Sie habe die Version des Klimaschutzplanes vorliegen, gegen die Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sein Veto eingelegt habe, erklärte Höhn ihre Einschätzung. Bereits das "eigentliche Problem" dieses Papiers sei gewesen, dass seine Ziele "gar nicht verbindlich sind". So fehlten Zielvorgaben für einzelne Sektoren, auch sei die Frage einer Kohlekommission nicht ausreichend geklärt.
Die nun vorliegende Version habe sie zwar noch nicht gelesen, dennoch erwarte sie, so Höhn, dass diese schlechter sein wird: "Gabriel wird nicht gesagt haben: Oh, tut mir leid, dass ich ein Veto eingelegt habe, jetzt machen wir was noch Ehrgeizigeres."
Die ursprünglichen Pläne von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) lobte die Grünenpolitikerin als "sehr ordentlich" und "konkret". "Darauf hätte man aufbauen können."
Das Interview in voller Länge:
Christine Heuer: Guten Tag, Frau Höhn!
Bärbel Höhn: Guten Tag, Frau Heuer!
Heuer: Also, wenn es stimmt, dass eine Einigung erzielt ist, was die Agenturen jetzt gerade melden, würden Sie dann sagen, damit ist die Kuh vom Eis, alles ist wieder gut?
Höhn: Nein, die Kuh ist keineswegs vom Eis, denn wir haben ja den Klimaschutzplan vorliegen, der eben zu dem Widerspruch von Gabriel geführt hat. Und das, was jetzt die Einigung ist, kann nicht besser sein als das, was uns da vorgelegen hat vor ein paar Tagen. Und das eigentliche Problem bei diesem Klimaschutzplan ist eben, dass er gar nicht verbindlich ist. Da stehen also die wenigen Ziele … Sie haben ja eben zu Recht gesagt, dass praktisch alle Ziele rausgestrichen worden sind außer so Sektorenziele, und die wenigen wirklich konkreten Ziele zum Beispiel bei Erneuerbaren, die sind viel ehrgeiziger im Klimaschutzplan als in dem Gesetz, dem EEG-Gesetz, was gerade verabschiedet worden ist. Das heißt, die Gesetze haben eine ganz andere Sprache als dieser Klimaschutzplan, der unverbindlich ist. Und das bedeutet einfach, dass am Ende auch solche Ziele dann nicht erreicht werden können, wenn man am Ende sehr unverbindlich bleibt.
Heuer: Frau Höhn, wir kennen aber die Details der Einigung ja noch gar nicht. Können Sie … Sie klingen so, als könnten Sie sich trotzdem vorstellen, was da drinsteht, aufgrund Ihrer langjährigen Erfahrung auch als Umweltpolitikerin in Nordrhein-Westfalen und in Berlin. Sind das die Inhalte, wie Sie das gerade skizziert haben, unverbindliche Absichtserklärungen, davon gehen Sie aus? Oder steht da vielleicht doch auch was Konkretes drin im Plan?
"Dieser Klimaschutzplan ist nicht besser"
Höhn: Na, ich habe ja die Version des Klimaschutzplanes vor dem letzten Veto von Minister Gabriel. Das heißt, dieser Klimaschutzplan, auf den man sich jetzt geeinigt hat politisch, ist nicht besser als der, den ich noch in der Hand habe.
Heuer: Also ist er schlechter?
Höhn: Ja, muss ja, weil, Gabriel wird ja nicht gesagt haben, oh, tut mir leid, ich habe zwar Veto eingelegt, aber jetzt habe ich es mir anders überlegt, jetzt machen wir sogar noch was viel Ehrgeizigeres, ja? Sondern …
Heuer: So, wie Sie den Plan beschrieben haben, kann der ja fast gar nicht mehr schlechter geworden sein!
Höhn: Ja, es ging ja im Prinzip nur noch am Ende um den Punkt: Bleiben Zielvorgaben für die einzelnen Sektoren? Also für die Landwirtschaft, wie viel muss die reduzieren, für den Verkehr, für die Industrie bis 2030, wie viel müssen die reduzieren? Bleiben die drin? Und das ist so irgendwie eigentlich das Mindeste, was drin sein muss. Und dann ging es noch um eine Kommission zum Kohleausstieg, ob die jetzt eingerichtet wird oder nicht. Früher hieß es sogar mal, wann sie Ergebnisse vorlegen soll, damit man endlich jetzt mal auch diesen Kohleausstieg konkretisieren kann. Also, da war auch noch die Frage, soll es die Kommission überhaupt geben, ja? Also, insofern, das waren die Punkte, die am Ende noch streitig waren.
Heuer: Was muss denn aus Ihrer Sicht drin stehen in dem Klimaschutzplan, dass Sie sagen, das ist eine gute Grundlage, auf der wir weiterarbeiten können und Paris umsetzen?
"Je länger wir warten, desto schwerer wird es, die Ziele zu erreichen"
Höhn: Also, das, was die Ministerin Hendricks im April vorgelegt hat – Sie haben da ja ein paar Punkte auch erwähnt –, das war schon ein sehr ordentlicher und auch ein konkreter Plan, auf den hätte man gut aufbauen können. Das heißt, es muss was Verbindliches drinstehen. Denn die Aufgabe, die wir haben, ist, dass wir in praktisch 35 Jahren, also bis zum Jahre 2050, eine Wirtschaft, die … unsere Wirtschaft so verändern müssen, dass wir bei der Stromproduktion, im Verkehr, im Wärmebereich, in der Industrie, in der Landwirtschaft praktisch CO2-neutral arbeiten. In der Landwirtschaft wird es eben noch ein bisschen Methan geben von den Kühen, das wird man nicht abstellen können, auch im Stahlbereich wird es noch ein bisschen CO2-Ausstoß geben, und der Rest muss CO2-frei sein. So, und das ist eine Mammutaufgabe. Je länger wir warten, je weniger konkret wir sind, dann verschieben wir das in die Zukunft, desto schwerer wird es dann am Ende, diese Ziele zu erreichen. Und deshalb wäre es wichtig gewesen, konkrete Ziele und Maßnahmen zu vereinbaren, und da ist ja praktisch alles rausgestrichen worden.
Heuer: Andererseits, Frau Höhn, wenn man den Plan sich angeguckt hat, also, so was wie die Halbierung des Fleischkonsums als Ziel in einen Klimaschutzplan reinzuschreiben, ist das nicht auch ein bisschen weltfremd?
Höhn: Ich glaube, dass wir uns einfach mit solchen Fragen beschäftigen können. Ich will das jetzt man nicht unbedingt beim Fleisch machen, aber sagen wir …
Heuer: Das ist doch ein gutes Beispiel, wo natürlich auch Kritiker einhaken können.
Fleisch: "Das muss man jetzt sofort reduzieren"
Höhn: Ja, dann machen wir es gerade mal beim Fleisch, ist auch kein Problem. Also, beim Fleisch ist es so, dass wir in Deutschland viel mehr Fleisch produzieren, als wir hier verbrauchen. Beim Schweinefleisch und auch beim Geflügelfleisch. So, und das muss man mindestens jetzt sofort reduzieren. Denn wir haben ja auch noch andere Auswirkungen, nicht nur die Klimaauswirkungen, sondern auch Nitratauswirkungen. Wir werden gerade verklagt vom Europäischen Gerichtshof. Also, das heißt, diese Massentierhaltung ist in vielen Punkten ein Problem, da muss man runter von der Fleischproduktion. Und das, was übrig geblieben ist …
Heuer: Aber die Frage ist doch, ob man so etwas vorschreiben kann, das ist doch die Frage. Dass es sinnvoll ist, darüber werden sicher viele Menschen mit sich reden lassen, aber kann man so was als verbindliches Ziel in einen Klimaschutzplan schreiben?
"Man hat das Problem verschoben"
Höhn: Ich glaube, wenn wir da nicht verbindlicher werden, dann werden wir das einfach vor uns herschieben. Am Ende ist ja nicht die Halbierung des Fleischkonsums übrig geblieben, sondern am Ende ist übrig geblieben, dass man ein paar Studien machen wird. Also, man hat das Problem verschoben. Also, das heißt, am Ende wird es wahrscheinlich auch dazu kommen, dass wir weniger Fleisch essen, ja? Ich denke mal, die jungen Leute machen das jetzt schon. Wenn ich mir das angucke, wie viele da schon Vegetarier sind, dann ist das eher ein Problem der älteren Männer, dass wir einen so hohen Fleischkonsum haben. Aber wir müssen darüber einfach diskutieren. Und wenn wir bestimmte Zielvorgaben nicht machen, wird darüber nicht entsprechend diskutiert. Zum Beispiel die Diskussion, die jetzt eingeleitet worden ist, ab 2030 neue Autos nicht mehr mit fossilen Brennstoffen, ja? Die hat dazu geführt, dass wir uns mal klargemacht haben: 2050 muss der Verkehr so sein, dass da kein CO2 mehr rauskommt. Und das heißt, wenn wir von einer Lebenserwartung von Autos von 15 bis 20 Jahren ausgehen im Durchschnitt, dann müssen wir 2030 bei den neuen Autos so anfangen. Und dasselbe müssen wir auch diskutieren bei den Heizungen. Jetzt werden momentan ganz viele Ölheizungen gebaut. Heizungen sind in der Regel 30, 40 Jahre laufen die, dann haben wir 2050 hinter uns. Das heißt, wir müssen jetzt schon sehr deutlich und sehr klar formulieren, wo wir hinwollen. Und wenn wir das nicht machen und nicht verbindlich machen, da geht es uns genauso wie jetzt mit dem Ziel 2020 – 40 Prozent CO2-Reduktion –, das wird ja krachend verfehlt, das wird ja gar nicht mehr eingehalten, weil man es nicht verbindlich gemacht hat.
Heuer: Frau Höhn, ja, und wer nun da am deutlichsten reingrätscht, das ist nun ausgerechnet Sigmar Gabriel, der war selber mal Bundesumweltminister, er ist der Parteichef der Ministerin Barbara Hendricks, die er damit düpiert. Wer ist da unterwegs? Ein Wahlkämpfer Sigmar Gabriel?
Höhn: Ja, das sehe ich genau so. Der sieht halt, dass wir im Mai nächsten Jahres die Wahl in Nordrhein-Westfalen haben. Er hat ja, wenn sie allein die Diskussion sehen, die wir letzt noch geführt haben, wie gehen wir mit Kohlekraftwerken um, da sollte es eine Abgabe geben, am Ende nach den Demonstrationen der IG BCE, und nachdem der CDU-Oppositionsführer Laschet sich auch auf die Seite der Braunkohlenarbeiter gestellt hat, wurde es dann eine Subventionierung von der Kohle, von Kohlekraftwerken. Also, aus einer Abgabe wurde eine Subventionierung. Und das ist natürlich eine politische Entscheidung, die klar gegen den Klimaschutz geht und sehr kurzfristig jetzt gedacht ist zur NRW-Wahl.
Heuer: Bärbel Höhn, die grüne Umweltpolitikerin, Vorsitzende auch im Umweltausschuss des Deutschen Bundestags war das. Frau Höhn, vielen Dank für das Gespräch!
Höhn: Bitte.
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