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Netzwerk Ecopreneur
"Bei uns ist jede Menge Öko drin"

Weil die EU-Ebene immer wichtiger wird für Ökologie und Ökonomie, wollen sich nationale Verbände der grünen Wirtschaft jetzt zusammenschließen, um in Brüssel mehr Gehör zu finden. Ein Stopp der TTIP-Verhandlungen steht dabei ganz oben auf der Forderungsliste des Netzwerkes "Ecopreneur".

Katharina Reuter im Gespräch mit Simone Miller |
    Simone Miller: Chlorhühnchen, Nürnberger Bratwurst aus Kentucky und genveränderte Futterpflanzen - das sind nur einige der Schlagworte aus einer hitzig geführten Debatte der letzten Wochen. Doch nicht nur wenn es um das geplante Freihandelsabkommen TTIP geht, werden auf EU-Ebene Entscheidungen getroffen, die die nationalen Belange in Sachen Umwelt, Wirtschaft und Energie betreffen. Weil die EU-Ebene immer wichtiger wird für Ökologie und Ökonomie, wollen sich nationale Verbände der grünen Wirtschaft jetzt zusammenschließen, um in Brüssel mehr Gehör zu finden. Heute treffen sich grüne Unternehmensverbände aus Deutschland, Frankreich und Österreich in Wien und gründen den Zusammenschluss Ecopreneur. Ecopreneur, das ist ja ein Wortspiel aus Entrepreneur und Ecology, eine Verbindung also von Unternehmer und Ökologie. Vor der Sendung habe ich mit Katharina Reuter gesprochen. Sie ist die Geschäftsführerin von UnternehmensGrün, einem der Gründerverbände. Ich habe sie gefragt, wie viel Öko da tatsächlich drinsteckt im Ecopreneur.
    Katharina Reuter: Bei uns ist jede Menge Öko drin und vor allen Dingen der Willen, ein anderes Wirtschaften zu erreichen, und zwar auch Umwelt- und soziale Gesichtspunkte jetzt nicht nur als Lippenbekenntnis oder in einer Hochglanzbroschüre zu verbreiten, sondern tatsächlich im unternehmerischen Alltag umzusetzen und sich für verbesserte politische Rahmenbedingungen einzusetzen.
    Miller: Aber wie genau steckt das da drin? Welchen ökologischen Grundsätzen verpflichtet sich die Vereinigung dabei?
    Reuter: Was bei uns zählt ist das grüne Herz und der Wille, sich politisch einzumischen. Es ist nicht zwingend, dass es ein grünes Kernprodukt ist, was die Unternehmen, die bei uns Mitglied sind, herstellen. Aber es sind verschiedene Dinge selbstverständlich wie Strom aus erneuerbaren Energien, dass man Energie einspart in hohem Maße, dass man regionale und biologische Lebensmittel verwendet, dass man nachhaltige Büromaterialien verwendet. Da ist die Palette breit.
    Stopp der TTIP-Verhandlungen
    Miller: Wofür wird sich Ecopreneur auf EU-Ebene denn stark machen? Haben Sie da ein konkretes Beispiel für uns?
    Reuter: Wir gehen jetzt als erstes das Thema TTIP an. Dann ist aber auch der ganze Bereich Landwirtschaft/Ernährung für uns wichtig, weil wir da auch ein Potenzial sehen, die Regionen zu stärken und unabhängig zu machen. Und dann sind aber natürlich auch Themen wie einheitliches Steuerrecht oder Schaffung einer Sozialunion wichtige Themen.
    Miller: Jetzt haben Sie gerade das geplante Freihandelsabkommen TTIP angesprochen. Ecopreneur will TTIP ins Visier nehmen. Was sind da die Hauptziele dabei?
    Reuter: Wir möchten einen sofortigen Stopp der Verhandlungen. Wir sind durchaus für einen fairen und grünen Freihandel, aber der funktioniert nicht mit TTIP und auch nicht mit diesen geheimen Vertragsgerichten. Die Hauptziele sind, wir wollen ordentliche Gerichte statt geheime Vertragsgerichte, lehnen ISDS ab.
    Zweitens: Wir wollen die Umwelt- und Sozialstandards sichern und ausbauen. Es ist ja nicht nur ein Problem, dass bestehende Standards abgesenkt werden, sondern dass man auch in die Zukunft eingreift und sich Regierungen künftig gar nicht trauen werden, ambitioniertere Umweltgesetzgebung zum Beispiel zu machen. Da haben wir schon sehr viele Beispiele. Schon heute richten sich 60 Prozent dieser Investorenschutzklagen gegen die EU gegen Umweltmaßnahmen.
    Und als drittes Ziel haben wir den Schutz von regionalen Strukturen. Durch die Medien gegangen ist ja vor allen Dingen auch der Schutz von regionalen Produkten oder regionalen Marken. Wir gehen da ein Stück weiter und sagen, es ist tatsächlich auch wichtig, dass überhaupt noch kleinstrukturierte, zum Beispiel bäuerliche ökologische Landwirtschaft möglich ist, weil das die Regionen auch unabhängig macht.
    Miller: Was sollte aus Sicht von Ecopreneur getan werden, damit sich diese Rahmenbedingungen, die Sie ja auch gerade angesprochen haben, für nachhaltiges Wirtschaften tatsächlich verbessern?
    Reuter: Zum einen müssen wir natürlich das erhalten und ausbauen, wo der Verbraucher auch tatsächlich erkennt, dass ein nachhaltiges Produkt da drinsteckt, weil dieser Begriff ist ja sehr schwammig und sagt in dem Sinne erst mal nichts. Aber zum Beispiel das Biosiegel ist mit bestimmten Richtlinien definiert und da kann der Verbraucher drauf vertrauen. Genau so was brauchen wir europaweit einheitlich auch für Produkte ohne Gentechnik und auch im Textilbereich brauchen wir ein einheitliches Zeichen. Ansonsten kritisieren wir auch Instrumente für das Nachhaltigkeits-Reporting wie den Global Reporting Index, weil dort gar nicht alles abgebildet wird, was aus unserer Sicht für nachhaltiges Wirtschaften notwendig ist.
    Miller: Brüssel ist ja nicht nur das Herz der EU-Politik, sondern gleichzeitig auch ein Magnet für Lobbyisten. Wie wollen Sie sich denn gegen die Übermacht anderer Interessensgruppen durchsetzen?
    Reuter: Was für uns ganz wichtig ist, dass wir ein Gegengewicht zur Übermacht der herkömmlichen Wirtschaftsverbände setzen wollen, die ja dann gerne damit antreten, dass sie für "die Wirtschaft" sprechen, und da sind wir dann einfach der Stachel, der sagt, halt mal, es gibt auch Teile der Wirtschaft, die das anders sehen, zum Beispiel beim Thema TTIP. Wir werden natürlich auch die NGOs, zum Beispiel Umweltverbände, die in Brüssel schon aktiv sind bei den Themen, die uns am Herzen liegen, mit so einer wirtschaftsstimme unterstützen, und dann haben wir neben der politischen Lobbyarbeit ja auch ganz klar auf der Tagesordnung, dass wir unsere Unternehmen grenzübergreifend vernetzen wollen und da einfach zu mehr Innovation kommen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.