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Nordkorea-Konflikt
"Eine militärische Eskalation wäre dramatisch"

Die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn fordert im Nordkorea-Konflikt eine Rückkehr an den Verhandlungstisch. Es sei Sache der Großmächte, auf eine Entspannung der Lage hinzuwirken, sagte die stellvertretende Vorsitzende der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe im DLF. USA und China müssten zusammen mit Nord- und Südkorea eine Lösung finden.

Bärbel Höhn im Gespräch mit Stephanie Rohde |
    Die Kandidaten für den Spitzenplatz auf der Landesliste von Bündnis 90/Die Grünen, Bärbel Höhn, spricht am 07.12.2012 in Hagen (Nordrhein-Westfalen) auf dem Parteitag. Die Grünen in NRW sind zu einem Landesparteitag zusammengekommen, um die Landesliste für die Bundestagswahl 2013 zu bestimmen.
    Bärbel Höhn, Grünen-Politikerin und Die stellvertretende Vorsitzende der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe, Bärbel Höhn (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Stephanie Rohde: Im Konflikt um Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm wächst die Sorge vor einer Eskalation. Wie berechenbar oder wie unberechenbar sind Nordkorea und auch die USA in dieser Krise? Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Bärbel Höhn von Bündnis 90/Die Grünen, sie ist stellvertretende Vorsitzende der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe, mit der sie auch schon Nordkorea bereist hat. Guten Morgen, Frau Höhn!
    Bärbel Höhn: Guten Morgen, Frau Rohde!
    Rohde: Sie sind ja gerade zurückgekommen von einer Reise nach Taiwan. Wie besorgt ist man denn in der Region wegen Nordkorea?
    Höhn: Also die Region ist schon sehr besorgt, und insbesondere ist natürlich Südkorea, zu denen ich auch sehr gute Kontakte habe, oder auch Japan, aber auch natürlich China, besonders besorgt, weil die insbesondere besonders betroffen sind, auch von diesen Raketenversuchen, und vielleicht sind sie auch deshalb besorgt, weil sich die Lage einfach zuspitzt.
    Nordkorea ist zunehmend in der Lage, Raketen zu testen, die immer eine längere Reichweite haben, und auf der anderen Seite eben auch Atomraketen zu testen, und wenn sie das schaffen, eben auch Langstreckenraketen zum Beispiel mit Atomköpfen zu bestücken, dann wird es natürlich immer gefährlicher. In diese Entwicklung kommen wir zunehmend rein, und das ist das Problem.
    Rohde: Rhetorisch aufgerüstet wurde ja schon oft. Haben Sie jetzt das Gefühl, dass diese Eskalation doch ernstzunehmender ist als vielleicht in vergangenen Tagen?
    Höhn: Das eigentliche Problem ist, glaube ich, dass man auf der einen Seite wirklich in Nordkorea mit Kim Jong-un einen Machthaber hat, der zum einen sehr, sehr brutal ist, aber zum anderen für sich eigentlich nur eine Lösung sieht – mit militärischer Stärke eben zu versuchen, sein Land und seine Macht abzusichern, und auf der anderen Seite haben wir einen unerfahrenen Präsidenten in den USA, der eben auch erhebliche Drohungen ausstößt.
    Wenn man Drohungen ausstößt, muss man, wenn es ganz hart auf hart kommt, ist man manchmal gezwungen, diese Drohung dann auch zu verwirklichen. Eine militärische Eskalation wäre wirklich dramatisch in dieser Region, und die hätte Folgen, die kann kein Mensch wirklich richtig absehen.
    "Wir müssen zurück in Verhandlungen"
    Rohde: Die USA haben ja Flugzeuge in die Gewässer vor der koreanischen Halbinsel verlegt. Schüchtert das Nordkorea ein oder provoziert es es im Gegenteil eher mehr?
    Höhn: Also Nordkorea hat in den letzten Wochen ja gezeigt, dass sie gerade dieses Machtvakuum, was man momentan hat. In Südkorea ist die Präsidentin abgesetzt worden, sie ist jetzt sozusagen - sie muss ins Gefängnis erst mal zur Untersuchungshaft, die Wahlen laufen, die werden Anfang Mai stattfinden. Da gibt es also ein gewisses Machtvakuum, und in den USA eben auch mit dem neuen außenpolitisch unerfahrenen Präsidenten, und das hat Nordkorea sehr genutzt, um Raketentests zu machen, um seine Stärke zu zeigen und auch auszutesten, wie weit können sie gehen, und wie weit können sie eben auch Trump provozieren.
    Das ist momentan, glaube ich, das Schwierige auch an der jetzigen Situation, die wir erleben. Wir müssen einfach wieder zurück in Verhandlungen, was es ja früher auch mal gegeben hat.
    Rohde: Darüber will ich gleich noch sprechen, aber erst mal würde ich gerne auf die nordkoreanische Führung gucken und verstehen, wie Sie die einschätzen. Trauen Sie dem Land tatsächlich einen atomaren Erstschlag zu oder braucht das Regime mögliche Atomwaffen nur als Verteidigung für den Fall der Fälle?
    Höhn: Also das Regime versucht mit seinen Atomwaffen sich so zu rüsten, dass es eben weiter bestehen kann. Die haben aus anderen Ländern gelernt, die haben gesagt, der Irak besteht nicht mehr, Libyen besteht nicht mehr, die waren alle keine Atommächte, und wir zeigen jetzt, dass unser Weg einfach nur gehen kann mit Atomkraft. Das ist deren Strategie, die die festgelegt haben und die sie da auch weiter mit jeder Konsequenz verfolgen.
    Dieser Machthaber ist sehr brutal. Wir haben in den letzten Monaten erlebt, auch in den letzten Jahren erlebt, dass sehr viele nordkoreanische Diplomaten die Seite gewechselt haben. Es sind ja viele auch aus ihren Ämtern entfernt worden und umgebracht worden. Also von daher, glaube ich, gibt es momentan keinen, der jetzt wirklich den Machthaber dort absolut einschätzen kann, wie wird er genau reagieren. Aber er hat eben mit seiner Zielrichtung, ich zeige den anderen, wie stark ich bin und dass ich Atomwaffen habe und sie notfalls einsetze, hat er eine klare Richtung, und die verfolgt er sehr konsequent.
    "China hat kein wirklich gutes Verhältnis mehr zu Nordkorea"
    Rohde: Das scheint ja ein relativ rationales Modell zu sein, was er da verfolgt. Wer ist denn derzeit berechenbarer: die Führung in Pjöngjang oder die Führung in den USA?
    Höhn: Ich glaube, beide sind eben etwas schwierig. Ich glaube, dass gerade Trump nicht wirklich berechenbar ist. Sie haben das ja eben ausgeführt: Er hat durch seinen Raketenangriff in Syrien erst mal ordentlich Anerkennung bekommen, das hat er bisher ja so noch nicht erlebt. Direkt danach wurde die "Mutter der Bomben" in Afghanistan abgeworfen, die Flugzeugträger sind unterwegs.
    Also das heißt, wenn Trump so das Gefühl hat, ah, wenn ich militärisch eingreife, dann ist das auch sehr erfolgreich, kann das ja sehr wohl bei ihm, den wir ja momentan schon auch als – der hat ja eine Strategie, unberechenbar zu sein –, kann man sehr wohl befürchten, dass er da vielleicht auch in diesem Fall, das versucht, militärisch zu machen, aber China hat ja sehr deutlich – und auch Russland –, die haben ja sehr deutlich eben auch Warnungen ausgesprochen und gesagt, wir müssen hier deeskalieren. Also insofern ist die Frage, wer hat im Weißen Haus hier momentan das Sagen. Das, haben wir ja erlebt, ist nicht unbedingt immer klar, weil Trump ja auch alle paar Wochen teilweise seine Meinung ändert.
    Rohde: Sie haben gerade schon China erwähnt. China ist ja der größte Handelspartner von Nordkorea. Wie kann das Land denn mäßigend eingreifen?
    Höhn: Also der Einfluss auf China ist doch nicht mehr so stark, wie es in der Vergangenheit auch war. China hat kein wirklich gutes Verhältnis mehr zu Nordkorea. Auch bei unseren Besuchen in Nordkorea war sehr klar, dass Nordkorea versucht, eher einen unabhängigen Weg von China zu gehen, aber natürlich sind sie das nicht. Zum Glück werden wenigstens jetzt auch einige der Geldeinnahmen von Nordkorea gestoppt, indem China ja jetzt auch darauf geachtet hat, eben weniger Kohle zu importieren, aber Nordkorea hat zum Beispiel auch, Experten sagen, bis zu hunderttausend, ich würde mal sagen, Sklavenarbeiter, nordkoreanische Arbeiter, die in China, in Russland, aber auch in anderen Ländern arbeiten zu wirklich menschenunwürdigen Bedingungen, und dadurch hat natürlich Nordkorea auch Einnahmen, das alles finanzieren zu können. Also es ist sehr teuer, diese Raketen und diese Atomtests [Anmerkung der Red.: Gemeint ist vermutlich kosten]. Die sind ja extrem teuer - und ziehen natürlich auch der Wirtschaft in Nordkorea erhebliches Geld. Deshalb muss eben Nordkorea teilweise mit seinen Tests auch beweisen, es hat sich gelohnt, diese Entbehrungen der Bevölkerung.
    "Momentan sieht es eher nach Eskalation aus - und das beunruhigt"
    Rohde: Wenn man jetzt mal auf die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung schauen, was müsste man Nordkorea anbieten, um diesen Konflikt friedlich beizulegen?
    Höhn: Also bei unseren Gesprächen in Nordkorea hat Nordkorea natürlich immer darauf verwiesen, hat Südkorea auch immer diese Militärübung mit den USA zusammen veranstaltet. Es gibt ja das Abwehrsystem, was gerade aufgebaut wird in Südkorea. Also das heißt, eigentlich müsste sozusagen eine Abrüstung auf beiden Seiten stattfinden.
    Nordkorea muss sein Atomprogramm beenden, und Südkorea, da müsste auch der Einfluss der USA stärker zurückgehen, weil der entscheidende Punkt ist, China wird nicht zulassen, dass der Puffer, den sie jetzt noch in Nordkorea haben, dass der verschwindet und dass da also Südkorea sich ausbreiten würde zusammen mit den USA bis an die Grenze von China. Das ist eben die Seite, wo China immer noch Nordkorea unterstützt, weil sie Nordkorea als Puffer brauchen.
    Rohde: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hofft, im Konflikt mit Nordkorea auf ein gemeinsames Vorgehen der USA und Chinas. Reicht das, auf das Prinzip Hoffnung zu setzen in diesem Fall?
    Höhn: Also wenn da auf beiden Seiten sehr erfahrene und vielleicht verantwortliche Machthaber säßen, dann würde man sagen, okay, die provozieren jetzt auch ein Stück, und dann geht es an den Verhandlungstisch, und das hat es ja auch schon mal gegeben: USA, China, Russland, Japan, Nord- und Südkorea haben da ja auch viele Jahre verhandelt, und vielleicht ist auch so ein Zeitpunkt mal erreicht, also weil die wirtschaftliche Situation in Nordkorea ist ja jetzt auch nicht wirklich glänzend, sondern das ist ja ein sehr, sehr armes Land, und den Menschen geht es da, zumindest im ländlichen Raum, sehr, sehr schlecht.
    Also von daher ist vielleicht auch mal ein Zeitpunkt erreicht, wo vielleicht ein – in Anführungsstrichen – "vernünftiger" Machthaber da über eine Kehrtwende nachdenken würde. Also das wäre natürlich der beste Weg, wenn man wirklich in Verhandlungen kommt und eine Lösung findet, die sowohl für Nord- wie auch Südkorea ein Entwicklungspotential darstellt, aber momentan sieht es eben eher nach Eskalation aus, und das beunruhigt.
    "Wir würden uns überheben, wenn wir uns da aktiv mit einschalten"
    Rohde: Welche Forderungen würden Sie dann stellen an die EU, aber auch an die Bundesregierung?
    Höhn: Also zunächst sind wir da ein Stück raus, weil diejenigen, die besonders betroffen sind, sind halt USA und China mit Nord- und Südkorea und dann auch noch Russland und Japan. Was wir aber erlebt haben sowohl in Nordkorea wie auch in Südkorea, ist eher, dass die schon sehr nach Deutschland schauen, weil wir hier auch eine Wiedervereinigung und diesen drastischen Konflikt, den wir hier ja auch hatten – wir hatten ja auch hier den Kalten Krieg, wir hatten ja auch diverse Eskalationen, wir hatten Atombomben auf beiden Seiten der Grenze von Deutschland.
    Da hoffen sie immer so ein bisschen auf Erfahrung von Deutschland und der Vermittlung. Ich glaube, dass wir uns da überheben würden, wenn wir uns da wirklich aktiv mit einschalten, aber den einen oder anderen Rat kann man sich auf beiden Seiten geben. Das haben wir in den Gesprächen in Nord- und Südkorea auch gemacht, aber ansonsten ist es wirklich eher eine Sache der Großmächte, USA und China vor allen Dingen, auch mit Nord- und Südkorea eine Lösung zu finden.
    Rohde: Sagt die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben für das Interview!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.