Kate Maleike: Das sind also die Pläne für Nordrhein-Westfalen, die bei den Koalitionsverhandlungen zwischen FDP und CDU spruchreif geworden sind: 1.500 Euro pro Semester für die ausländischen Studierenden, die hier in Deutschland sind. Beim BAS, dem Bundesverband ausländischer Studierender, hört man das mit ziemlicher Sorge und auch mit großem Unverständnis. Der Verband setzt sich an circa 180 Hochschulen in Deutschland für die Belange der Studierenden ein, die aus dem Ausland kommen, und das sind, das zeigen die neusten Statistiken, in den letzten Jahren deutlich mehr geworden: Rund 340.000 sind es zurzeit. Younouss Wadjinny ist Sprecher beim Bundesverband ausländischer Studierender. Er promoviert gerade an der TU Braunschweig in Mathematik. Guten Tag, Herr Wadjinny!
Younouss Wadjinny: Guten Tag!
Maleike: Haben Sie erwartet, dass in Nordrhein-Westfalen diese Entscheidung kommt?
Wadjinny: Ehrlich gesagt, ja. Wir haben dieses Thema schon in Baden-Württemberg begleitet letztes Jahr, und wir hatten die Ängste, dass andere Bundesländer dann das Gleiche übernehmen. Und als die Nachricht kam, hat das unsere Ängste sozusagen bestätigt.
Maleike: Für Sie ist das ein falsches Signal, das Signal nämlich, dass man Sie hier in Deutschland nicht will.
"Andere soziale Schichten kommen dann nach Deutschland"
Wadjinny: Genau. Das ist ein total falsches Signal in einer Zeit, wo man über Integration spricht, wo man über internationale Zusammenarbeit oder wirtschaftlich gesehen den Wettbewerb für das Humankapital, international gesehen sozusagen … das ist ein richtig falsches Signal. Das kann man nicht verstehen. Auf jeden Fall nicht sozial, also gemeint ist die Integrationsfrage, oder wirtschaftlich, Stichwort der Mangel der Fachkräfte. Wie Sie schon gesagt hatten, das sind über 300.000 internationale Studierende, das ist eine riesige Masse von Humankapital, das ist eine Sammlung von Menschen, die größer ist als die Stadt von Braunschweig beispielsweise, von jungen motivierten Menschen aus allen Richtungen der Welt, die man gerne integrieren wollte für die Wirtschaft und für die Gesellschaft. Und wenn man so ein Signal bekommt, dann könnte es schwierig werden, um die Zahl zu halten, weil es ist eine Frage des Marketing, und andere Fragen kommen natürlich auch dazu.
Maleike: Also Sie gehen davon aus, dass die Zahl kleiner wird, dass Deutschland nicht mehr so attraktiv wird für ausländische Studierende?
Wadjinny: Ja, auf jeden Fall, ganz sicher, weil ein großer Teil der international Studierenden kommen von der sogenannten Dritten Welt, und Deutschland war ein beliebtes Ziel wegen dieser Tatsache, dass man hier nicht Studiengebühren bezahlen muss. Und wenn man das ausgleichen will, dann bräuchte man eine Marketingstrategie, um diesen Standort Deutschland attraktiver zu halten. Die Wirkung wäre dann, dass andere soziale Schichten in Deutschland kommen, sprich, dass die Menschen mit schwachem sozialem Hintergrund nicht mehr nach Deutschland kommen. Und das hat wiederum eine Wirkung über die Wirtschaft in Deutschland, weil ihre Firma zu Hause beziehungsweise ihr Unternehmen auf diese Leute wartet. Und sie werden hier nicht bleiben, und dadurch wird Deutschland wirtschaftlich auch das spüren.
Maleike: Sie denken also, dann werden nur noch die kommen, die sich das leisten können, sprich, es kommen nur noch die Reichen, und die wollen eh nicht in Deutschland bleiben, können also bei, sag ich mal, der Behebung des Fachkräftemangels nicht helfen.
Die Politiker "haben wahrscheinlich nicht wahrgenommen, was sie gerade tun"
Wadjinny: Genau, richtig. Und in der Hinsicht, der Bundesverband ausländischer Studierender plant gerade eine Kampagne, die wird nächste Woche starten mit einer Postkartenaktion, wo wir einige Fachkräfte getroffen haben und ein Porträt von denen gemacht haben, wo eine klare Aussage steht: Wenn damals die Politikerinnen und Politiker entschieden haben, dass wir an Universitäten bezahlen müssen, wären wir nicht nach Deutschland gekommen. Das sind Ärzte, Ingenieure, Techniker, Informatiker und von allen Bereichen der Wirtschaft. Das wundert uns auf jeden Fall, dass die Politikerinnen und Politiker nicht die Fachleute aus dem Bereich Wirtschaft und anderen Bereichen sozusagen beraten intensiv, was das bedeutet eigentlich, dieser Schritt.
Maleike: Das heißt, Sie sagen dann auch, es ist einfach zu schnell jetzt geguckt worden, man muss Geld haben, man will Gebühren haben, aber man hat nicht fachlich sich zum Beispiel mit Studien beschäftigt, die gezeigt haben, welches Potenzial in den ausländischen Studierenden nach dem Studium dann steckt?
Wadjinny: Genau, das kann ich nur bestätigen. Wenn ich höre, was die Politikerinnen und Politiker in dem Bereich gesagt haben – in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen –, habe ich das Gefühl, die Leute haben sich mit dem Thema nicht intensiv beschäftigt, und sie haben gesagt, okay, es fehlt uns so viel Geld für bessere Lehrbedingungen in Hochschulen. Das ist kurzsichtig, was sie sagen. Sie haben wahrscheinlich nicht wahrgenommen, was sie gerade tun und was das bedeutet langfristig, was für einen Verlust Deutschland langfristig hat durch dieses gesamte Paket, das man nur durch Fachleute und Analyse sozusagen zu sehen ist und nicht einfach mit einer schnellen Reaktion: Wir brauchen Geld, also wir nehmen die schwachen Personen an die Kette, die international Studierenden.
Maleike: Unabhängig mal natürlich von dem kulturellen Verlust, den man dann auch noch hat. Herr Wadjinny, Sie kommen selber aus Marokko, und Sie haben sich Deutschland auch ausgesucht, weil es hier keine Studiengebühren gab. Richtig?
Deutsche Hochschulen haben viele Vorteile
Wadjinny: Richtig! Richtig! Damals habe ich in Fes an der Universität studiert, in Norden Marokkos, und dann kamen so Kampagnen, vom DAAD unterstützt, die einem zeigen, warum man in Deutschland studieren sollte. Und ich war dann begeistert, sagte okay, Deutschland ist ein guter Ort, wo man studieren (kann). Dazu für jemanden wie mich, der von einer Familie, die nicht Studiengebühren bezahlen kann, finanzieren kann, möglich war, dass ich überhaupt überlegt habe, ob ich im Ausland studieren kann. Und Marokko, wenn die Leute reich sind, Mittel haben, dann gehen sie in Länder, die frankophonisch sind damit sie nicht eine neue Sprache lernen (müssen). Oder die Leute … die Wissenschaftssprache Englisch ist ja verbreitet, auch in Marokko mittlerweile. Aber eine neue Sprache, zum Beispiel Deutsch, zu lernen, braucht entweder eine riesige Motivation, also kultureller oder persönlicher Natur, oder diese Lockmittel, die man zeigt dadurch … deutsche Hochschulen haben viele Vorteile, also die Qualität ist gut, und dazu bezahlt man keine Studiengebühren. Das war einer der wichtigsten Punkte, warum ich entschieden habe, in Deutschland zu studieren. Und die anderen müssen von Deutschland in diesem Punkt lernen und wir nicht von denen. Also es gibt sicher keine Diskriminierung und die Studierenden werden behandelt als Studierende, unabhängig davon, wo sie herkommen, hinsichtlich der Studiengebühren, und das ist ein gutes Signal, motiviert viele Leute, vor allem die mit sozialer Schwäche. Und die Tatsache, dass die deutsche Sprache nicht so verbreitet ist in der Welt. Und das vergisst man, diese Tatsache.
Maleike: Younouss Wadjinny, Sprecher des Bundesverbandes ausländischer Studierender, BAS, war das zu den Entscheidungen, die jetzt in Nordrhein-Westfalen gefällt worden sind, dort auch Studiengebühren einzuführen für ausländische Studierende. 1.500 Euro sollen es werden zum Semester. Herzlichen Dank, Herr Wadjinny!
Wadjinny: Vielen Dank!
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