Am 15. Juni 1914 wurde die Fahne mit den fünf olympischen Ringen erstmals offiziell gehisst. Anlass war seinerzeit der 20. Jahrestag des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), der in Paris mit Pomp begangen wurde. Ursprünglich hatte Baron Pierre de Coubertin dieses Emblem mit den fünf ineinander verschlungenen Ringen nur für den Olympischen Kongress entworfen. Aber daraus entwickelte sich jenes Logo, mit dessen Vermarktung das IOC und seine Mitgliedsverbände heute Milliarden umsetzen.
Der Kölner Sporthistoriker Karl Lennartz, der vor kurzem verstorben ist, hat sich in seinem letzten Text für das "Journal of Olympic History" noch einmal dem Jubiläum der Olympischen Ringe gewidmet. Die Genese dieses Emblems, das heute neben dem Roten Kreuz und Coca-Cola zu den berühmtesten Markenzeichen der Welt zählt, geht dabei laut Lennartz eindeutig auf Coubertin, den Schöpfer der modernen Spiele, zurück.
Schon vor einigen Jahren hatte der Historiker rekonstruiert, dass Coubertin wahrscheinlich das Inserat des Reifenherstellers Dunlop aus dem Jahr 1888 als Vorlage für das Logo nahm; darin waren fünf Reifen bereits ineinander verschlungen, und sie waren verziert mit Spruchbändern, welche die Aufschriften "Europa", "Amerika", "Asien" und "Afrika" trugen. Australien als fünfter Kontinent fehlte, doch die wichtigsten Merkmale des heutigen olympischen Symbols waren klar vorgezeichnet.
In seinem letzten Aufsatz widmete sich Lennartz nun auch dem Thema der Logo-Rechte. Hier wirft er die scheinbar naive Frage auf, wem denn überhaupt das Logo überhaupt gehöre: dem IOC, dem Baron Coubertin als Schöpfer, oder gar der ganzen Welt? Er führt hierzu aus:
"Sollte es Coubertin gewesen sein, was außer Frage steht, so wäre z.B. in Deutschland der urheberrechtliche Schutz 70 Jahre nach seinem Tod – also 2007 – erloschen. Andernfalls wäre zu beweisen, dass er sein Urheberrecht dem IOC übertragen hätte, wofür es nach Kenntnis des Autors keinen schriftlichen Beleg gibt."
Dieses Urteil birgt Sprengstoff und dürfte das IOC ziemlich beunruhigen. Denn sollte Lennartz mit seiner Einschätzung richtig liegen, dann wären die Olympischen Ringe, das größte Pfund der olympischen Vermarktung, für jedermann nutzbar.