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EU-Ratspräsidentschaft
Niederlande in stürmischen Zeiten

Die Niederlande sind eines der Gründungsländer der Europäischen Union und doch ist innenpolitisch eine EU-Skepsis weit verbreitet. Aktuell wird dies auch in einer Initiative sichtbar, die ein Referendum gegen den EU-Vertrag mit der Ukraine anstrebt. Im beginnenden Halbjahr nun übernehmen die Niederlande die Ratspräsidentschaft - dabei drohen zahlreiche Konflikte.

Von Kerstin Schweighöfer |
    Europagebouw, das Gebäude, in dem alle Treffen während der Ratspräsidentschaft der Niederlande stattfinden.
    Europagebouw, das Gebäude, in dem alle Treffen während der Ratspräsidentschaft der Niederlande stattfinden. (dpa / picture alliance / Robin Van Lonkhuijsen)
    Die Niederlande im Zeichen der EU-Ratspräsidentschaft. Kurz vor Weihnachten hatte sich Premierminister Mark Rutte mit seinem luxemburgischen Amtskollegen Xavier Bettel getroffen, um den Vorsitz zu übernehmen.
    Rutte und Bettel gaben sich gut gelaunt und lachten viel – gerade so, als wüssten sie, dass ihnen das Lachen in den nächsten sechs Monaten regelmäßig vergehen könnte. Selten war die Tagesordnung einer Ratspräsidentschaft so konfliktbeladen wie diese: Der Fokus liegt auf Terror und Flüchtlingskrise. Darüber hinaus muss die Eurozone weiter stabilisiert werden und sollen die Niederländer einen drohenden EU-Austritt der Briten verhindern, einen so genannten Brexit. "Es wird schwer", so Premier Rutte
    "Wir werden uns für die Lösung all dieser Konflikte einsetzen und gleichzeitig versuchen, die Ziele umzusetzen, die wir uns selbst gesetzt haben: den internen Markt weiter auszubauen. Wir brauchen neue Arbeitsplätze, Wachstum und einen starken Euro."
    Die Hoffnungen, die Brüssel auf die Niederländer setzt, sind groß, nicht umsonst gelten sie als Weltmeister im Suchen von Kompromissen. Und in der Vergangenheit ist es ihnen auch immer wieder gelungen, die europäische Einigung voranzutreiben – so wie bei den EU-Gipfeln in Maastricht 1992 und Amsterdam 1997. Der Gipfel von Maastricht gilt als Wiege des Euro, mit dem Gipfel von Amsterdam fünf Jahre später wurde die Basis für die EU-Erweiterung gelegt.
    Doch inzwischen tritt Den Haag auf die Bremse und übt sich im Spagat. "Europa - wenn nötig, national wo möglich", lautet das Motto:
    Von mehr Europa will Ruttes sozialliberale Regierungskoalition nichts mehr wissen, aus Angst, noch mehr Wähler an die Rechtspopulisten und die ebenfalls europakritischen Sozialisten zu verlieren. Denn von der Begeisterung für die europäische Idee ist nicht viel übrig geblieben: Anfang der 90er-Jahre fanden laut Eurobarometer fast 90 Prozent der Niederländer die EU-Mitgliedschaft ihres Landes eine gute Sache. Nun sind es nur noch etwas mehr als 60 Prozent - dem sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut SCP zufolge sogar nur noch 42 Prozent. Jeder vierte Niederländer will sogar aus der EU austreten. Dafür machen sich nicht nur die Rechtspopulisten von Geert Wilders stark, sondern auch zwei europafeindliche Bürgerinitiativen: Sie haben dafür gesorgt, dass die niederländische EU-Ratspräsidentschaft durch ein Referendum gestört wird.
    Am 6. April dürfen sich die Niederländer für oder gegen das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine aussprechen, mit dem die Ukraine enger an Europa angebunden werden soll. Echte Demokratie, so Arjan van Dixhoorn, Historiker und einer der Initiatoren des Referendums, sei nur in einem Nationalstaat möglich und nicht in einem europäischen Superstaat:
    "Unser langfristiges Ziel ist ein Referendum, in dem sich die Niederländer so wie die Briten für oder gegen einen Austritt aus der EU aussprechen können."
    Angesichts dieser Entwicklungen schienen selbst überzeugte Europäer wie Frans Timmermans, ehemaliger niederländischer Außenminister und Vizepräsident der EU-Kommission, den Mut zu verlieren. Bei einer Rede in Amsterdam im November – noch vor den Pariser Terroranschlägen – sprach er von einem perfect storm, einem perfekten Sturm, in dem sich Europa befinde: Terror, Flüchtlinge, Wirtschaftskrise, Bankenkrise, Europagegner, immer stärker werdende nationalistische Kräfte.
    "Zum allerersten Mal in seinem Leben habe er das Gefühl, dass das Schiff Europa kentern könnte. Dass statt Zusammenarbeit wieder die Konfrontation gesucht werde."
    Kurz vor Weihnachten jedoch überraschte Timmermans, streitlustig wie immer, seine Landsleute mit einem Pamphlet, einer 60 Seiten starken Kampfschrift. Titel: "Bruderschaft". Motto: Optimismus statt Fatalismus. "Rollt die Hemdsärmel hoch", so Timmermans und erinnerte an Angela Merkel: "Fasst mit an – wir schaffen das."
    Zeitungskommentatoren verglichen ihn mit einem Steuermann, der sein Schiff trotz abgebrochener Mastspitze und zerrissenen Segeln unverdrossen durch den perfect storm zu manövrieren versucht.