Mehr als eineinhalb Millionen Einträge hat die deutschsprachige Version, doch längst nicht jedem gefällt, was in der Wikipedia zu lesen ist. Und weil sie vom Mitmachen lebt, machen auch solche mit, denen es nicht unbedingt um die Wahrheitsfindung, sondern um eine positive Darstellung geht. Marvin Oppong, der für die Otto-Brenner-Stiftung eine Studie zur "Verdeckten PR in Wikipedia" erstellt hat, sagt:
"Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass PR in Wikipedia ein sehr verbreitetes Phänomen ist, es gibt zahlreiche Fälle, in denen es Manipulationen von Wikipedia-Einträgen gegeben hat und es gibt eine ganze Reihe von Firmen, die professionelle Dienstleistungen anbieten, die eben beinhalten, Wikipedia-Einträge zu erstellen oder zu verändern."
Diskussionen um Eintrag von Christian Lindner
Auf 120 Seiten hat Oppong problematische Fälle herausgearbeitet, Experteninterviews geführt. Doch welche Bereiche sind besonders anfällig?
"Politik ist auf jeden Fall ein Feld, da hat es auch mehrere Fälle gegeben, die da an die Oberfläche gekommen sind. Es hat auch Diskussionen gegeben um die Inhalte des Wikipedia-Eintrags des amtierenden FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, um mal ein Beispiel zu nennen."
So Autor Marvin Oppong. Im Fall Lindner wurde von den Nutzern hart um den Inhalt auf der Seite gekämpft. Doch nicht nur die Einträge zur Politik seien oft umstritten - oder gar manipuliert. Für die Studie sprach er auch mit Spezialisten aus der PR-Branche. Diese sagten:
"Zitat: wenn man für Kunden aus der Tabakindustrie, aus der Pharmaindustrie, aus der Rüstungsindustrie arbeitet, kommt man wohl zwangsläufig in die Lage, dass man gebeten wird, unangenehme Inhalte zu löschen. Und ein anderer PR-Experte, mit dem ich gesprochen habe, sagte: Ad-hoc würden mir als erstes die Pharma- und die Lebensmittelindustrie einfallen."
Problem sind professionelle PR-Agenturen
Dass es ein Problem mit PR in der Wikipedia gibt, sieht Pavel Richter, Vorstand des deutschen Wikipedia-Vereins Wikimedia ebenfalls. Doch hält er es für kleiner als Oppong:
"Es gibt PR in der Wikipedia, es gibt Ideologen, die in der Wikipedia ihre Standpunkte probieren unterzubringen und es gibt Unternehmen, die probieren, sich in der Wikipedia zu schönen. Kein Wunder, ist die Wikipedia doch der erste Anlaufpunkt, wenn man etwas wissen möchte. Und dementsprechend weckt das Begehrlichkeiten auch bei Menschen, die keine Freunde des freien Wissens sind."
Doch bis zu einem gewissen Grad sei Wikipedia als offenes System nun einmal verletzlich, so Wikimedia-Vorstand Richter:
"Die Ehrenamtlichen, die in der Wikipedia arbeiten, kennen das PR-Problem, kennen das Problem von Ideologen und sind in sehr, sehr vielen Fällen - sicherlich nicht in allen - aber in sehr, sehr vielen Fällen, sehr, sehr schnell dabei, das Problem zu erkennen und zu korrigieren."
Schwieriger seien da schon Manipulationen durch professionelle PR-Agenturen.
"Es ist ein Hase- und Igel-Spiel, es wird immer Menschen geben, die ihre Standpunkte in Wikipedia versuchen unterzubringen. Weniger Sorgen machen mir die, die das plump tun, die findet man relativ schnell."
Kein blindes Vertrauen in Wikipedia
Laut der Otto-Brenner-Studie gibt es Agenturen, die sich über teilweise recht lange Zeiträume in die Strukturen der Wikipedia einarbeiten, Verschleierungstechniken benutzen, um nicht erkannt zu werden und so für ihre Kunden tätig sind. An die Qualität der Onlineenzyklopädie glaubt Wikimedia-Vorstand Pavel Richter, warnt aber die Nutzer, einfach nur blind zu vertrauen.
"Zum einen ist bei der Nutzung der Wikipedia das angebracht, was immer bei der Nutzung von Medien angebracht ist, nämlich Medienkompetenz. Glauben Sie nicht alles, was in der Wikipedia steht, glauben Sie auch nicht alles, was Sie im Deutschlandradio hören, sondern überprüfen Sie, was Sie gehört, gesehen und gelesen haben anhand einer zweiten Quelle. Das ist ganz grundsätzlich das Medienkompetenz-Ein-mal-Eins, das sollten wir alle immer bedenken."