Der Vorwurf war vage, die Quelle anonym, Belege gab es wenige: Gleichwohl hatte Niedersachsens grüner Umweltminister Stefan Wenzel dem Vorwurf der Anti-Atom-Initiative Ostwestfalen Lippe größte Bedeutung zugemessen. In einem Schreiben an Presse und Ministerium hatten die Atomkraftgegner behauptet, Eon habe nur unter Protest und notdürftig einen Riss an einer 30 Jahre alten Armatur flicken lassen, die eigentlich hätte ersetzt werden müssen. Daraufhin hatte sich Wenzel auf einer Pressekonferenz am Freitag noch unbeugsam gegeben - und die ursprünglich bereits für Mitte Mai geplante Wiederinbetriebnahme des Meilers erneut verzögert:
"Aufgrund der Sicherheitsrelevanz ist eine Überprüfung der Behauptung zwingend erforderlich. Die Vorwürfe können nicht einfach so im Raum stehen bleiben. Ich gehe davon aus, dass auch der Betreiber Interesse an einer raschen und vollständigen Klärung haben muss."
Kein Ermittlungsverfahren durch Staatsanwaltschaft
Reaktorbetreiber Eon nennt die Behauptungen absurd. Die Reparaturarbeiten hätten unter der Aufsicht der Revisoren stattgefunden, sie seien ordnungsgemäß dokumentiert worden, wie der Betriebsleiter von Grohnde auch in einer eidesstattlichen Erklärung versicherte. Auch die vom Minister alarmierte Staatsanwaltschaft Hannover hatte nach kurzer Prüfung festgestellt, dass sie kein Ermittlungsverfahren wegen der fehlerhaften Herstellung einer kerntechnischen Anlage einleiten werde. Daraufhin hatte der Minister doch noch grünes Licht für den Neustart gegeben. Und war damit einem Eilantrag des Düsseldorfer Energiekonzerns beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg zuvor gekommen. Ein teurer Rechtsstreit dürfte dem Land somit erspart bleiben, doch von der Landtagsopposition erfährt der grüne Minister dafür scharfen Tadel. Es sei ein einmaliger Vorgang, dass sich ein Minister hinter der Staatsanwaltschaft verstecke, sagte Wenzels Vorgänger im Ministeramt, FDP-Landeschef Stefan Birkner dem NDR:
"Das alles nach meiner Sicht aufgrund durchsichtiger Absichten, nämlich hier zum einen die Kernenergie weiter zu diskreditieren und zum anderen, seine Position zu missbrauchen, um hier seinem politischen Ziel, nämlich gegen die Kernenergie zu sein auch seinen politischen Anhängern einen Gefallen zu tun."
Die Protestieren seit Wochen - mit Traktoren und gesammelten Unterschriften: Für die endgültige Stilllegung des Atomkraftwerks, Baujahr, 1985, gebe es gute Gründe, sagt Peter Dickel. Der Sprecher der Initiative "Grohnde stilllegen" kritisiert vor allem die Informationspolitik des Betreibers, die jegliches Vertrauen untergraben habe:
"Wir hatten hier eine große Auseinandersetzung schon in 70er-Jahren, weil hier Reaktorstahl verbaut worden ist, der damals schon nicht zulässig war. Also es zieht sich wie ein roter Faden, die ganzen Sicherheitsfragen, durch die ganze Geschichte des Reaktors. Der Reaktor ist jahrelang Störfall-Spitzenreiter der AKWs in Deutschland gewesen. Die hohe Anzahl ist ein Anzeichen für die Systemanfälligkeit."
Von einem Pannenreaktor könne keine Rede sein, ließ Eon erklären. In 29 Betriebsjahren habe sich kein einziger meldepflichtiger Störfall ereignet. Die Kosten für die Modernisierungsarbeiten in den zwei Monaten des Stillstands beziffert das angeschlagene Unternehmen aus Düsseldorf auf 63 Millionen Euro.
Grohnde als Letzter vom Netz
Grohnde soll nach Plänen der Bundesregierung 2022 als letzter niedersächsischer Atomreaktor vom Netz gehen. Von einer generell schwierigen Phase spricht der Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz, Wolfram König weil die Atomkraftwerke an das Ende ihrer Laufzeit kommen.
"Es ist ein reales Risiko, dass Unternehmen, wenn sie unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten solche Hoch-Risiko-Anlagen betreiben würden, dann sicherlich auch in der Frage nicht Halt machen: Müssen wir noch den großen Aufwand betreiben in Personal, aber auch in Nachrüstung. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Sicherheitskultur fortschreiben und Aufrecht erhalten durch regelmäßige Überprüfungen."
Auf einer Konferenz im Herbst will die rot-grüne Landesregierung die Gefahren durch alternde Meiler und Komponenten zum Thema machen. Und dabei auch klären, ob die geltenden Vorschriften bei den Routinesicherheitsüberprüfungen der Anlagen noch ausreichend sind.