Christiane Florin: Es gibt die Bibel in gerechter Sprache, in leichter Sprache, in Jugendsprache. In dieser Jugend-Bibel, wird zum Beispiel "mit Gott gelabert" anstatt gebetet. Für Christenmenschen, die nicht ganz so frei formulieren wollen, ist die Einheitsübersetzung gedacht. Das Wort Einheit führt allerdings in die Irre , gemeint ist damit nicht etwa eine ökumenische Bibel, sondern eine einheitliche Version für die katholische Liturgie, den katholischen Religionsunterricht und die katholische Seelensorge im deutschen Sprachraum. Die Evangelische Kirche richtet sich nach der Luther Bibel.
Die bisherige Einheitsübersetzung stammt aus dem Jahr 1979, ist also schon etwas in die Jahre gekommen. Anfang Dezember erscheint eine neue Fassung. Zehn Jahre lang wurde daran gearbeitet, und seit wenigen Tagen ist sie fertig. Aus Passau ist uns Katrin Brockmöller zugeschaltet, sie ist promovierte Theologin und Geschäftsführende Direktorin des Katholischen Bibelwerks. Die auffälligste Veränderung in der neuen Einheitsübersetzung ist wohl, dass Gott nicht mehr "Jahwe" genannt wird, sondern "HERR" aus Respekt davor, dass im Judentum der Name Gottes nicht ausgesprochen werden darf. Ändert sich damit etwas am christlichen Gottesbild?
Katrin Brockmöller: An dem christlichen Gottesbild auf jeden Fall nicht und an dem biblischen, glaube ich, auch nicht, denn das biblische Gottesbild ist eigentlich nicht eins, sondern plural von den Texten her. Man kann gar nicht sagen " das biblische Gottesbild". Da gibt es einerseits ganz antropomorphe Vorstellungen, also Gott "liebt", Gott "hasst" Gott "zürnt", ist "erregt", hat "Mitleid", hat "Erbarmen". Dann gibt es andererseits nicht- belebte Gottesbilder, wie ein Fels, wie ein Schild, solche Dinge. Und auch aus dem Tierreich: Es gibt so schöne Bilder wie "Gott ist wie einen Bärin" oder es kennen vielleicht auch viele Menschen (das Bild) "wie ein Adler", der einen trägt auf den Flügeln.
Was jetzt mit Gottesnamen verbunden ist, das ist nochmal auf einer anderen Ebene. Das Tetragramm – so nennt man das JHWH - , das sind die Konsonanten, die immer dort stehen, wo Gott mit dem Eigennamen angesprochen ist. Und da hatten wir tatsächlich in der jetzt alten Fassung der Einheitsübersetzung eine problematische Sache, weil man den eigen Namen nur an bestimmten Stellen erkennen konnte. Über tausend Mal kommt der eigene Name Gottes vor und nur bei ungefähr 145, konnte man es dann erkennen, weil dort dann "Jahwe" stand im Text.
"Jahwe" ist ein Kunstwort, kein Mensch weiß, wie man diesen Namen oder diese vier Konsonanten wirklich aussprechen könnte. Man macht es im Judentum überhaupt nicht, aus Respekt vor der Heiligkeit. Jetzt hat man in der jüdischen Tradition zwei Begriffe, mit denen man dann diese Konsonanten im Text vokalisiert und ausspricht. Das eine ist "Adonai" – der Herr - , oder "Hashem" – der Name - . In allen neueren deutschen Übersetzungen hat man die Frage: Was macht man? Wie kriegt man ein sprachliches Signal hin, das kenntlich macht "das ist der Gottes Name", ohne ihn auszusprechen?
Florin: Aber damit ist dann klar: Gott ein Mann.
Brockmöller: Nein, eigentlich nicht. Wir haben das Problem, der HERR ist ein Mann. Aber was man sprachlich als Signal beim Lesen zumindestens sieht, ist, dass es in Großbuchstaben geschrieben ist. Also groß "H", groß "E", groß "R", groß "R". Das sollte eigentlich wirken wie ein Textsignal, das man sieht, das ist quasi der Gottes Name. Da haben Sie natürlich Recht, dass die Rede beim Hören von der "Herr" immer natürlich alles, was man mit "Herr" assoziiert, produziert.
Florin: Gewisse Schlagzeilen hat eine Veränderung gemacht, die auch das Mann-und-Frau-Verhältnis betrifft: Nun taucht eine Apostelin namens Junia auf, die Frau von Andronikus. Wie kam es zu dieser Feminisierung?
Brockmöller: Ich weiß gar nicht, ob Feminisierung hier richtig ist, weil das eine textkritische Frage ist. Was steht eigentlich in dem Text und welche Handschriften legt man da zu Grunde? Die neueren Ausgaben, die textkritischen Ausgaben, haben alle eine "Junia." Und im Grunde ist es etwas, was die alte Kirche wusste, auch bei Hieronymus Chrysostomus gibt es die Apostelin Junia. In der Ostkirche wird sie verehrt als Apostelin. Nur im 13. Jahrhundert ist in die dann europäisch prägenden Textzeugen aus der Junia ein Junias geworden. Das hat man dann einfach wieder korrigiert sozusagen. Was auch noch ganz interessant ist: In der ganzen Antike ist Junias als Männernname nicht belegt.
"Die menschliche Seite wird betont"
Florin: Wo wir gerade beim Thema Frauen sind: Es heißt nun auch nicht mehr, dass Maria und Elisabeth ein Kind empfangen, sondern das sie schwanger werden. "Maria ist schwanger", klingt doch irgendwie banal, oder?
Brockmöller: Echt banal? Eine Schwangerschaft ist nie banal für mich.
Florin: Aber "empfangen" klingt etwas erhabener, etwas anders, nicht so alltäglich.
Brockmöller: Ja etwas feierlicher, nicht so menschlich. Vielleicht betont man die menschliche Seite, wenn man das "schwanger" nennt.
Florin: Was war die strittigste Veränderung bei der Revision?
Brockmöller: Gute Frage. Die Experten haben relativ geheim getagt. Ich war nicht dabei, ich habe nicht selbst übersetzt. Es gab immer Mehrheitsentscheidungen, wo dann diskutiert worden ist, was die Leute am meisten beschäftigt hat. Das kann ich also gar nicht sagen. Aber die erste Reaktion, die es öffentlich gab, war natürlich Jesaja sieben, die Frage mit der Jungfrau. Das haben Sie sicher wahrgenommen.
Florin: Ja natürlich. Jetzt heißt es "Junge Frau" statt "Jungfrau" oder eigentlich zusätzlich zur Jungfrau. Können Sie dazu noch etwas erklären?
Brockmöller: Ja, da hat man sicherlich lange drüber nachgedacht, wie man das jetzt macht. In Jesaja 7 ist im hebräischen Text – so steht es dann auch in der Fußnote – ein Begriff, der heißt "Junge Frau". Fertig. Und dann gibt es noch ein anderes Thema an der Stelle: dass eigentlich da eine Vergangenheitsform steht. Also: "Eine junge Frau hat ein Kind empfangen", so heißt es eigentlich bei Jesaja. In einer politischen Situation, die sehr kriegerisch war und schwierig, wird verheißen: Wenn eine Junge Frau ein Kind empfangen hat und bevor dieses Kind erwachsen ist, da wird sich die Situation verändern. Das ist die textimmanente Verheißung in Jesaja 7. Die ersten Christen haben dann aber nicht den hebräischen Text als Grundlage gehabt, sondern die haben sich auf die Septuaginta bezogen, das ist eine Übersetzung ins Griechische, zweites Jahrhundert vor Christus ungefähr, das war da die Lingua, man hat da Griechisch gesprochen. Und in der Septuaginta ist schon ein Futur draus geworden und die Jungfrau. Also eine "Jungfrau wird ein Kind empfangen", das hat man dann im zweiten Jahrhundert schon messianisch verstanden, als eine Perspektive auf die Zukunft hin. Den Text wiederum haben die ersten Christen genommen, um zu verstehen, was da mit Jesus Christus passiert ist.
Florin: Aber sehen Sie das nur als eine sprachkritische, sprachwissenschaftliche Entwicklung? Daran hängen doch wirklich dogmatische Fragen. Wegen Zweifeln an einer Jungfraugeburt ist schon Theologen die Lehrerlaubnis entzogen worden.
Brockmöller: Ja, so ist es. Da geht manchmal die Rezeption und das, was sich in der Theologie entwickelt, nicht ganz parallel. In der Theologie und auch in kirchenamtlichen Dokumenten ist eigentlich schon längst klar: Das Erste Testament, das Alte Testament, ist die Schrift des Jüdischen Volkes mit ihren Eigenheiten und die christliche Interpretation ist eine Relecture. Und die bezieht sich dann an dieser Stelle auf die Septuaginta-Fassung. Ich glaube, dass man daran nicht die ganze Dogmatik hängen kann.
"Ich gehe davon aus, dass viele diese Bibel lesen werden"
Florin: Wie groß ist der Markt für solch eine Bibel, wer kauft die?
Brockmöller: Wenn sie das wüssten, würden sich einige freuen. Man hofft natürlich, das die Leute sich das kaufen werden. Es wird auch der Text sein, der vom Advent des kommenden Jahres an in der Liturgie eingeführt wird. Ich gehe davon aus, dass viele die Bibel lesen werden, die sich dafür interessieren, was sich verändert hat und wie der neue Text so ist. Das wird dann auch der Text sein, der in die Schulbücher kommt. Das wird eine gewisse Zeit dauern, aber dann wird es die Einheitsübersetzung sein.
Florin: Näher am Urtext sei diese Einheitsübersetzung, das sagte der Leiter des Projekts, der frühere Bischof Wanke. Ist das ein "Biotrend", der auch irgendwann wieder abgelöst werden kann?
Brockmöller: Nun ja, das sind immer diese zwei Pole in der Frage, wie man übersetzt. Geht man sehr nah an den Wortlaut oder geht man mehr auf die dynamische Äquivalenz und schaut, wie die Texte wirken? Da glaube ich, gab es schon den Trend, näher an den Sprachgebrauch zu kommen und mehr den biblischen Ton und die Methapern zu holen, weil in der Einheitsübersetzung sehr viel "Slang der 1970er" drin war. Das hat man sprachlich korrigiert, und in diesem Zug ist man dann nochmal näher auf die Ursprungssprache zurückgegangen. Mit allem, was das bedeutet, wird es nochmal eine Herausforderung.
Florin: Was glauben Sie: Wie lange wird dieser Trend halten? Nochmal mehr als dreißig Jahre wie bei der bisherigen Einheitsübersetzung?
Brockmöller: Ich glaube, dass es sich ausdifferenziert. Wir haben da jetzt einen Text. Und man weiß, das Textverständnis ist etwas, das in bestimmten Milleus ausgebildet ist und in anderen weniger, so dass Texte, die Leute dann auch lesen, sicher noch etwas dynamischere Übersetzungen brauchen oder einfach leichtere Übersetzungen. Vor allem bei den Psalmen, bei poetischen Texten ist das ein Thema.
Florin: Das sagt Katrin Brockmüller vom Katholischen Bibelwerk. Die neue Einheitsübersetzung wird Anfang Dezember erscheinen.
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