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Norwegen
Wehrpflicht für Frauen

In Norwegen gilt seit Anfang des Jahres die Wehrpflicht für Frauen. Damit ist das skandinavische Land das einzige unter den NATO-Staaten. Das habe nichts mit den aktuellen Entwicklungen in Russland zu tun, sondern mit Gleichberechtigung. Der Frauenanteil bei den norwegischen Streitkräften soll von derzeit zehn auf 20 Prozent erhöht werden.

Von Bernd Musch-Borowska |
    Frauen gibt es schon lange bei den norwegischen Streitkräften, bei allen Waffengattungen, in fast allen Funktionen - als Freiwillige. Doch seit Anfang des Jahres gilt in Norwegen auch für Frauen eine Wehrpflicht. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass nun alle Frauen zum Dienst an der Waffe herangezogen werden. Vielmehr wird von nun an die Rekrutierungsbasis vergrößert.
    Wurden bisher die Wehrpflichtigen nur aus der männlichen Bevölkerung rekrutiert, könne nun unter allen jungen Leuten eines Jahrgangs ausgewählt werden, unter Männern und Frauen, sagt Norwegens Verteidigungsministerin Ine Eriksen Soereide:
    "Wir beabsichtigen nicht, die Zahl der Wehrpflichtigen zu erhöhen. Die Gesamtzahl bleibt gleich. Aber wir können künftig auch unter den Frauen die Besten rekrutieren. Bislang ziehen wir die am stärksten motivierten jungen Männer ein. Doch auch bei den Frauen sehen wir ein stärkeres Interesse am Wehrdienst."
    Verbesserung der Auswahlmöglichkeiten für die Streitkräfte
    Die Verbesserung der Auswahlmöglichkeiten für die Streitkräfte sei aber nur ein Grund gewesen, die Wehrpflicht für Frauen einzuführen, sagt der für die Rekrutierung zuständige Stabsoffizier Per-Thomas Boe. Es gehe dabei auch um Gleichberechtigung generell, denn das Militär sei in Norwegen einer der letzten Bereiche gewesen, in dem für Männer und Frauen nicht die gleichen Rechte und Pflichten galten.
    "Wir hier in Skandinavien waren schon seit langem Vorreiter bei der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft. Nur in diesem Bereich gab es bislang noch Unterschiede. Es war also höchste Zeit, dass wir das auch bei den Streitkräften beendet haben."
    Seit Anfang dieses Jahres gilt die Wehrpflicht für Frauen. Doch bis die ersten weiblichen Wehrpflichtigen eingezogen werden vergeht noch einige Zeit. Voraussichtlich im Sommer nächsten Jahres wird es soweit sein. Bis dahin ist das lange Rekrutierungs- und Auswahlverfahren abgeschlossen.
    Die ersten weiblichen Wehrpflichtigen Norwegens bereiten sich heute noch auf ihr Abitur vor. Und doch freuten sich die meisten der befragten jungen Oberstufenschülerinnen eines Gymnasiums in Oslo auf ihren Wehrdienst. So wie die 17-jährige Selma:
    "Ich finde das toll. Ich bin zwar keine Kämpferin, sozusagen, aber die Wehrpflicht für Frauen finde ich richtig. Das ist einfach Teil der Gleichberechtigung in Norwegen."
    Auch die ebenfalls 17-jährige Ezra will gerne ihren Wehrdienst leisten, wenn sie genommen wird.
    "Ich will auf jeden Fall zur Armee. Ich glaube, das ist ziemlich cool. Ich weiß zwar nicht genau, was da auf mich zukommt, aber ich hoffe, ich werde genommen."
    Die junge Frau ist Muslimin und trägt den für ihre Religionszugehörigkeit traditionellen Hijab, ein Kopftuch, das nur das Gesicht frei lässt. Zusammen mit männlichen Soldaten zu kämpfen, sei für sie dennoch kein Problem, sagt sie.
    "Solange ich in getrennten Räumen zusammen mit anderen Frauen untergebracht werde, ist das für mich in Ordnung."
    Oft teilen sich Frauen und Männer in den norwegischen Kasernen
    In den Kasernen in Norwegen werden Männer und Frauen, die in einer Einheit dienen, in den meisten Fällen gemeinsam im selben Zimmer untergebracht. Auf freiwilliger Basis, doch seit einigen Jahren hat sich diese Praxis bewährt und durchgesetzt. Die bisherigen Erfahrungen sind, so die Verteidigungsministerin, sehr gut:
    "Anfangs war ich sehr skeptisch, doch ich habe mit vielen Soldaten und Soldatinnen gesprochen und auch unsere Untersuchungen zeigen, dass es sehr gut funktioniert. Ein Effekt ist, dass sich die Frauen und Männer gegenseitig als Soldaten betrachten und nicht als Vertreter des anderen Geschlechts. Und das ist vorteilhaft für die Streitkräfte."
    Norwegen ist jetzt nicht nur der einzige NATO-Staat mit einer Wehrpflicht für Frauen. Überhaupt erfolgt die Ausweitung der Wehrpflicht in dem skandinavischen Land völlig gegen den Trend. Denn anderswo in Europa wurden die Streitkräfte in den vergangenen Jahren umgestellt, weg von der Wehrpflicht, hin zu einer professionellen Freiwilligen-Armee.