Das Echo auf die Reformen des Internationalen Olympischen Komitees ist zwiespältig. Der Ökonom Professor Wolfgang Maennig erarbeitet Gutachten für Bewerberstädte. Er ist angetan von den Veränderungen:
"Man kann doch erst einmal sagen, dass das IOC einen großen Sprung gewagt hat und den Forderungen doch recht weit entgegenkommen ist."
Der Politikwissenschaftler Professor Jules Boycoff beschäftigt sich mit Olympia, er sieht die Reformen kritischer:
"Ein großer Teil der Reformen wirkt wie ein Businessplan, der eher die Markenbildung vorantreiben soll und nicht die Entwicklung der Spiele. Ich denke, sie stellen die richtigen Fragen zur Nachhaltigkeit und Transparenz, aber derzeit sind die Antworten nicht befriedigend."
Bis Dezember müssten die Stichpunkte klarer definiert werden. Das IOC spreche zum Beispiel von mehr Nachhaltigkeit, lasse aber offen, ob wirtschaftliche, ökologische oder soziale Nachhaltigkeit gemeint seien. Andere Vorhaben der Reformagenda bewertet Boycoff positiv wie beispielsweise die Offenlegung der Host-City-Verträge. Die Transparenz müsse aber weitergehen, auch die Abstimmungsergebnisse sollen publiziert werden. Dann könne die Öffentlichkeit sehen, wer hat für wen gestimmt und wurden die Empfehlungen der Evaluierungskommission beachtet.
Professor Boycoff fordert auch, dass das IOC einen Teil seiner Macht abgeben soll. Für die Zukunft empfiehlt der Politikwissenschaftler die Schaffung einer vom IOC unabhängigen Kommission zur Prüfung der Bewerberstädte.
"Eine unabhängige Kommission außerhalb des IOC und seines Umfeldes mit Experten aus Sportökomomie und Stadtentwicklung muss die Bewerbungen begutachten. Und sie werden die Evaluierungsberichte in Hinblick auf Sportstätten und Infrastruktur erstellen. Und sie entscheiden, ob die Bewerbung in die Entwicklungspläne der Region passt. Die Kommission spricht eine Empfehlung aus, und diese Empfehlung muss großen Einfluss bei der Entscheidung haben."
In der Vergangenheit hat die IOC-Evaluierungskommission oft die Augen zugedrückt. Die Kandidaten rechneten die Kosten runter und jeder wusste, dass sie höher sein würden. Außerdem seien die Olympiabewerbungen meist losgelöst von den Entwicklungsplänen einer Stadt oder einer Region, sagt Boycoff.
"Reden sie mit Leuten in Deutschland, der Schweiz oder auch im polnischen Krakau, dort hat die Mehrheit der Bevölkerung eine Bewerbung abgelehnt. Sie alle klagen über die explodierenden Kosten. Bach weiß, wenn er Leute aus Demokratien als Olympiagastgeber will, muss er Wege finden, die Kosten zu senken."
Typisch für die Kostenexplosion ist die Bewerbung um die Winterspiele 2022. Dort stehen nur noch Peking und Almaty in Kasachstan zur Wahl. In anderen Ländern wollte die Bevölkerung die finanzielle Bürde nicht tragen.
Das liegt aber nicht nur an der Kostenexplosion. Seit den Winterspielen 2014 ist das Image des IOC auf dem Tiefpunkt, denn ein Gesetz gegen Homosexuelle oder die Annexion der Krim - all das hat zur Kritik in der Öffentlichkeit geführt, weil sich die olympische Bewegung davon nicht distanziert hat. IOC-Präsident Thomas Bach versucht jetzt gegenzusteuern, die Entscheidung liegt aber bei der IOC-Vollversammlung im Dezember. Professor Boycoff:
"Wenn die IOC-Mitglieder klug sind, werden sie nicht zögern und seinen Wunsch nach Reformen ernst nehmen. Sie werden Bach folgen. Er hat jetzt eine große Glaubwürdigkeit. Er handelt schnell, für viele außerhalb der olympischen Bewegung zu schnell, denn das Zeitfenster für eine öffentliche Beteiligung war zu klein. Aber ich glaube, innerhalb der olympischen Familie hat er große Unterstützung. Die klugen Leute innerhalb des IOC realisieren, dass sie einen schnellen Wechsel benötigen."
Vor allem, wenn das IOC in Zukunft die Spiele wieder an demokratische Staaten vergeben will. Professor Wolfgang Maennig:
"Denn es weiß natürlich, dass es Probleme hat, noch angemessene Bewerber zu finden, insbesondere für die Winter- und Jugendspiele. Es weiß auch, dass die Sponsoren Stirnrunzeln bekommen, weil das Image der Spiele gelitten hatte in der letzten Zeit."
Also: Die Reformen müssen greifen, oder die olympische Bewegung geht schweren Zeiten entgegen.