"They call you the most paranoid man in America. Is that true?"
Man nennt Sie den paranoidesten Menschen in Amerika. Sind sie das, fragt Megyn Kelly. Überhaupt nicht, antwortet Alex Jones. "Eine paranoide Person würde sich zu Hause verstecken und sich nicht nach draußen wagen."
Man kann Alex Jones viel vorwerfen, aber nicht, dass er sich zu Hause verstecken würde. Seit 20 Jahren bombardiert der Mann mit der Figur eines Wrestlers und der Stimme eines kettenrauchenden Hafenarbeiters die US-amerikanische Öffentlichkeit mit seinen Verschwörungstheorien. Barack Obama? In Wirklichkeit in Kenia als Muslim zur Welt gekommen. Das World Trade Center? Am 11. September 2001 von der eigenen Regierung in die Luft gejagt. Hillary Clinton? Eine Marionette internationaler Verschwörer, die die USA in die Knie zwingen wollen.
Verbreitung durch mehr als 100 Radiostationen
Fünf Tage die Woche verbreitet Jones von Austin/Texas aus seine ganz spezielle Sicht auf die Welt über seine Show, die von mehr als 100 Radiostationen im ganzen Land ausgestrahlt wird. Mit seiner Internetseite und seiner YouTube-Sendung Infowars - also Nachrichtenkriege - erreicht er geschätzt mehr als fünf Millionen Menschen. Doch Jones größtes Pfund ist sein bekanntester Fan: Donald Trump.
Jones und Trump eint nicht nur die Abneigung gegen Journalisten, jetzt haben sie auch eine gemeinsame Feindin: Megyn Kelly. Die hatte, als Vorzeigemoderatorin von Fox News, den damaligen Kandidaten Trump hart über sein frauenverachtendes Verhalten befragt – und genau dieses dann auch geerntet. Nun, gewechselt zum "Mainstreammedium" NBC hat sie Alex Jones interviewt. Das Gespräch wurde gestern ausgestrahlt.
Behauptungen über "angeblichen" Amoklauf
Es war eine von Anfang an umstrittene Sendung. Ein Außenseiter vom rechten Rand, der in einem seriösen Fernsehprogramm zur besten Sendezeit seine Thesen einem noch größeren Publikum vortragen darf? Kann man so jemanden in einem Interview entzaubern? Die Eltern, die ihre Kinder 2012 bei einem Amoklauf an der Grundschule Sandy Hook in Newtown verloren haben, glauben dies nicht. Sie werden bis heute davon verfolgt, dass Jones mehrfach wiederholt hat, der Amoklauf sei ein Hoax gewesen, eine Fälschung der Antiwaffen-Lobby.
Das Einzige, was schlimmer ist als ein Kind in einem Massaker zu verlieren, ist, den Rest seines Lebens erklären zu müssen, dass es wirklich gestorben ist, sagte Nelba Marquez-Greene, deren Tochter erschossen worden war, gegenüber NPR. Bis heute leiden sie und ihr Mann unter den Lügen, die im Netz verbreitet werden, unter persönlichen Angriffen bis hin zu Todesdrohungen.
Vorgespräche unerlaubt mitgeschnitten
Die NBC-Sendestation von Connecticut, in deren Sendegebiet der Amoklauf stattfand, weigerte sich deshalb, das Jones-Interview gestern zu übertragen. Aber auch Talkerin Megyn Kelly bekam noch vor der Ausstrahlung ihres Gespräches zu spüren, was es heißt, sich mit Alex Jones einzulassen. Dieser stellte die illegal mitgeschnittenen Vorgespräche mit ihr online. Ein Akt der Selbstverteidigung, wie Jones argumentierte. Wladimir Putin habe 15 Minuten gehabt, um Kelly bloßzustellen. Er wurde vier Stunden interviewt und wusste schon, dass da geschnitten würde.
Aber Kelly-Leaks, wie die einschlägigen Portale es nannten, offenbarte nicht mehr als dass die Moderatorin schmeichlerisch versucht hatte, Jones zu bewegen, ihr das Interview zu geben und ihn in Sicherheit zu wiegen. US-Zeitungen und Online-Dienste waren sich heute weitgehend einig, dass das gestrige Medienevent ein Fehler von Kelly und NBC war. Ihnen sei es in erster Linie um die Quote gegangen. Die progressive Plattform Alternet argumentierte gar, Jones und Kelly seien zwei Seiten der gleichen Medaille. Hätte Kelly nicht jahrelang selbst bei Fox-News Vorurteile und Ängste geschürt, hätten Leute wie Alex Jones heute in großen Teilen Amerikas nicht so viel Erfolg.