Archiv


Notschlepper für havarierte Schiffe

Heute morgen hatte die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste zu einer Pressekonferenz eingeladen. Es ging noch einmal um die Frage eines Notschleppers für die Deutsche Bucht. Grund sind nach wie vor die Folgen der Havarie der Pallas am 29.Oktober 1998. Damals war der Holzfrachter, der unter der Flagge der Bahamas fuhr, führerlos ins Wattenmeer gedriftet. Ein leistungsfähiger Schlepper, der das in Seenot geratene Schiff hätte bergen können, stand nicht zur Verfügung. Viele Tonnen Schweröl traten aus, und verursachten eine Umweltkatastrophe. 16000 Seevögel verendeten. Anschließend haben sich Experten intensiv mit der Katastrophe befaßt. Trotzdem sieht die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste noch immer Handlungsbedarf. Denn Schiffsunfälle sind fast an der Tagsordnung. Weltweit.

von: Annette Eversberg |
    Die Havarie des Frachters Jolly Rubino vor der Küste Südafrikas führt es noch einmal deutlich vor Augen. Das auf Grund gelaufene 30.000 Tonnen- Schiff freizuschleppen, ist ein enorme Aufgabe. Hans von Wecheln, Vorstandssprecher der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste zweifelt daran, dass es gelingt:

    Die Physik können Sie nicht außer Kraft setzen. Wenn ein großes Schiff mit 30.000 Tonnen auf eine Fläche drückt, braucht man ungefähr 10 Prozent dieses Wertes um ein Schiff geradeaus zu ziehen. Solche Schiffe gibt es nicht. Also kann man davon ausgehen, dass größere Schiffe eigentlich gar nicht wegzuziehen sind.

    Schon gar nicht, wenn es sich um einen weichen Untergrund handelt, wie es ihn im Wattenmeer gibt. Was dort einmal ist, bleibt dort. Das Beispiel der Pallas hat es gezeigt, die vor fast vier Jahren vor der Insel Amrum strandete. Das Wrack liegt noch immer dort. Deshalb hat sich die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste gemeinsam mit allen Inseln und Halligen mit dem vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebenen Gutachten unter der Bezeichnung Teilprojekt 1- Notschleppen beschäftigt. In diesem Gutachten hatten sich Experten noch einmal mit dem Abschlußbericht der Pallas-Untersuchungskommission unter Leitung von Claus Grobecker auseinandergesetzt. Grundsätzlich ist die Bundesregierung bereit, einen Notfallschlepper mit hoher Kapazität für die Deutsche Bucht bauen zu lassen. Dennoch sieht die Umweltorganisation Probleme, weil die Schlußfolgerungen des Bundes aus dem Gutachten nicht den tatsächlichen Anforderungen entsprechen, die Hans von Wecheln wie folgt definiert:

    Dieses Schiff muss so schleppen können, dass es von Anfang an sehr schnell den Havaristen erreicht. Wir sind uns völlig einig mit dem Bund, dass dies auch innerhalb von zwei Stunden erreichbar sein muß. Er muß fähige Besatzungen haben, die in der Lage sind, fast jede Aufgabe zu lösen. Sehr wichtig ist lokale Kenntnisse der deutschen Bucht, um die Wattengebiete herum. Und diese Besatzungen und dieses Schiff müssen dann ein Konzept fahren, Schleppen und Bergen sind eine Einheit.

    Das war eines der wichtigsten Erkenntnisse aus der Pallas-Havarie. Der Schlepper muß das Schiff nicht nur aus der Gefahrenzone ziehen können, damit es gar nicht erst ins Wattenmeer abgedriftet wird. Es muß aber auch stark genug sein, den Havaristen in einen sicheren Hafen zu bringen. Das Bundesverkehrsministerium will den Tiefgang des Schiffes begrenzen. Das würde bedeuten, dass der Schlepper eine um 10 Prozent geringere Leistungsfähigkeit als die Oceanic hätte, die gegenwärtig große Schleppaufträge in der Deutschen Bucht übernimmt. Nicht berücksichtigt werden, so Hans von Wecheln, auch die besonderen Strömungsverhältnisse der Nordsee.

    Die Nordsee unterscheidet sich vom Atlantik dadurch, dass sie nicht wie der Atlantik eine hohe lange Welle, sondern eine kurze steile Welle, und eine Besonderheit, die es nirgendwo gibt, das sind Grundseen. Grundseen sind nicht vorhersehbar, sind nicht berechenbar, aber sie können tödlich sein.

    Bei der Pallas-Havarie hatte sich zudem gezeigt, dass die beiden Mehrzweckschiffe des Bundes, die Mellum und die Neuwerk nicht in der Lage waren, bei höheren Windstärken die Schleppverbindung zu großen Schiffen zu halten. Ihre Möglichkeiten sind begrenzt. Denn abgesehen vom konkreten Fall der Pallas muß, so die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste, vor allem für die Zukunft gedacht werden. Hans von Wecheln:

    Im Schiffsverkehr werden wir ständig eine Veränderung haben. Wir beobachten, dass insbesondere in der Ostsee der Tankerverkehr zunimmt. Wir wissen, dass Fährverkehre zunehmen. Neue Containerschiffe werden entwickelt, konzipiert, und wir machen drauf aufmerksam, dass diese Schiffe keine Doppelhülle haben im Gegensatz zu den neuen Tankern, die natürlich alle Doppelhülle haben müssen. Wir wissen, dass es Planungen gibt für einen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven zu bauen. Es sind Gespräche der Elbevertiefung im Gange, und wir haben eine Offshoreplanung zumindest im Gange in gigantischen Dimensionen. Diese Punkte sind alle in dem Abschlußbericht der Teilprojektgruppe 1 überhaupt nicht erwähnt. Und hier muß erneut in die richtige Richtung nachgedacht werden.