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Neues Album von Norah Jones
"Im Moment haben wir alle etwas Angst"

Mit dem neuen Album "Day Breaks" kehrt die 37-jährige Musikerin zu ihren Ursprüngen zurück, die sie Anfang der Nullerjahre zur Königin des Popjazz machten. Neu ist, dass Jones auch politische Töne anschlägt. Unter anderem zeichnet sie ein Stimmungsbild der politischen Lage in den USA.

Norah Jones im Corso-Gespräch mit Kerstin Poppendieck |
    Die US-amerikanische Soul- und Jazz-Sängerin und Grammy-Preisträgerin Norah Jones. Am 7. Oktober 2016 erschien ihr sechstes Studioalbum "Day Breaks".
    Die US-amerikanische Soul- und Jazz-Sängerin und Grammy-Preisträgerin Norah Jones. (imago / Unimedia Images)
    Kerstin Poppendieck: Norah Jones, vor drei Montane haben Sie Ihr zweiten Kind bekommen. Herzlichen Glückwunsch noch dazu. Ihr erstes Kind ist jetzt zweieinhalb Jahre alt. Welche Auswirkungen haben die Kinder auf Ihr Leben als Musikern?
    Norah Jones: Das ist schwer zu sagen, aber ich mache nach wie vor so Musik, wie ich es schon immer gemacht habe. Die Kinder haben auf jeden Fall große Auswirkungen auf meinen Schlaf. Und auf meinen Alkoholkonsum, denn ich kann eigentlich nie irgendwas trinken. Aber das ist ok. Es macht ja auch Spaß. Immerhin hab ich ein Album fertiggestellt. Aber ich mache auch nicht jeden Tag Musik. Dazu hätte ich gar keine Zeit. Wenn es passt, dann passt es.
    Poppendieck: Sie haben immer wieder gesagt, diesen riesigen Erfolg Ihres Debütalbums, den konnten Sie gar nicht richtig genießen, weil Sie so gestresst waren. Wie ist das heute, was haben Sie sich verändert?
    Jones: Ach, mein Erfolg heute ist ja nicht zu vergleichen mit dem von früher. Aber das ist in Ordnung für mich. Ich stehe nicht mehr so unter Beobachtung. Meine Karriere ist gerade an einem sehr angenehmen Punkt. Ich kann Konzerte spielen, Alben veröffentlichen, ein paar Leute finden mich immer noch interessant genug, um mich zu interviewen. Das ist schön. Aber ich bin nicht Adele oder Taylor Swift oder jemand, der so berühmt ist, dass er nicht mal ungestört auf die Straße gehen kann. Ich find es super, so wie's gerade ist. Ich verdiene genug, um mein Leben zu finanzieren, und ich fühle mich einfach gut bei all dem. Ich glaube, man lernt daraus, wenn man Erfolg hat. Und ich habe gelernt, das, was mich nicht interessiert, beiseite zu schieben.
    "Der Jazz überwiegt"
    Poppendieck: Stilistisch lassen Sie sich nicht festlegen. Da ist der Jazz, aber auch viel Pop. Auf dem neuen Album "Day Breaks" gibt es sehr viel Jazz. Was hat Sie denn zum Jazz zurückgebracht?
    Jones: Ich hab da dieses Konzert zum 75. Geburtstag des Blue Note Labels gespielt, zusammen mit Wayne Shorter, Brian Blade und John Patitucci. Das war so ein aufregendes Erlebnis! Danach habe ich angefangen, die Songs für dieses Album zu schreiben. Manche sind weniger jazzig, manche mehr. Aber der Jazz überwiegt. Er ist präsenter als auf all meinen anderen Platten. Ich hatte auch wieder Lust, Klavier zu spielen. Ich mag das Instrument, aber irgendwie fand ich es in den vergangenen Jahren inspirierender, auf der Gitarre zu komponieren. Aber ich liebe es, diesen Musikstil auf dem Klavier zu spielen.
    Poppendieck: Es passt ja auch viel besser. Warum haben Sie überhaupt aufgehört, auf dem Klavier zu komponieren?
    Jones: Die Wahrheit ist, dass ich nie damit angefangen hatte. Auf der High School habe ich ein paar Songs auf dem Klavier geschrieben. Aber die habe ich gehasst. Deshalb hab ich danach nicht weitergemacht. Und als ich nach New York gezogen bin, hatte ich gar kein Klavier. Also habe ich mir eine Gitarre besorgt. Und so habe ich das allererste Lied, das ich wirklich mochte, auf der Gitarre geschrieben. Das war "Come away with me". Auf meinem ersten Album hab ich sowieso nur zwei Songs selbst geschrieben. Der Rest kam von den Leuten aus meiner Band, oder es waren Covers. Weil ich auf dem ersten Album viel Klavier gespielt habe, denken alle immer, ich wäre eine Pianistin. Ja, ich habe tatsächlich einige Songs auf dem Klavier geschrieben, aber so hab ich nicht angefangen.
    Musikalische Vorbilder
    Poppendieck: Wayne Shorter hat Sie zu diesem neuen Album inspiriert. Wayne Shorter, der große Jazz-Saxophonist, der mittlerweile über 80 ist. Wie kam das denn?
    Jones: Er ist jetzt 83 Jahre alt. Wie gesagt, ich hab mit ihm dieses Blue-Note-Konzert gespielt. Danach dachte ich: "Man, er ist so großartig. Ich muss eine Ausrede finden, noch mal mit ihm zu spielen." Wayne kann einfach alles spielen, alle möglichen Genres, mit allen möglichen Leuten. Aber ich wollte ganz besondere Songs mit ihm spielen. Als wir dann für vier Tracks im Studio waren, hatten wir viel Spaß.
    Poppendieck: Ich könnte mir auch vorstellen, dass er natürlich geschmeichelt war, mit einer jungen, attraktiven Frau zusammenzuspielen. Ich kann mir schon vorstellen, dass das auch noch mal ein Grund gewesen ist, dass er ja gesagt hat.
    Jones: Ich habe auf jeden Fall das Gefühl, dass wir uns gegenseitig respektieren. Ansonsten würde er wohl auch nicht mit mir spielen. Warum auch, das hat er gar nicht nötig. Er ist so freundlich, und höflich und war sehr offen für meine Musik. Das war schön.
    Poppendieck: Vergangenen Sommer haben Sie mit Ihrer Band Puss’n'Boots im Vorprogramm von Neil Young gespielt. Auf dem Album "Day Breaks" gibt es jetzt auch eine Neuinterpretation von Neil Youngs "Don't be denied". Wie war da der Prozess des Komponierens, also, wie drückt mal Neil Young seinen eigenen Stempel auf?
    Jones: Ich habe schon viele Neil-Young-Songs gecovert, einfach weil er so viele großartige hat. Aber diesen speziellen Song habe ich schon immer geliebt, habe aber nie daran gedacht, ihn mal zu singen. Es ist ein sehr persönliches Lied. Im Song heißt es: "Als ich ein kleiner Junge war". Und: "Als ich nach Winnipeg gezogen bin". Das sind natürlich Songzeilen, die ich nicht eins zu eins übernehmen kann. Manchmal singt man ein Lied, in dem es nicht um einen selbst geht, aber das man trotzdem zu seinem eigenen Lied machen will. Deshalb hab ich bei diesem Song die Perspektive gewechselt und in dem Text über ein Mädchen gesungen. Und ich habe eine Stadt gewählt, in die ich tatsächlich als junges Mädchen gezogen bin. Die Bedeutung des Textes habe ich nicht wirklich verändert, sondern vor allem die Perspektive.
    Spürbare Spannungen
    Poppendieck: Ganz offensichtlich sind Sie politisch sehr interessiert. Auf dem neuen Album gibt es einige politische Texte. Es geht um Themen wie Frieden in dem Song "Peace" oder Waffengewalt in "Flipside". Wie erleben Sie denn die USA im Moment?
    Jones: Ich finde, dass zurzeit viele Spannungen spürbar sind. Da liegt etwas in der Luft, aber es ist sicher nichts Gutes. Es fühlt sich schräg an. Und das auf so vielen verschiedenen Ebenen: auf der einen Seite die Politik, auf der anderen die Gewalt. Die großen Unterschiede zwischen arm und reich. Das hängt alles miteinander zusammen, und gleichzeitig sind es unterschiedliche Probleme. Daraus entsteht dann dieses riesige Etwas, das sich so komisch anfühlt.
    Poppendieck: Inwiefern hat Sie das verändert?
    Jones: Das betrifft jeden. Auch hier in Europa sieht man solche Probleme jeden Tag in den Nachrichten. Ja, es passiert gerade enorm viel bei uns in den USA, aber natürlich kriegen wir auch mit, was in Europa und im Rest der Welt passiert. Ich glaube, im Moment haben wir alle etwas Angst. Wer keine Angst hat, schaut garantiert keine Nachrichten. Schön für die, dass sie sich nicht so fürchten müssen. Aber gerade weil wir uns alle ständig Informationen besorgen können über soziale Medien, wissen wir natürlich auch sehr gut Bescheid.
    Poppendieck: Was hoffen Sie, wird sich nach der Präsidentschaftswahl ändern?
    Jones: Ich hoffe, dass sich unser System ändern wird. Wie wir Leute in offiziellen Führungspositionen wählen, wie diese bezahlt werden – ich hoffe, das wird sich ändern. Keine Ahnung, ob es passiert, aber ich hoffe es. Es ist notwendig. Denn das ist die Wurzel vieler anderer Dinge, die wir in unserem Land danach angehen müssen. Aber ich glaube, wenn wir kein anderes Wahlsystem einführen, wird sich rein gar nichts ändern.
    Poppendieck: Thank you so much.
    Jones: Thank you.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.