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Oberammergau
Auf den Spuren des Märchenkönigs

Er ist der größte Volksskilanglauf Deutschlands: der König-Ludwig-Lauf, der rund um Oberammergau führt. Früher waren die Wege nur dem Märchenkönig selbst vorbehalten, heute kommen 2.200 begeisterte Langläufer und nehmen die bis zu 50 Kilometer langen Strecken auf sich.

Von Sibylle Kölmel |
    Teilnehmer des König-Ludwig-Laufes im Ammergauertal bei Garmisch-Partenkirchen vor Bergkulisse
    Der vor 50 Jahren gegründete König-Ludwig-Lauf ist bei Langläufern beliebt (dpa / Peter Lehner)
    So klingt es, wenn der Startschuss zum König-Ludwig-Lauf abgegeben wird – und die Berge das Echo zurückschicken. Denn: Der Lauf beginnt zwischen Ettal und Oberammergau, auf dem – jetzt schneebedeckten – Fußballfeld des Benediktinergymnasiums Ettal an der Abzweigung zu Schloss Linderhof, dem Schloss, das, wenn auch sein kleinstes, dem Märchenkönig das liebste war. Ich stapfe mit Arno Machnitzke, er ist Lauf-Mitorganisator, durch den Schnee, Richtung Startfeld-Areal:
    "Wenn man hier so draufschaut, wird man dann erkennen können, wenn das ganze Startfeld präpariert ist, dass wir am Samstag über die gesamte Breite eben für Freistil-Technik präpariert haben und am Sonntag für die klassische Technik wir im Vorfeld hier die ganzen Spuren sehen werden. Wir haben dann das Startfeld so präpariert, dass in den Reihen jeweils so 25 bis 30 Leute nebeneinander starten können, es können auch schon mal 35 sein."
    Über die "verbotenen Wege"
    Die Strecke führt am Kloster Ettal vorbei, macht eine Schleife, geht in den Wald, über Graswang. Abhängig von den Schneeverhältnissen, entscheiden die Veranstalter kurzfristig, ob es von dort weitergeht ins Graswang-Tal zum Schloss Linderhof über die sogenannten "verbotenen Wege", die nur der König und seine Entourage befahren durfte, oder ob die erste, kleinere Runde ein zweites Mal gelaufen werden muss. Denn: Die Gegend hier, das Graswang-Tal, das Ettaler Weidmoos zwischen Oberammergau und Ettal, ist streng geschütztes Gebiet:
    "Da steht erstmal der Naturschutz vor allem, und wir organisieren und präparieren das Ganze nach den Vorgaben durch den Naturschutz und da dürfen wir auch keinen Maschinenschnee, man sagt auch Kunstschnee dazu, verwenden in diesem Bereich und da halten wir uns natürlich auch strikt daran, denn wir wollen unsere Natur natürlich auch selber bewahren."
    Beschilderung für den König Ludwig Lauf
    Erst kurzfristig wird festgelegt, ob alle Wege mit Skiern befahrbar sind (Sibylle Kölmel)
    Angefangen hat alles in einem Wirtshaus in Oberammergau, dem Gasthof "Zur Rose". Man saß zusammen, der Wirt war Vorstand im Skiclub, die Idee zu einem Volkslauf, der seine Wurzeln in der Gegend hier hat, entstand. Am 17. März 1968 dann fand der erste Lauf statt. Es gab eine 45 Kilometer und eine 90 Kilometer Strecke – diese, die lange Strecke, war Frauen übrigens bis 1980 verboten.
    Junger Mann mit dicken Eiszapfen im Bart
    Herrmann Biermeier, ein Vierteljahrhundert lang König-Ludwig-Lauf-Loipenchef und heute 84 Jahre alt, sitzt in seinem Wohnzimmer an einem Tisch, vor ihm ein Fotoalbum. Gleich auf der ersten Seite: Ein Bild von ihm, als junger Mann, in Skikleidung, mit dicken Eiszapfen im Bart: "Die 90 Kilometer bin ich viermal gelaufen." 90 Kilometer. Unvorstellbar. "Ja, das vergisst man auch wieder, das ... man war ja auch trainiert ... aber am Anfang ... das war schon anstrengend, das hat man sich überhaupt nicht vorstellen können, dass das ein Mensch laufen kann."
    Und das sogar 20 Mal hintereinander. Das hat Hans Gerum, Oberammergauer, gemacht, nicht einmal setzte er aus. "Und wenn man da draußen ... Unser Hausberg, der Kofel, der war so klein und da hat man gewusst, jetzt muss ich wieder da rein. Und wenn man das weiß, was früher für ein Material war, da hat man mit den Ski laufen müssen und heute sag ich immer laufen die Ski."
    Erinnerungen zum Thema Verpflegung damals: "Ganz interessant war auch noch, früher ... Ich weiß noch ... Ja, was ißt man denn, wenn man 90 Kilometer läuft, weil man da ja fünf, sechs Stunden unterwegs ist, heute ist das alles kein Problem, Elektrolyt-Getränke, Gels und alles, was es da so gibt. Damals, ich kann mich noch gut erinnern, hab ich zu meinem Vater gesagt, er muss mir in Graswang was zu essen geben. Und naiv wie man damals war und unerfahren auch, es hat ja nicht so speizielle Sportlerriegel gegeben, hab ich gesagt, er soll mir ein Brot mit einem Schnitzel geben ... Dann hab ich da zweimal reingebissen und festgestellt, das geht ja überhaupt nicht."
    Mit weißen Kniestrümpfen und schwarzer Hose
    Über die Jahre ist der Lauf gewachsen und hat inzwischen ein eigenes Vereinshaus mit mehreren Räumen, untergebracht in einer ehemaligen Gärtnerei, am Rande Oberammergaus. Es ist, hauptsächlich, das Reich von Hans Reicherl, seit 41 Jahren ist der große, 83jährige Mann noch immer fast täglich hier.
    "Das sind unzählige Wimpel und Abzeichen rund um den Erdball. Wir haben angefangen in Österreich, Italien, hier zum Beispiel Sapporo, das ist der Japan-Skimarathon, USA, das ist die Schweiz hier."
    Nostalgische Läuferfigur
    90 Kilometer durch die Ammergauer Alpen: In den Anfangsjahren war die Teilnahme für Frauen verboten (Deutschlandradio / Sibylle Kölmel)
    Urkunden von prominenten Läufer, Kostbarkeiten, alte Fotografien: "Das ist hier der erste Start, der allerallererste, 1968, da hat's noch keine Absperrungen gegeben und nix, die Leute sind alle mit weißen Kniestrümpfen und einer schwarzen Hose, das war eine Einheit ..."
    Hans Reicherl und seine Leute konnten zwar weder Berge noch Mauern versetzen, ein bisschen überwunden, wenn auch mit harten Bandagen, haben sie sie aber doch: "Mit der DDR war es ja so, dass sie ... Sie sind ja nicht rübergekommen. Da hat man sich eine Geburt oder einen Todesfall oder einen Verkehrsunfall und alles hat man da ... Dass ein paar Leute ... Die kommen teilweise heute noch. Hernach hat man darüber gelacht, aber es war eine ganz bittere Sache."
    Freiwillige für die Strecke, Experten für die Loipe
    Um die 300 Helfer machen mit, damit der Lauf stattfinden kann. In diesem Jahr werden bis zu 2.200 Teilnehmer erwartet. Es braucht Freiwillige, die an den Verpflegungsständen und Streckenposten stehen, Startnummern ausgeben, die Einlasser sind am Startbereich – und es braucht Experten für die Loipe. Loipenchef ist Sepp Hutter. Er ist dafür verantwortlich, dass die Strecke in einem einwandfreien Zustand ist.
    "Dass die Abfahrten alle abgesichert sind, wir sind praktisch zu zweit, der Raupenfahrer, das ist der Pongratz Sepp, der sagt mir jetzt zum Beispiel da musste noch was machen da musste noch was machen – und ich bin halt zuständig für die ganzen Absperrungen."
    Am Tag vor dem Lauf-Wochenende wird die Strecke abgenommen, durch Technische Delegierte aus Österreich und Deutschland. "Bei dem ist eigentlich nie alles in Ordnung. Der findet immer was. Aber es ist harmlos."
    Zittern um Schnee
    Alle Jahre wieder zittern sie in Oberammergau, ob genug Schnee liegt am ersten Februar-Wochenende. Fünfmal musste das Rennen bisher abgesagt werden.
    "Also, wir fiebern wahnsinnig mit, täglich wird bei uns morgens geguckt wie schaut der Schneebericht aus, in den Telefongesprächen mit den Loipenfahrern wenn da jetzt einer sagt der eine Streckenabschnitt führt direkt durchs Moosgebiet durch ist jetzt momentan nicht kalt genug und ist von unten genügend Wasser drinnen, dann überlegen wir natürlich schon, was können wir machen, wie können wir helfen. Wir hatten schon Jahre wo unsere männlichen Kollegen dann alle abgezogen wurden per Order des Chefs, der gesagt hat, bitte geht jetzt raus, helft mit Schneeschippen. Also, was wir da machen können, möchten wir auch machen und uns da einbringen", sagt Nicole Richter, aus der Geschäftsführung des Tourismusverbandes Ammergauer Alpen: "Diese gewachsene Veranstaltung passt natürlich auch traditionell bei uns gut rein passt zu dem Thema Naturpark passt zu der ganzen nachhaltigen Ausrichtung unserer ganzen Region und ist auch ne fabelhafte Veranstaltung von der Atmosphäre her."
    Bleibt noch die Frage, was der Märchenkönig zu dem Lauf durch die von ihm geliebte Gegend gesagt hätte. Dass er zumindest nachts gerne mit Fackeln dem Schlitten durch den Schnee gefahren, ist bildlich festgehalten.