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Neuausrichtung der FDP
Zielmarke drittstärkste Kraft

Der Absturz der FDP bei der Bundestagswahl 2013 war tief. Auf das Scheitern folgte der Versuch, die Partei neu auszurichten - jünger, moderner, schärfer im Profil. Nun hoffen die Liberalen mit Christian Lindner auf den Wiedereinzug in den Bundestag - doch der hat parteiintern auch Kritiker.

Von Klaus Remme |
    Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender, spricht beim FDP-Bundesparteitag in Berlin.
    FDP-Chef Christian Lindner verspricht den Wählern nicht ohne Selbstironie: "Die Fehler der Vergangenheit, die wiederholen wir nicht, wir denken uns neue aus.“ (Monika Skolimowska/dpa)
    Vor vier Jahren, am 22. September 2013, wurde um 18 Uhr ein Rätsel gelöst, das FDP-Beobachter viele Jahre beschäftigt hatte. Über Jahrzehnte war in Schwächephasen der Liberalen immer wieder mal vom Totenglöcklein die Rede. Rhetorisch oft bemüht, wusste doch niemand so recht, wie sich das Glöcklein eigentlich anhörte, bis, ja bis es dann schließlich am Wahltag vor vier Jahren erklang:
    "Und hier kommt unsere Prognose für den Bundestag, die CDU/CSU kommt auf 42,5, sehr starke Gewinne, zuletzt vor 20 Jahren über 40 Prozent. FDP 4,5, massive Verluste, nicht mehr im Bundestag."
    (Liedausschnitt) "Ich hab Mitleid mit den Freien Demokraten, sie haben sich einmal zu oft verraten, die Partei des Kapitals ist insolvent…"
    Reaktionen von Spott bis Hass
    Der Spott nahm kein Ende, die Analysen am Wahlabend, viele Kommentare in den sozialen Medien waren von regelrechtem Hass geprägt:
    "Bei der nächsten Bundestagswahl, vermutlich in zwei Jahren, finden wir die FDP unter Sonstige. Herrlich!" "Ruhe in Frieden, in der Mülltonne der Zeitgeschichte, FDP!" "Wäre doch jetzt nur noch ein kleiner Schritt, die FDP ganz abzuschaffen, merken würde es eh keiner."
    Als Sozialwissenschaftler ist das nicht die Sprache von Oskar Niedermayer. Er befasst sich am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität in Berlin mit den politischen Parteien:
    "Damals hab ich gedacht, im Prinzip geschieht ihr das eigentlich recht, nachdem, was sie so getrieben hat. Und es waren ja nicht mal so sehr die letzten Wochen oder sogar Monate vor der damaligen Wahl, sondern es war die Wahl vorher und das, was kurz danach passierte."
    FDP-Anhänger zeigen sich bei der Berliner Wahlparty entsetzt über den Wahlausgang.
    FDP-Anhänger zeigen sich bei der Berliner Wahlparty entsetzt über den Wahlausgang. (picture alliance / dpa / Frederico Gambarini)
    Niederlage als "Beginn des Projekts Wiedereinzug"
    Niedermayer meint die Wahlversprechen 2009, insbesondere die Steuersenkungen, die aufgrund eines miserabel ausgehandelten Koalitionsvertrags durch den Widerstand der Union ins Leere liefen. Der Hinweis des Parteienforschers, dass politische Erfolge nicht im Schlussspurt eines Wahlkampfs erzwungen werden können, sondern am Beginn einer Wahlperiode angelegt werden müssen, könnte sehr bald, sehr konkret werden für eine FDP, die sich – runderneuert – eine zweite Chance erarbeitet hat. Während die Stunde Null, der Wahlabend 2013, das politische Ende für Politiker wie Brüderle, Rösler, Niebel oder Bahr bedeutete, war sie für Christian Lindner der Beginn des Projekts Wiedereinzug in den Bundestag. Die damalige Häme der Gegner, für ihn war sie Ansporn, so Lindner auf dem Parteitag im April:
    "Da hab ich mir geschworen, das letzte Bild der Geschichte der FDP, das wird nicht der Jubel der Grünen über unser Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag gewesen sein."
    Ein Lindner-Weggefährte "will es noch mal wissen"
    Ein Biergarten in Lüdenscheid, vor einigen Wochen. Hier kämpft Johannes Vogel um ein Bundestagsmandat. Trotz seines jugendlichen Alters – Vogel ist 35 - hat der liberale Sozialpolitiker bereits eine Legislaturperiode als Abgeordneter hinter sich. Er ist einer der 93 FDP-Politiker, die 2013 aus dem Parlament gefegt wurden. Etwa ein Viertel von ihnen will es noch mal wissen und tritt erneut an, knapp 20 davon werden gute Chancen eingeräumt. Vogel gehört dazu, er ist enger Weggefährte von Christian Lindner und sagt über seinen Wahlkreis:
    "Es ist natürlich ländlich, klar im Sauerland, hoch industrialisiert, fast hundert Firmen, die in ihrer Nische Weltmarktführer sind, also genau die industrielle mittelständische Stärke, die Deutschland auch ausmacht. Wunderschöne Landschaft, tolle Menschen, aber häufiges Regenwetter."
    "Umfragen zeigen deutlich in Richtung Bundestag"
    Davon ist an diesem Sommertag Ende August nichts zu spüren. Die Sonne scheint, etwa 200 Leute sind gekommen, nicht unbedingt wegen Vogel, sondern um Christian Lindner zu hören. Seit vier Jahren ist er nun Parteivorsitzender, er ist Dreh- und Angelpunkt des Wahlkampfs. Die Umfragen zeigen für die FDP deutlich in Richtung Bundestag und so kann ein wohlgelaunter Lindner schon wieder über die Schwäche anderer frotzeln:
    "Also, wer glaubt, der Schulz wird stärker als die Merkel, kommt bitte danach zu mir, ich halte jeweils eine gute Flasche Rotwein dagegen und werde dann nachher schon mal anfangen, den Keller ein bisschen frei zu räumen, wenn ich nach Hause komme."
    Freundlicher Applaus in Lüdenscheid
    Lindner kann reden, auch ohne Zettel, ohne Pult, ohne Teleprompter. Russland, Türkei, Terror, innere Sicherheit, das sind seine Themen. Es gibt hier in Lüdenscheid keine Jubelstürme aber doch freundlichen Applaus. Störer und Buh-Rufe gibt es nicht. Zustimmung auch beim Thema Diesel:
    "Diese Lust am Untergang, die ich beobachte, wie manche sich regelrecht freuen, dass jetzt die nächste Branche, die nächste Industrie, die sie nicht mögen, in die Knie geht, da bin ich nicht dabei."
    Sperrige Wahlgeschenke werden nach Hause geliefert
    Szenenwechsel. Zwei Tage später auf dem Wochenmarkt in Bonn-Beuel, wo Alexander Graf Lambsdorff mit einem kleinen Team für die Liberalen wirbt.
    "Sie haben da gerade einen Besen von der FDP mitgenommen, freuen sich drüber?" "Ja, und wie, da kann ich gut mit fegen." "Ich vermute, Sie wählen am 24.?" "Ja, sicher das, in jedem Fall." "Jetzt hängen seit Tagen viele Plakate in der Stadt, von der FDP in schwarz-weiß diesmal, was halten Sie von den Bildern? Sind die gut?" "Ja, ich mag den Lambsdorff, den mag ich gerne."
    Alexander Graf Lambsdorff, Vize-Präsident des Europäischen Parlaments, Neffe von Otto Graf Lambsdorff, der FDP-Legende aus vergangenen Jahrzehnten. Er hat gezweifelt, 2013, ob das mit dem Wiedereinzug in den Bundestag gelingen kann.
    "Wir haben dann intern an einer Neuaufstellung, einer Neuausrichtung gearbeitet, mit der wir dann Schritt für Schritt Vertrauen erworben haben. Haben uns auch optisch neu aufgestellt. Das war das Anzeichen dafür, dass wir auch im Auftreten anders sein wollten als in der Vergangenheit."
    Aus blau-gelb, wurde gelb-magenta, so sind auch die Besen gehalten. Eine Wählerin will den Besen schon recht gern, doch scheint er ihr recht sperrig. Kein Problem, so der Graf, bringen wir Ihnen nach Haus:
    "Sie werden sehen, die FPD hält ihre Versprechen!"
    "Denken wir neu" - das Motto der Traditionspartei
    Was die Neuausrichtung der Partei angeht, stellt Parteienforscher Oskar Niedermayer fest:
    "Inhaltlich hat sie sich nicht neu erfunden, das ist aber auch gar nicht sinnvoll, denn diese Partei hat eine sehr lange Geschichte und wenn sie jetzt plötzlich völlig andere Inhalte vertreten würde, dann würde sie ihre Kernklientel, die sie früher immer hatte, die sie dann 2009 und 2013 verloren hat, die würde sie gar nicht mehr wiedergewinnen können."
    "Denken wir neu", so das Motto des Wahlprogramms. Auf gut 150 Seiten beschreiben die Liberalen ihre Ideen für die kommenden Jahre. Mit neuer Prioritätensetzung und den Themen Bildung und Digitalisierung vorneweg, will die FDP eine Akzentverschiebung verdeutlichen. Steuersenkungen werden jetzt Entlastungen genannt. Details dazu finden sich irgendwo weiter hinten im Programm.
    Abgrenzung zur AfD und den Grünen
    Wichtig für die Kernklientel, unbrauchbar für eine Partei, die neu und nach vorne gerichtet beurteilt werden will, um so drittstärkste Kraft im Bundestag zu werden. Das erfordert Abgrenzung zu den Grünen, aber vor allem zur AfD. Kein Thema eignet sich für diese Betrachtung so gut wie die Flüchtlingspolitik der vergangenen Jahre. Oskar Niedermayer:
    "Was Lindner gemacht hat, war eine Gratwanderung, die bisher gut funktioniert hat, nämlich Frau Merkel vor allem wegen ihrer Flüchtlingspolitik zu kritisieren und sich gleichzeitig aber deutlich von der AfD abzugrenzen, weil die Motive der Kritik andere sind, nicht von rechts außen kommend, nicht völkisch, nationalistisch, rassistisch motiviert sind, sondern rechtsstaatlich und nach liberalen Prinzipien und das hat durchaus bei manchen der Landtagswahlen gewirkt."
    Kritische Phase im Herbst 2014
    Christian Lindner ist stolz darauf, seine Partei auch in der Chaosphase unmittelbar nach der letzten Bundestagswahl fest in der Mitte des politischen Spektrums gehalten zu haben, Verlockungen, in rechten Populismus abzugleiten, widerstanden zu haben. Im Rückblick wird möglicherweise unterschätzt, wie labil und verwundbar die Partei zwischenzeitlich war. Lindner kürzlich im Deutschlandfunk:
    "Der Herbst 2014 war schon sehr hart. Es war sicherlich die Phase, die die Kritischste war. Warum? Wir hatten bei der Europawahl und bei den drei ostdeutschen Landtagswahlen nicht den Erfolg, den wir uns gewünscht hätten und da gab’s natürlich viele kritische Stimmen innerhalb der Partei. Es kam noch mal eine neue Kursdebatte auf. Es gab Vorstellungen, dass wir insbesondere pauschale Islamkritik zum Thema machen sollten, das war eine kritische Phase, die durchaus Disziplin und Selbstironie erfordert hat."
    Konflikt um das islamkritische Papke-Thesenpapier
    Pauschale Islamkritik, eine Anspielung auf den Konflikt um das Thesenpapier von Gerhard Papke, dem ehemaligen Lindner-Vertrauten in Nordrhein-Westfalen. 2014, vor der Flüchtlingskrise formuliert, lesen sich die Warnungen vor Islamismus, Integrationsproblemen und ungeregelter Zuwanderung heute als Beitrag aus einer, ja, konservativen Ecke aber nicht als Impuls, der eine sehr enge, langjährige politische Freundschaft beenden könnte. Genau so kam es aber. Papke war sieben Jahre FDP-Fraktionsvorsitzender in NRW, ab 2012 dann weitere fünf Jahre Vize-Präsident des Landtags. Hier Papke und Lindner in separaten Interviews in den vergangenen Tagen im Deutschlandfunk:
    "Ich bin außerhalb meiner Partei aber auch innerhalb als Rechtspopulist beschrieben worden und leider hat sich der Parteivorsitzende Christian Lindner auch von mir distanziert, obwohl er das Papier vorher kannte. Das hat mich sehr enttäuscht und das hat ganz wesentlich zu unserem Bruch beigetragen."
    "Er hatte andere Vorstellungen zur Positionierung der FDP im Jahr 2014 und er hat diese Überlegungen öffentlich lanciert als sei das die neue Strategie der FDP, die er als Vertrauter von Christian Lindner darstellt. Darüber kam es leider zu einem Bruch, so ist das leider im politischen Leben."
    "Abrechnung eines Enttäuschten"
    Gerhard Papke (FDP)
    Gerhard Papke (FDP), einstiger Weggefährte von Lindner, warnte in einem Thesenpapier vor Islamismus und unregelter Zuwanderung - Lindner distanzierte sich. (dpa)
    Ist das die Partei, die sich für ihren Individualismus, ihren Pluralismus feiert? Gestritten wurde in den vergangenen Jahren wenig, Diskussionen auf dem letzten Parteitag über die doppelte Staatsbürgerschaft oder Abschiebungen nach Afghanistan waren allenfalls Zuckungen in Richtung Streitkultur. Flügel und Strömungen in der Partei haben sich mit großer Disziplin hinter das gemeinsame Ziel Bundestag gestellt. Gerhard Papke ist vom Lindner-Vertrauten zum Lindner-Kritiker geworden. "Noch eine Chance für die FDP", heißt sein aktuelles Buch. Ein Insider, der zum Outsider wurde. Man kann das Buch als Abrechnung eines Enttäuschten interpretieren. Andererseits: Er ist immer noch FDP-Mitglied. Er kann der erneuerten modernen FDP durchaus etwas Positives abgewinnen, sieht nun aber auch die Gefahr, dass Liberalisierung zum Selbstzweck wird:
    "Ich gebe Ihnen dazu ein Beispiel. Ich halte es für einen Fehler, dass die FDP inzwischen für die Liberalisierung von Cannabis eintritt, ähnlich wie die Grünen oder die Linkspartei."
    Lindners "Gratwanderung in der Flüchtlingspolitik"
    Die Gratwanderung Lindners in der Flüchtlingspolitik hält an. Beobachter nehmen in den letzten Wochen des Wahlkampfs Signale in sehr unterschiedliche Richtungen wahr. "Alle Flüchtlinge müssen zurück", titelt die Bild-Zeitung über einem Interview mit dem FDP-Vorsitzenden. Alle syrischen Kriegs-Flüchtlinge sollen nach Ansicht Lindners zurück, denn, Zitat: "Wer soll Syrien denn aufbauen, wenn nicht die Menschen, die wir hier unterstützt und zum Teil auch weitergebildet haben." Ja, meint Lindner, das gelte auch noch in fünf oder zehn Jahren für hier geborene Kinder von Flüchtlingen, denn, Zitat: "Mit der Geburt hier ist nicht die deutsche Staatsangehörigkeit verbunden." Zwei Wochen vorher hatte Lindner im Deutschlandfunk gesagt:
    "Wenn jemand integriert ist, also die deutsche Sprache beherrscht, sich nichts hat zuschulden kommen lassen und die finanzielle Verantwortung durch Arbeit für den Lebensunterhalt seiner Familie bestreitet, warum sollten wir sie oder ihn wegschicken?"
    Personalisierter Wahlkampf mit Model-Anmutung
    Alltagshektik, Stress, schnelle Schnitte, schwarz-weiß Bilder, Stakkato-Takt drunter, Werbespots für die FDP unterstreichen zwei Kernelemente der Parteierneuerung gleichzeitig: Die Konzentration auf die Person Christian Lindner und den Wunsch modern, urban und jung zu wirken. Beides ist nicht unproblematisch. Beim Lindner-Auftritt in Lüdenscheid steht ein 19-jähriger junger Mann am Rande des Geschehens. Inhaltlich findet er die Argumente des FDP-Vorsitzenden dünn. Aber pointiert formuliert, gibt er zu. Und mit Blick auf die allgegenwärtigen Linder-Plakate, mal groß, mal klein, mal riesig, immer mit Model-Anmutung, immer von Fotograf Olaf Heine, der mal Lindner, mal die Band Rammstein abbildet, sagt er:
    "Erst wusste ich nicht, ob es Parfumwerbung oder ein Wahlplakat ist, aber ist natürlich schick gemacht. Kann man nichts sagen, die Kampagne wurde gut gemacht."

    Zu schick? Zu schräg? Die FDP als Laufstegpartei? Oskar Niedermayer von der FU Berlin winkt ab:
    "Es ist eine Kampagne, die Aufmerksamkeit erregt, die heraussticht aus dem üblichen Plakateinerlei, natürlich kann man sich drüber streiten, ob Herr Lindners Konterfei allzu sehr Posterboy ist, aber das Zentrale ist, sie erregen Aufmerksamkeit."
    Drei Wahlplakate der Partei FDP - mit Christian Lindner
    Drei Wahlplakate der Partei FDP - mit Christian Lindner (dpa / Revierfoto)
    Berlin-Anwärter: Kubicki, Vogel, Lambsdorff, Fricke
    "Ich wähle, ehrlich gesagt, nicht unbedingt Parteien, ich wähle nur Personen."
    "Ich bin Wechselwähler. Über die ganzen Jahre hab ich mal diese und mal jene Partei gewählt und hab mich immer von dem ersten Mann an der Spitze überzeugen lassen, der vorne die Partei repräsentiert."
    Diese beiden Wähler bei FDP-Info-Ständen scheinen die Lindner-Strategie der Liberalen zu bestätigen. Und es gibt sie ja, die zweite Reihe einer künftigen Bundestagsfraktion:
    "Sagen Sie mal, wie heißt dieser berühmte FDP-Rechtsanwalt in Mecklenburg-Vorpommern, der war auch in Bonn…" "Sie meinen nicht Kubicki? Aus Schleswig-Holstein?" "Ja, Kubicki, der ist für mich ein Mann, der klar ist, der nichts scheut und Dinge beim Namen nennt und solch einen Mann, den braucht man."

    Sagt dieser Wähler an einem FDP-Stand in Potsdam letzte Woche. Auch Kubicki kandidiert für den Bundestag, will von Kiel nach Berlin. Ein profilierter Rechtspolitiker mit langer Erfahrung. Und neben dem Sozialpolitiker Johannes Vogel und Graf Lambsdorff mit seiner außenpolitischen Expertise gehört auch Otto Fricke, Haushalts- und Finanzpolitiker, zu denen, die das neue Team in Berlin verstärken würden. Fricke musste sein Parlamentsbüro 2013 ebenfalls räumen. Als sogenannter Liquidator war er für die Abwicklung der Fraktion zuständig. Eine Abwicklung, die noch immer andauert, wie aktuelle Fragen rund um möglicherweise bald fällige Millionenzahlungen für Betriebsrenten der ehemaligen Mitarbeiter zeigen. Doch grundsätzlich ist die Tristesse bei Fricke schon seit Längerem verflogen:
    "Ich muss schon sagen, dass ich spätestens seit 2015 ziemlich sicher war, dass das eine Treppe ist, die nach oben geht, der Rheinländer würde sagen: ‚Wir sind noch nicht an Schmitz Backes vorbei, aber man hat ihn doch 2015 schon gesehen‘".
    Der Stellvertretende FDP - Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki trifft sich zum Thema Innere Sicherheit mit Lokalpolitikern in Mülheim / Ruhr Wolfgang Kubicki ( FDP ) am 11.05.2017 in Mülheim an der Ruhr. Foto: Revierfoto Foto: Revierfoto/Revierfoto/dpa | Verwendung weltweit
    Der Stellvertretende FDP - Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki (Revierfoto)
    "Schwieriger Verhandlungspartner für die Union"
    Vier Jahre nach dem Aus für die FDP im Bund stehen die Chancen auf einen Neustart also gut. Allein dieser Befund ist Bestätigung für Christian Lindner und seine Mitstreiter, das war 2013 alles andere als selbstverständlich. Nach der Wahl stellen sich dann andere Fragen: Gelingt eine Mischung aus Substanz und Imagepflege? Können sich neben den wenigen bundesweit bekannten Namen neue Köpfe in der Fraktion profilieren? Wie steht es um einen Neustart in den östlichen Bundesländern? Die wichtigste Weichenstellung aber wird das Wahlergebnis am 24. September bringen. Gelingt es der FDP, drittstärkste Kraft zu werden? Stehen möglicherweise Koalitionsverhandlungen an? Der Parteienforscher Oskar Niedermayer sagt, wenn es rechnerisch möglich ist, kann sich die FDP nicht verweigern. Er sagt aber auch:
    "Das Schlimmste, was der FDP passieren kann, ist, dass sie wieder das Image bekommt, ein reines Anhängsel der Union zu sein. Wenn da die Verhandlungen sind, dann wird die FDP, Lindner, die Preise hochsetzen, also glaube ich, dass die Union mit der FDP diesmal einen schwierigen Verhandlungspartner bekommen wird."
    Fraktionsvorsitz oder Ministerposten als strategische Frage
    Was will Christian Lindner? Er ist 38, er hat vier Jahre auf diesen Moment hin gearbeitet. Sicher nicht für ein Strohfeuer, glaubt - bei aller Kritik am FDP-Vorsitzenden - auch Gerhard Papke:
    "Ich bin mir ziemlich sicher, dass es ihn mitnichten in die Regierung drängt, weil er darum weiß, dass es eigentlich gut wäre, Erfahrung zu sammeln, sich wieder im Deutschen Bundestag zurechtzufinden und weil er natürlich auch weiß, dass man in der Regierungsverantwortung sehr, sehr schnell an konkreten tagespolitischen Resultaten gemessen wird und nicht so sehr an Programmen, die man vor der Wahl verabschiedet hat."
    Ob Lindner im Fall einer FDP-Regierungsbeteiligung auf einen Ministerposten im Kabinett verzichtet, um die Stabilisierung der Partei vom Fraktionsvorsitz aus zu vertiefen, das ist vor allem eine strategische Frage. Die Liberalen haben eine existenzielle Krise hinter sich, selbst bei einem guten Ergebnis am 24. September wird danach nicht alles glatt laufen. Deshalb verspricht Christian Lindner auf Wahlveranstaltungen schon jetzt:
    "Wenn Sie uns zur dritten Kraft machen, dann werden wir ganz sicher viele Fehler machen, so wie wir in der Vergangenheit auch viele Fehler gemacht haben. Sie werden sich auch über uns ärgern, wenn wir mal was nicht richtig eingeschätzt haben. Aber eines verspreche ich Ihnen, die Fehler der Vergangenheit, die wiederholen wir nicht, wir denken uns neue aus."