Klack, Berlin-Neukölln - die Tür fällt ins Schloss, das Geräusch verhallt im Treppenhaus. Im oberen Stockwerk: die Zweizimmerwohnung von Theresia Enzensberger, saniert in edler Einfalt. Die Küchenzeile, hinter einer mattgrauen Schiebewand. Mitten im Raum, ein ausladender Tisch - Wohnzimmer und Arbeitsplatz. Klick, Aufnahme läuft ...
"Können wir, Entschuldigung. Kann ich kurz eine Sekunde nachdenken. Ich bekomme so Lampenfieber und dann muss du dir das ewige Gebrabbel anhören."
Ein grünes Licht am Kaffeevollautomaten blinkt: Aufheizen, Kapsel einlegen, Espresso. Brühwarm aufgegossen, das heikle Thema zuerst. Theresia Enzensberger, Tochter des berühmten Schriftstellers Hans Magnus Enzensberger: eine Bürde?
"Als ich jünger war, war das schon manchmal schwierig. So in der Schule und so. Aber das sind so Sachen aus denen man dann auch rauswächst. Und als ich zum Beispiel meine ersten Rezensionen für die "FAZ" geschrieben habe, da war ich 19, da habe ich auf ein Pseudonym bestanden. Mittlerweile habe ich mich da sehr entspannt. Jetzt so in der Branche habe ich eigentlich nie schlechte Reaktionen. Alles, was mir entgegenschlägt, ist freundliche Neugierde."
Nach dem Abitur in München, im Jahr 2006, studiert Theresia Enzensberger erst in London, dann am renommierten Bard College, New York. Sie macht einen Bachelor im Bereich Film. Dazwischen: Regie-Hospitanzen bei Luc Bondy am Berliner Ensemble und bei Thomas Langhoff am Burgtheater. Später: Übersetzungsarbeiten für die "HBO"-Serie "Girls". Und immer wieder journalistische Texte für das Kunstmagazin "Monopol", das "Zeit-Magazin", das Feuilleton der "FAZ".
"Ich habe mich irgendwie im Medium vertan als ich studiert habe. Ich wollte immer schon Geschichten erzählen. Und mir macht es auch Spaß, dass alle zusammen irgendwas kreieren. Das ist ja beim Film auch so, aber dann ist mir aber irgendwann aufgefallen, dass mir das Schreiben mehr liegt als das Filme machen. Ich denke nicht so wahnsinnig visuell. Dann habe ich angefangen zu schreiben und irgendwann hatte ich so viele tolle Sachen gesehen, die nicht veröffentlicht werden, wo ich das Gefühl habe, die bekommen nicht die Aufmerksamkeit, die sie haben sollten."
Mit dem "Block Magazin" gibt Theresia Enzensberger nun wenig beachteten Arbeiten von Künstlern und Journalisten eine Plattform. Die erste Ausgabe liegt bereit zum Druck, die Homepage steht seit Anfang Februar. In der ersten Woche gibt es fast 100 Vorbestellungen, gedruckt wird bei 1000.
"Also das ist jetzt die Webseite, so sieht das aus. Auf der Hauptseite sieht man das Konzept. Hier steht wie viele Leser wir schon haben, wie viele Leute schon bestellt haben. Das sind die Leute die schon Anzeigen gekauft haben. Wir haben sechs Seiten im Heft, die wir hier öffentlich verkaufen. Wir wollen das nachvollziehbar machen, diesen Prozess des Anzeigenverkaufs."
Eine Art Crowdfunding mit transparentem Marketing. 208 Seiten für 10 Euro - fast schon mehr ein Buch als ein Magazin. Die Textseiten: matt und dick. Die Seiten mit Bildern: dünn und Hochglanz. Mit dem "Block Magazin" möchte Theresia Enzensberger dem "Relevanzgehechel" im Journalismus zeitlose Qualität entgegensetzen, das journalistische Tagesgeschäft entschleunigen. Kein "Kritiker-Schreiben" für Kritiker, sondern Liebhaber reflektieren für Liebhaber.
"Ich lese ungern Artikel, wo mir der Autor die ganze Zeit erzählt, was er alles gelesen hat."
Die Textformen der Beiträge kreuzen sich: Essays, E-Mail-Korrespondenzen, Prosa, Gedichte und Interviews. Möglich ist vieles, machbar ist alles. Die Schriftstellerin Olga Grjasnowa schreibt etwa über urbane Strände. Der Fotograf Juri Gottschall hat für die erste Ausgabe eine Bildstrecke beigesteuert: Michael Jackson, 1992 am Münchner Flughafen. Und Theresia Enzensberger selbst schreibt über ein theoretisches Zeitgeistphänomen:
"Ich habe mich mit der Frage beschäftigt, inwiefern Theorie gefährlich oder harmlos für das menschliche Miteinander ist. Also ich habe ein bisschen über den Anti-Humanismus geschrieben, der ja wieder trendy geworden ist und dass mir das ein bisschen Angst macht. Das ist in Form einer E-Mail-Konversation zwischen zwei Menschen, die sich nicht kennen."
Mit dem "Block Magazin" setzt Theresia Enzensberger auf alte Tugenden und passt sie der Zeit an: Genüssliches Schmökern in einem buchschweren Print-Magazin in Zeiten der rasend schnellen Medien-Hypes - mit vollem Vertrauen in den Leser.
"Die Hoffnung ist, dass es mehr Leute gibt, die sich vielleicht auch ein bisschen langweilen. Ich langweile mich immer, wenn ich so durchgeführt werde durch das Heft und an der Hand genommen werde oder abgeholt werde. Das ist ja die Marketingsprache: Du musst die Leser abholen. Ich glaube das nicht, ich glaube es gibt sehr viele intelligente Menschen, die durchaus in der Lage sind, sich alleine zurechtzufinden."