Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow hat die prorussischen Separatisten in Slawjansk und anderen Städten im Osten der Ukraine am Sonntag ultimativ zur Aufgabe aufgefordert. Wer bis Montagmorgen die Waffen niederlege und die besetzten Verwaltungsgebäude verlasse, werde strafrechtlich nicht belangt, sagte Turtschinow in Kiew. Aktivisten, die auf Sicherheitskräfte geschossen hätten, nahm er von der Straffreiheit aus.
Die Regierung bereite eine großangelegte "Anti-Terror-Operation" mit der Armee vor, kündigte Turtschinow an. "Wir lassen nicht zu, dass Russland das Krim-Szenario in den östlichen Regionen der Ukraine wiederholt", so der Präsident.
Die Reaktion Russlands auf die Ankündigungen der Ukraine kam prompt: Das russische Außenministerium teilte mit, Moskau sei "empört", der Befehl für einen Militäreinsatz gegen Separatisten sei "kriminell". Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte, es hänge nun vom Westen ab, einen Bürgerkrieg in der Ukraine zu vermeiden. Auf Wunsch Russlands soll es in der Nacht auf Montag ein Treffen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in New York zur Ukraine-Krise geben.
Spezialeinheiten gegen pro-russische Aktivisten
Am Sonntagmorgen hatte die ukrainische Regierung erstmals im Osten des Landes Spezialeinheiten gegen pro-russische Aktivisten eingesetzt. Ziel war es, die Kleinstadt Slawjansk aus der Hand militanter Aktivisten zu befreien. Innenminister Arsen Awakow erklärte, dabei sei ein Geheimdienstagent getötet worden, auf Seiten der Separatisten sei eine unbekannte Zahl an Menschen ums Leben gekommen. Über die Zahl der Verletzten lagen unterschiedliche Angaben vor.
Bewaffnete Separatisten hatten am Samstag Kontrollposten rund um Slawjansk errichtet und das dortige Polizeipräsidium sowie die Zentrale des Geheimdienstes gestürmt. Auch in anderen ostukrainischen Städten halten pro-russische Demonstranten Behördengebäude besetzt. Sie fordern ein Referendum über eine Abspaltung der Region. Ministerpräsident Arseni Jazenjuk bot an, der Ostukraine mehr Autonomie zuzubilligen.
Rasmusssen: Propaganda-Krieg Moskaus
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen wirft Russland derweil einen Propaganda-Krieg gegen den Westen und seine Verbündeten vor. Dies habe es seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr gegeben, erklärt Rasmussen auf der Internetseite der NATO. Am Donnerstag soll in Genf ein Krisen-Gipfel stattfinden, an dem die Ukraine, Russland, die USA und die EU teilnehmen wollen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier dämpfte allerdings die Erwartungen an das Treffen. Es sei schon ein Durchbruch, dass sich die Vertreter Russlands, der Ukraine, der EU und der USA an einen Tisch setzen wollten, sagte Steinmeier dem ARD-Fernsehen.
Die Europäische Union forderte Russland auf, alle Versuche zur Destabilisierung der Ukraine zu unterlassen. Moskau müsse die Integrität des Landes respektieren und seine Truppen von der Grenze abziehen, erklärte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Konfliktparteien zur Zurückhaltung auf.
Biden reist nach Kiew
US-Vize-Präsident Joe Biden will am 22. April in die Ukraine reisen, um der Regierung in Kiew die Unterstützung der USA zuzusichern. Das teilte das Weiße Haus mit. Dabei werde Biden noch einmal deutlich machen, dass die Vereinigten Staaten eine geeinte und demokratische Ukraine unterstützen.
In der Erklärung erhebt das Präsidialamt auch neue Vorwürfe gegen Russland. Bidens Reise gelte außerdem der Lage im Osten der Ukraine. Dort seien pro-russische Kräfte am Werk, die mit Hilfe aus Moskau in einer koordinierten Kampagne die Ukraine sabotierten und destabilisierten.
Schulz: Dialog nicht abreißen lassen
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, plädiert hinsichtlich der Ukraine-Krise mit Nachdruck dafür, den Dialog mit Russland nicht abreißen zu lassen. Der SPD-Politiker sagte im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks, man müsse verstärkt nach gemeinsamen Interessen suchen. Er betonte, Russland brauche Devisen, und die EU brauche Energie.
Mit Blick auf die angespannte Lage in der Ost-Ukraine sagte Schulz, die Vorgänge dort seien nicht leicht zu bewerten. Er selbst habe das Gefühl, dass es sich bei den pro-russischen Protesten noch nicht um eine Massenbewegung handle. Man könne die Ukraine durch wirtschaftliches Wachstum zusammenhalten - und Aufgabe der EU sei es, gerade nach den geplanten Wahlen im Mai eine neue Regierung in Kiew finanziell und politisch zu unterstützen.
(ach/pg/cp/nin)