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Neues Label Kryptox
Mehr Experiment als Pop

Das Label Gomma steht für das Erbe von Giorgio Moroder und der Mjunik Disco. Nun hat Mathias Modica, der Gründer von Gomma, mit Kryptox ein Sublabel gestartet - für neue Formen von Jazz, Kraut, Ambient und neuer, klassischer Musik. Ein ambitioniertes Projekt mit überraschenden Resultaten.

Von Andi Hörmann |
    Schallplatten
    Zum Programm des neuen Kryptox-Labels sagt Mathias Modica: "Ich weiß, was im Jahr 2018 bis 2025 modern ist" (dpa / picture-alliance / Karl-Josef Hildenbrand)
    Mathias Modica: "Ich fand es persönlich nett, die Worte kryptisch und toxisch zu verbinden. A soll die Musik möglichst undefinierbar sein, also kryptisch. B soll sie süchtig machen, also toxisch."
    Als Duo-Debüt des gefeierten Romantik-Pop-Pianisten Lambert und des erfolgreichen Electro-Live-Acts Stimming erscheint nun auf Kryptox das beeindruckende Minialbum "Exodus". Mit der Single "Edelweiss" kitzeln sie sehnsüchtig die Melodien, verheißungsvolle Harmonien gehen tief unter die Haut.
    Mit der Münchener Combo JRBB gibt es auf Kryptox Big-Band-Sound, der Techno inhaliert und House-Musik transpiriert.
    Pop-affine Kunstmusik
    Und der in Berlin und Moskau lebende Rothenbaum liefert auf dem neuen Label von Mathias Modica ein mantrahaftes Synthesizer-Spektakel - nur vier Tracks, aber 70 Minuten Spielzeit.
    Mit dem Gomma-Sublabel Kryptox öffnet sich Mathias Modica der Welt der filmreifen, aber Pop-affinen Kunstmusik. Mathias Modica:
    "Ich spüre, und ich sehe auch, und höre das auch, dass es ein offensichtlich immer größer werdendes, neues Publikum gibt für alle möglichen Formen von live gespielter Musik und auch vor allem für alle möglichen Formen von ungewöhnlicher Musik."
    Das musikalische Experiment steht im Mittelpunk von Mathias Modicas kuratorischer Arbeit. Sein Label Gomma Records - Stichwort: Mjunik Disco - liegt seit ein paar Jahren auf Eis, mit dem Sub-Label Kryptox bringt Mathias Modica nun die Herzen der Musik-Nerds zum Schmelzen.
    "Es gibt offensichtlich immer mehr Leute, die interessiert sind an obskuren, neuen, bizarren, interessanten, phantasievollen Ideen in handwerklich, live performter Musik."
    Kammermusikalische Elemente mit Jazz und Elektronik
    In München-Haidhausen wohnt und arbeitet der 1993 geborene Ralph Heidel. Noch studiert er Komposition im Master, in Jazz-Saxophon hat er schon einen Abschluss. Ein befreundeter DJ hat Mathias Modica ein paar seiner experimentellen Stück vorgespielt. Ralph Heidel:
    "Er hat es sich ein paarmal angehört, dann haben wir telefoniert und dann hat das auch sofort geklappt."
    In seiner kleinen Studentenbude hat er in den letzen Monaten sein Debüt komponiert. Im Mai 2018 erscheint es auf Kryptox: Ralph Heidel und "Homo Ludens". Ein Oktett: Streichquartett, Klavier, E-Bass, Schlagzeug und Heidels Saxophon. Tritt er solo auf, ist die Instrumentierung auf ein Minimum reduziert:
    "Ich habe hier mein Studio-Equipment. Hier steht quasi meine ganz normale Abhöre, mein Synthesizer, Saxophon, meine Flöte und hier noch mein Mikro. Und ich spiele mein Saxophon immer durch Gitarren-Effekte, das ist dieses große Board, das hier steht. Und da ist noch mal so ein Gerät: Das ist ein Sampler, mit dem arbeite ich live. Das ist quasi live mein Laptop. Mit dem loope ich live, da sample ich mein Saxophon live. Das ist quasi das Herz des Live-Sets."
    Auch nicht viel größer als eine Computertastatur.
    Ralph Heidel:
    "Ich wollte eben live nicht mit Computer auf der Bühne stehen. Deswegen habe ich mir das hier zugelegt. Und das richte ich jetzt ganz kurz ein, damit ich performen kann…
    Ich bin kein Produzent, der rumbastelt und dann etwas daraus entsteht, sondern ich komponiere das wirklich vorher, und dann ist mir aber wichtig, dass wirklich noch in einem interessanten, modernen Kontext zu bringen: Eben das Streichquartett so einzusetzen, damit das irgendwie modern klingt, elektronische Elemente mit rein zu kriegen, diese kammermusikalisch klassischen Elemente mit Jazz und Elektronik zu verbinden."
    Bombast darf, Minimal muss
    "Das Streichquartett lasse ich nicht nur Flächen spielen, sondern die imitieren auch mal quasi einen Synthesizer."
    Das reizvolle Spiel mit den Gegensätzen: analog und digital, geradlinig und vertrackt. Bombast darf, Minimal muss. Überhaupt: Die Dynamik der Big Band, die Ästhetik des Streichensembles. Oder sind es doch mehr die harmonischen Schlenker von Progressive Rock? Die Kompositionen von Ralph Heidel zeigen exemplarisch, was auf dem Label Kryptox alles geht - und Modica macht es mit seinem visionären Blick möglich.
    "Ich weiß genau wohin ich will, ich weiß, was im Jahr 2018 bis 2025 aus meinem Gefühl her modern ist, neu ist."
    Eine Netflix-geschulte Generation hat mit Serien immer schon auch elegische Soundtracks konsumiert. Die Häppchen-Kultur aus dem Laptop macht anscheinend auch wieder Appetit auf das Live-Erlebnis. Im Rahmen von Kryptox gibt es dann auch immer wieder Kunst-Events in einstigen Hochkultur-Tempeln: Museum, Theater, Oper. Audiovisuelle Happenings mit Post-Internet-Art - und die Musiker auf Kryptox liefern den Sound dazu. Mathias Modica:
    "Live gespielte Tanzmusik könnte die neue Form von Techno oder elektronischer Tanzmusik sein. Ich finde, es trifft es - und es liegt auch extrem in der Luft."