder aufzunehmen, allerdings eben mit den angesprochenen verhärteten Fronten. Wir schauen auf den Syrien-Krieg, da sind die NATO-Staaten und Russland ja auch nach wie vor involviert, bekanntermaßen auf verschiedenen Seiten. Welche Rolle wird das Ihrer Ansicht nach heute im Rat spielen?
    Masala: Also, die Militärs haben bei ihrem Austausch nicht die Aufgabe, politische Lösungen für die existierenden Probleme zu finden, sondern da geht es vor allen Dingen darum, auf einer militärischen Ebene Bemühungen in die Wege zu leiten oder vorzuschlagen, die verhindern, dass durch Versehen, durch Überreaktion und durch Fehlwahrnehmung NATO-Staaten in eine direkte Konfrontation mit Russland gelangen beziehungsweise andersherum.
    Ein schönes Beispiel dafür ist die gemeinsame Kommission zwischen amerikanischen und russischen Militärs, die die Flugbewegungen und Syrien koordinieren soll, also zu wissen, wer fliegt wann wohin, damit man nicht aus Versehen eine Situation hat, in der eine russische Maschine auf eine amerikanische Maschine trifft und diese abschießt oder andersherum. Das ist die konkrete Aufgabe, die die Militärs haben. Sie werden die politischen Fragen, die die grundsätzlichen Probleme ausmachen, nicht diskutieren, dafür haben sie kein Mandat.
    Osteuropäer wollen härtere Abschreckung gegenüber Russland
    Stövesand: Nach dem Machtwechsel in den USA versuchen ja die europäischen Staaten, eine größere Rolle innerhalb der NATO zu übernehmen. Kann das für einen Dialog mit Russland dienlich sein?
    Masala: Na ja, es ist unklar gegenwärtig, welche Russland-Politik die neue amerikanische Administration fahren wird. Die Europäer selber sind mit Blick auf ihre Russland-Politik ja auch nicht eins. Also, es gibt ja da unterschiedliche Vorstellungen. Vereinfacht kann man sagen: Diejenigen europäischen NATO-Mitglieder, die geografisch näher an Russland liegen, haben ein viel stärkeres Bedürfnis für eine härtere Abschreckungspolitik als diejenigen NATO-Mitglieder, die geografisch weiter entfernt liegen.
    Diese Differenz wird sich nicht überbrücken lassen, wenn die Vereinigten Staaten ihr Engagement in der NATO reduzieren und die Europäer versuchen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Das sieht man auch in der EU, dass das eigentlich die große Trennlinie zwischen den europäischen Staaten ist. Mit Blick auf die USA muss man sagen: Egal, welche Politik die amerikanische Administration mit Blick auf Russland einschlagen wird in den nächsten Monaten, die USA sind noch immer die führende Macht in der NATO. Das heißt, an den USA vorbei oder gegen die USA wird es keine europäische Russland-Politik innerhalb der NATO geben können.
    Stövesand: Letzte Frage mit Bitte um eine kurze Antwort: Früher tagte der NATO-Russland-Rat auf Botschafterebene ja in der Regel monatlich. Rechnen Sie nach dem heutigen Treffen mit einer engeren Taktung wieder?
    Masala: Nein, rechne ich nicht, weil die zu Grunde liegenden politischen Probleme noch nicht gelöst sind. Also, wir werden noch lange darauf warten müssen, dass der NATO-Russland-Rat seine eigentliche Funktion wieder übernehmen kann.
    Stövesand: Der Politologe Carlo Masala war das über die Aussichten für das heutige Treffen des NATO-Russland-Rates in Brüssel. Vielen Dank für das Gespräch!
    Masala: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.