Vor dem heutigen Treffen haben die Konfliktparteien in der Ostukraine wieder einmal ein vorsichtig positives Signal ausgesendet. Die sogenannte Minsk-Kontaktgruppe, mit Vertretern der OSZE, Russlands und der Ukraine, haben sich auf zwei Dokumente geeinigt: Die beiden Seiten sollen bis zum Monatsende Pläne vorlegen, nach denen verminte Gebiete markiert und geräumt werden können. Und: Von morgen an soll es keine Militärübungen in der Nähe der Frontlinie mehr geben. OSZE-Vertreter Martin Sajdik erklärte:
"Die Umsetzung dieser Vereinbarung halte ich für einen sehr wichtigen Schritt, um rasch eine vollständige Waffenruhe herbeizuführen. In den vergangenen Wochen haben Übungen mit Schusswaffen zu Irritationen geführt."
Trotzdem zeigen die beiden Dokumente, dass der Friedensprozess noch nicht weit gekommen ist - 13 Monate nach dem Abschluss des sogenannten Minsker Abkommens. Im Februar des vergangenen Jahres verhandelten Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Francois Hollande, sein russischer Amtskollege Wladimir Putin und das ukrainische Staatsoberhaupt Petro Poroschenko. Das Abkommen sah einen Waffenstillstand, den Abzug der Waffen und eine politische Lösung für das Donezbecken vor.
Waffenruhe nicht vollständig umgesetzt
Vollständig umgesetzt ist heute nicht einmal die Waffenruhe. Gestern zählte die ukrainische Armee wieder über 30 Beschüsse vom Gebiet der Separatisten aus. Die Separatisten wiederum erklären, die Ukrainer hätten das Feuer eröffnet. Gleichzeitig finden die Beobachter der OSZE auf beiden Seiten immer wieder schwere Waffen, vor allem auf dem Gebiet der Separatisten.
Das erste wichtige politische Ziel - von beiden Seiten anerkannte Kommunalwahlen im Donezkbecken - ist deshalb in weiter Ferne. Die OSZE peilt es zwar für die erste Jahreshälfte an. Aber keine der beiden Seiten will die notwendigen Voraussetzung erfüllen. Kiew setzt den versprochenen Sonderstatus für das Donezbecken nicht um, geschweige denn die zugesagte Amnestie für separatistische Kämpfer. Auf der anderen Seite wollen Moskau und die Separatisten nicht die Kontrolle über die russisch-ukrainische Grenze abgeben, obwohl auch das im Minsker Abkommen steht. Der Kiewer Politologe Wolodymyr Fesenko sieht darin ein Spiel auf Zeit:
"Beide Seiten verschleppen den Friedensprozess. Russland hofft, dass die Wirtschaftskrise in der Ukraine die politische Krise dort immer weiter verschärft - und es zu Neuwahlen kommt. Bei denen könnten dann prorussische Kräfte die Macht erringen. Umgekehrt rechnet die Ukraine damit, dass Russland wirtschaftlich immer schwächer und deshalb zu Zugeständnissen bereit sein wird."
Westliche Partner zeigen sich enttäuscht über die Ukraine
Tatsächlich sind Neuwahlen in der Ukraine derzeit nicht ausgeschlossen, weil es keine Regierungskoalition mit einer Mehrheit im Parlament mehr gibt. Das macht die heutigen Gespräche umso schwieriger: So umstrittene Gesetze wie den Sonderstatus für das Donezkbecken kann die Ukraine im Moment auf keinen Fall umsetzen.
Nicht nur deshalb wird der ukrainische Außenminister Klimkin heute wachsenden Druck von den westlichen Partner spüren: Berlin und Paris sind enttäuscht, dass die Ukraine so zögerlich gegen die Korruption im Land vorgeht. Noch immer hat sie nicht alle Gesetze verabschiedet, die von der EU für die Aufhebung der Visumspflicht gefordert werden.