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Palliativ- und Hospizversorgung
Zuhause leben bis zuletzt

Es geht um mehr als nur Waschen und ins Bett legen: Bei der Versorgung von Schwerstkranken und Sterbenden im eigenen Zuhause kommen immer öfter Palliativ- und Hospizpflegedienste zum Einsatz. Dabei steht Fürsorge und würdevolle Begleitung bis zum Lebensende an erster Stelle. Ein neues Gesetz soll nun neben stationären Hospizen auch die Betreuung in den eigenen vier Wänden stärken.

Von Ita Niehaus |
    Im Vordergrund eine Rose, im Hintergrund ein Krankenbett mit einer alten Frau und einer jüngeren am Bett.
    Jeder Sterbenskranke hat das Recht, bis zum Tod zuhause gepflegt zu werden. Die große Mehrheit der Deutschen jedoch verbringt die letzte Lebensphase im Krankenhaus oder im Pflegeheim. (Picture-alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    „Im letzten Jahr habe ich mir eine große Vogeltränke gekauft und gucke, wie Amseln und Drosseln dort baden. Das habe ich so platziert, dass ich das morgens, wenn ich frühstücke, sehen kann.“
    Michael Wagner, 61 Jahre, groß, schlank, sitzt in seinem Elektro-Rollstuhl in der Sonne auf der Holzterrasse vor seinem Haus in Belm, einem kleinen Ort bei Osnabrück. Er genießt den Blick auf die blühenden roten Stockrosen im Garten. Seit einigen Jahren hat er Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS. Eine unheilbare Erkrankung des motorischen Nervensystems.
    „Ich habe Glück, dass ich noch sprechen kann, ich kann mich zwar nicht mehr bewegen, außer die Arme ein bisschen und den Kopf, ich kann noch gerade sitzen und ich kann noch sprechen. Und das ist ein riesiger Vorteil, dass ich mich äußern kann.“
    Solange wie möglich hat Michael Wagner als Ingenieur gearbeitet. Die Krankheit schreitet jedoch immer weiter voran. Im Bett liegen kann Michael Wagner inzwischen nur noch mit Beatmungsgerät, irgendwann wird er ganz gelähmt sein. Vor anderthalb Jahren nahm er Kontakt mit dem Hospiz Osnabrück auf. Ein Tipp seiner Selbsthilfegruppe:
    „Ich hab gedacht, das kann nicht schaden, wenn man das rechtzeitig in die Wege leitet. Hinterher kann ich nicht mehr sprechen und was dann? Dann sind hier Leute, die kennen mich nicht und ich kenne die nicht.“
    „Man denkt ja bei Hospiz immer nur, da komme ich hin, wenn ich in ein paar Tagen nicht mehr da bin. Und das machen die auch. Das habe ich bei meiner Schwiegermutter erlebt, das war auch wunderbar. Aber das finde ich am tollsten. Man ruft an und kriegt Hilfe.“
    Und die braucht Hanna Wagner auch. Rund um die Uhr ist sie nun für ihren Mann da. Seit mehr als 30 Jahren sind die beiden ein Paar. Die Diagnose war erst einmal ein Schock.
    „Man steht ja so schon mit der Krankheit völlig ... Wenn Sie das gesagt kriegen, dann denken Sie erstmal, ich kann das nicht.“
    Angehörige entlasten ist sehr wichtig
    Zunächst kam morgens nur der ganz normale Pflegedienst von der Caritas. Das Hospiz vermittelte dann den Kontakt zum Ambulanten Intensiv-Pflegedienst AmbiviCare. Seit anderthalb Jahren wird Michael Wagner nun abwechselnd von Stefanie Sieker und ihren drei Kollegen betreut. Acht Stunden täglich. Von 14:30 bis 22:30 Uhr.
    „Ich rolle jetzt zur Haustür und sie macht mir auf.“
    „Du musst deinen Tee erst noch trinken.“
    Die Chemie stimmt zwischen den beiden. Das ist auch die Voraussetzung für eine so intensive Pflege. Denn es geht dabei um viel mehr, als ums Waschen und ins Bett legen.
    „Wir gehen mal raus, wenn schönes Wetter ist und er Lust hat, machen wir einen Spaziergang. Eben individuell und auf die Situation abgestimmt. Was eben in der anderen ambulanten Pflege nicht ganz so passieren kann.“
    Auch ganz wichtig: die Angehörigen zu entlasten. Wenn Stefanie Sieker da ist, kann Hanna Wagner im Garten arbeiten oder sich mit Freunden treffen. Einen Palliativmediziner braucht Michael Wagner zurzeit nicht, er hat kaum Schmerzen. Der Hausarzt kommt regelmäßig vorbei. Und einmal die Woche Klaus Paßlack vom ambulanten Hospizdienst.
    Mithelfen, die verbleidende Zeit, gut zu gestalten

    Klaus Paßlack arbeitet ehrenamtlich. Rund 30 Jahre war er Pfleger im Krankenhaus. Als Rentner kann er jetzt endlich das tun, wozu er früher viel zu selten gekommen ist: sich Zeit nehmen für einen Patienten.
    Eine Bewohnerin sitzt am 05.06.2014 in Neu-Isenburg (Hessen) im Altenpflegeheim "Am Erlenbruch" im Rollstuhl in ihrem Zimmer.
    Jemanden zum Zuhören oder Trost zu spenden: Schwerstkranke oder sterbenden Patienten haben viele Bedürfnisse, die über die reine Pflege hinausgehen. (picture-alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    „Ich habe die letzten Jahre in einer onkologischen Abteilung gearbeitet und den letzten Weg dieser Leute hautnah miterlebt und auch miterleben müssen, was es heißt: Der Tag hat nur 24 Stunden. Das ist eigentlich zu wenig. Und ich weiß auch, was Pflege-Notstand ist.“
    Wie alle anderen ehrenamtlichen Mitarbeiter absolvierte auch Klaus Paßlack eine gründliche Ausbildung. Dabei hat er sich auch mit der eigenen Endlichkeit auseinandergesetzt. Sein Leitbild ist der Hospizgedanke „Leben bis zuletzt.“ Also mitzuhelfen, die Zeit, die bleibt, gut zu gestalten.
    Er hört zu, liest etwas vor, gibt Trost oder erfüllt einen letzten Wunsch. In den vergangenen Jahren hat Paßlack schon einige Schwerstkranke begleitet. Von Michael Wagner ist er sehr beeindruckt. So eine positive Ausstrahlung habe er noch nie bei einem ALS Patienten erlebt:
    „Wir reden über alles Mögliche.“ – Michael Wagner: „Nicht unbedingt über die Krankheit.“ – „Nicht unbedingt, aber das auch. Und so Dinge, die anstehen. Was mache ich jetzt? Neues Gerät oder sonst was. Aber sonst normalerweise einfach nur da sein.“
    Ganzheitliche Betreuung für die bestmögliche Lebensqualität
    Auf dem Weg zum Hospiz Osnabrück. Es ist ein mehrgeschossiges, unauffälliges Gebäude in einer ruhigen Seitenstraße mitten in der Stadt. Ganz in der Nähe des Marienhospitals. Das stationäre Hospiz gibt es seit 18 Jahren, es hat Platz für elf Gäste. Die Zimmer im Erdgeschoss sind fast immer belegt. Im ersten Stock befinden sich Hospizbüro, Ambulanter Hospizdienst und das Büro der ambulanten Hospiz-Pflegeberatung und des SAPV-Teams Osnabrück, also der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung. Beate Lahrmann, die leitende Koordinatorin, hat gerade Besuch von Annette Bergmann, eine von elf Ärztinnen und Ärzten aus dem Osnabrücker SAPV Team.
    Annette Bergmann: „Da war ich heute bei einem Patienten erstmals, nur um ihn kennenzulernen.“ Beate Lahrmann: „Ist er schon in Pallidoc eingetragen?“
    PalliDoc – das ist das online gestützte Dokumentationssystem, mit dem alle kooperierenden Ärzte und Pflegedienste vernetzt sind. Spart viel Zeit und viele Telefonate, sagt Beate Lahrmann. Bei ihr laufen sozusagen alle Fäden zusammen. Beate Lahrmann, 46 Jahre, sportlich, blonde kurze Haare, strahlt viel Ruhe aus. Obwohl die ausgebildete Palliativfachkraft gerade eine 24-Stunden-Rufbereitschaft hinter sich hat.
    „Es gibt sehr ruhige Tage, aber heute nacht, ab viertel nach drei ging in einer Tour das Telefon.“
    Seit gut 13 Jahren wird die ambulante Hospiz-Pflegeberatung angeboten, vor fast sechs Jahren wurde das SAPV-Team gegründet. Die Wünsche und Erwartungen der unheilbar Kranken sind ganz unterschiedlich:
    „Gibt es vielleicht nur eine Kleinigkeit, die der Betroffene braucht oder muss das große Netzwerk vom Pflegedienst, Palliativmediziner, vom Ehrenamt bis zu allen möglichen beteiligten Diensten vernetzt werden, sodass derjenige zuhause bleiben kann?“
    Auch Seelsorger, Psychologen oder Physiotherapeuten gehören mit zum Netzwerk. Palliativmedizinerin Annette Bergmann ist einmal im Monat drei, vier Tage im Einsatz. Das Ziel dieses ganzheitlichen Betreuungskonzeptes: für die bestmögliche Lebensqualität von schwerstkranken und sterbenden Patienten zu sorgen. Schmerzen und andere belastende Symptome zu lindern oder Ängste zu nehmen.
    Pfleger, Seelsorger, Psychotherapeuten: Viele Menschen müssen an einem Strang ziehen

    „Selbstverständlich haben alle Allgemeinmediziner und auch die meisten Internisten Erfahrung im Umgang mit Schwerstkranken, auch mit Sterbenden. Wenn nun jemand meint, dass da speziellere Kenntnisse nötig sind, kann er sich an die Hospiz-Pflege-Beratung wenden, die sich mit uns in Verbindung setzt. Der Hausarzt bleibt Hausarzt, wir sind zusätzlich beratend tätig.“
    Die Mitarbeiterin des Pflegepersonals in einem Hospiz spricht mit einem sterbenskranken Patienten
    Nur etwa drei Prozent der Deutschen stirbt in einem Hospiz: Auch der Wohnort entscheidet, wie gut jemand am Lebensende betreut wird. (picture-alliance / dpa/Tobias Hase)
    Anja Olefs Büro ist nur ein paar Türen weiter. Die ausgebildete Sozialarbeiterin koordiniert den ambulanten Hospizdienst. Das heißt, sie vermittelt unter anderem die rund 120 Ehrenamtlichen. Aus langjähriger Erfahrung weiß sie: Die Sterbesituation auszuhalten, fällt vielen Angehörigen schwer.
    „Und manchmal ist da genau das richtige, jemanden von außen hereinzuholen, der nicht so mitleidet und das kaum aushalten kann. Sondern der da ist, genau das mitzutragen. Und zu vermitteln, egal, wie schwer das für dich ist und wie groß die Angst ist, ich komme wieder und versuche, das mit dir zu tragen und an deiner Seite zu stehen.“
    Um einem unheilbar kranken Menschen ein Lebensende in Würde zu ermöglichen, müssen viele Menschen an einem Strang ziehen.
    „Je mehr beteiligte Dienste miteinander vernetzt werden, umso größer ist die Sicherheit des Betroffenen und der Angehörigen.“
    Betroffene wie zum Beispiel Monika Schneider. Vor fast sieben Jahren wurde bei der 66 Jahre alten Rentnerin Brustkrebs festgestellt. Nach der Operation und der Chemotherapie hatte Monika Schneider erst einmal Ruhe. Doch der Krebs kam immer wieder. Vor Kurzem wurde eine große Metastase in der Leber gefunden.
    „Mir ging es wirklich schlecht. Da habe ich gedacht an dem einen Tag, es wäre schön, wenn du morgen gar nicht mehr wach wirst.“
    Die Hausärztin empfahl ihr, die ambulante Hospiz-Pflegeberatung anzurufen und stellte gleich eine SAPV-Verordnung aus.
    „Und dann lief das. Ich brauchte nichts zu machen. Ich brauchte mich nicht die Treppe runter quälen, die haben alles für mich erledigt.“
    Anzahl der ambulanten Hospiz- und Palliativdienste stark gestiegen
    Inzwischen kommt Monika Schneider zuhause ohne den Intensiv-Pflegedienst klar. Sie fühlt sich wieder besser, hat mehr Energie. Um neue Rezepte auszuprobieren oder ein Hörbuch anzuhören. Ihr Mann arbeitet noch, ist an ihrer Seite, so gut es geht. Regelmäßig schaut eine ehrenamtliche Mitarbeiterin vom Hospiz vorbei. Tod und Sterben – für Monika Schneider war das nie ein Tabu-Thema. Mit ihrem Mann spricht sie ganz offen darüber:
    „Für mich wäre es nicht so schlimm, wenn ich gehen muss. Aber er hat das noch nicht verinnerlicht, dass er mich loslassen muss. Und wenn ich das dann merke, sag ich, ich geh noch nicht. Du bist noch nicht soweit, dass du es verkraften kannst. Muss dich erst noch ein bisschen aufpäppeln ... Wir können so miteinander reden, das geht.“
    Die Anzahl der ambulanten Hospiz- und Palliativdienste hat sich seit 1996 bundesweit mehr als verdreifacht. Ob in Hamburg, Schleswig-Holstein oder Niedersachsen – auch in Norddeutschland hat sich viel getan. Beispiel Osnabrück. Rund 50 Mitarbeiter sind inzwischen hauptamtlich für das Hospiz in Teilzeit tätig.
    Am stärksten gewachsen ist der Bereich Hospiz-Pflegeberatung/SAPV-Team. Um die 220 Klienten im Jahr betreuen Beate Lahrmann und ihre Kollegen. Immerhin mehr als die Hälfte ist zuhause gestorben. Ein Grund: Das Netzwerk ist engmaschiger geworden. Auch durch den Hospiz- und Palliativstützpunkt.
    „Niedersachsen war ein Vorreiter durch die Gründung der etwa 40 Palliativ- und Hospizstützpunkte, die es von Anfang an gab. Kleine Keimzellen in verschiedenen Orten, die auch vom Land gefördert werden. Da war Niedersachsen mit vorne an in Deutschland“, sagt Winfried Hardinghaus vom Klinikum St. Georg in Ostercappeln bei Osnabrück.
    Jeder hat das Recht, zuhause gepflegt zu werden
    Er ist Vorsitzender des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes, kurz DHPV, dem bundesweiten Dachverband der Hospizvereine und Palliativeinrichtungen. Niedersachsen sei insgesamt gut aufgestellt, mit seinen unter anderem 130 ambulanten Hospizdiensten und 20 stationären Hospizen:
    „Es gibt überall noch Lücken in der Fläche, das gibt es auch noch in Niedersachsen. Noch größer aber sind die Lücken in Mecklenburg-Vorpommern. In den Stadtstaaten Hamburg und Bremen ist eine gute Versorgung. Bremen ist auch vorbildlich versorgt. Schleswig-Holstein ist gut, aber in Mecklenburg-Vorpommern, vor allem in der Fläche gibt es noch Lücken.“
    Jeder Sterbenskranke hat das Recht, bis zum Tod zuhause gepflegt zu werden. Die große Mehrheit der Deutschen jedoch verbringt die letzte Lebensphase auf einer ganz normalen Station im Krankenhaus oder im Pflegeheim. Nur die wenigsten, etwa drei Prozent, sterben in einem Hospiz. Ein wichtiger Grund, so Winfried Hardinghaus, die Angebote seien noch zu wenig bekannt. Und auch der Wohnort entscheide, wie gut jemand am Lebensende betreut wird.
    In Großstädten wie Hannover oder Kiel seien die Chancen besser als auf dem Land. Im Landkreis Osnabrück etwa sei die Versorgung im Großen und Ganzen gut. Aber wie in vielen anderen ländlichen Regionen in Norddeutschland schließen auch hier immer mehr Hausarztpraxen, fehlen qualifizierte Pflegekräfte. Hinzu kommt, egal ob Stadt oder Land: Es gibt viel zu viel Bürokratie und auch Probleme mit Kostenträgern, wie den Krankenkassen.
    „Es kommt leider vor. Weil da Patienten auch keine Lobby haben und vor allem keine Schiedsstelle. Dinge, die es ja sonst im Gesundheitsbereich gibt. Und da erhoffen wir doch deutliche Verbesserungen durch das neue Hospiz- und Palliativgesetz.“
    Jeder dritte Deutsche stirbt im Altenheim
    Das neue Gesetz soll die Palliativ- und Hospizbetreuung überall in Deutschland ausbauen. Ein ganzes Bündel von Maßnahmen ist geplant. So sollen zum Beispiel die mehr als 200 stationären Hospize und die rund 1.500 ambulanten Hospizdienste bundesweit besser finanziert werden. Mehr Geld, Entbürokratisierung und eine bessere Zusammenarbeit zwischen Pflege, Hospiz und Palliativmedizin.
    Ein Stationsarzt und eine Krankenschwester während einer Visite auf einer Palliativstation.
    Der Deutsche Hospiz- und Palliativverband fordert vom Bund, auch die Palliativversorgung im Krankenhaus noch mehr zu stärken. (Imago / EPD)
    Fast jeder dritte Mensch in Deutschland stirbt in einem Alten- und Pflegeheim. Auch dort fängt man an, umzudenken, bemüht sich um eine gute Begleitung am Lebensende. Wie viele Einrichtungen sich inzwischen in Norddeutschland für eine würdevolle Sterbe- und Abschiedskultur engagieren, darüber liegen noch keine Zahlen vor. Sicher aber ist: Es werden immer mehr.
    Im Küpper-Menke Stift, einem Alten- und Pflegeheim des Diakoniewerks Osnabrück. Die palliative Fachkraft Mathilde Hohmann blättert in ihren Unterlagen und erzählt, wie alles anfing:
    „Ich habe immer gedacht, das kann doch nicht sein. Ich bin in einer Altenhilfe-Einrichtung und sterben ist abhängig von dem, der Dienst hat. Da muss doch irgendwo was sein, was ein Team auch trägt und begleitet.“
    2008 wurde das Küpper-Menke Stift als Palliativkompetentes Pflegeheim zertifiziert – als eines der ersten in Niedersachsen. Mathilde Hohmann ist darauf auch ein bisschen stolz. Denn seitdem haben sie und ihre Kolleginnen, in Zusammenarbeit mit dem ambulanten Hospiz Osnabrück, schon viel von dem umgesetzt, was Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe erreichen möchte. Das Thema Sterbebegleitung spiele nun eine viel größere Rolle im Pflegealltag als früher. Allein schon durch die acht palliativen Fachkräfte.
    „Das ist manchmal anstrengend, das ist zäh und entwickelt sich langsam, aber es bewegt sich was.“
    Einer der 137 Bewohner ist Franz Niemann. Er fühlt sich wohl im Küpper-Menke Stift. Viel gesprochen werde nicht über den Tod, sagt der 91 Jahre alte ehemalige Landwirt.
    „Jedenfalls nicht gerne, das ist nun mal im Leben so. Die letzten Stunden, du bist noch klar. Und jemand hält die Hand, das ist was Schönes.“ – Mathilde Hohmann: „Dann hat das Personal die Schwierigkeit, dann wirklich da zu sein und die Hand zu halten. Hat die Zeit dann nicht so.“ – „Ja, das ist schon so.“
    Ausweitung der Palliativ- und Hospizversorgung wird nicht alle Probleme lösen
    Mathilde Hohmann will die Pflege nicht generell schlecht machen, ärgert sich oft über die einseitige Berichterstattung in den Medien. Und dennoch:
    „Die Pflegekräfte wissen manchmal nicht, wie sie es schaffen sollen und möchten auch noch mehr geben. Gerade in so Situationen, wenn jemand Angst hat, unruhig ist, vielleicht auch ‚ne Hand braucht. Dann sind wir wirklich dankbar, wenn wir Unterstützung übers Hospiz bekommen. Dass Ehrenamtliche sich Zeit nehmen und sich vielleicht da hinsetzen.“
    Pflegeexperten sind sich einig: Gerade bei schwerstkranken, oft vereinsamten und verwirrten hochbetagten Bewohnern ist Fürsorge besonders wichtig. Doch nach dem neuen Gesetz, so zahlreiche Kritiker, werden nur zusätzliche Beratungen zur Palliativversorgung in den Heimen bezahlt. Es gibt weder Geld für Sterbebegleitung noch für aufwendigere Pflege.
    Eugen Brysch, von der Deutschen Stiftung Patientenschutz, spricht sogar von einem „Zwei-Klassen-Sterben“. Soweit würde Mathilde Hohmann nie gehen. Mithilfe des Hospizes könnten sie in ihrem Stift Bewohner würdevoll begleiten bis zum Lebensende, sagt sie:
    „Ich bin manchmal auch sehr traurig. Warum sind Kostenträger nicht bereit, da mehr auszugeben? Warum ist unsere Gesellschaft nicht bereit, für Sterben, für alte Menschen einfach mehr auszugeben, dass sie gut versorgt sind?“
    Die von der Bundesregierung beschlossene Ausweitung der Hospiz- und Palliativversorgung wird nicht alle Probleme lösen. Weder in den Pflegeheimen noch in den Krankenhäusern. Die Palliativversorgung müsse daher auch im Krankenhaus noch mehr gestärkt werden, fordert unter anderem Winfried Hardinghaus, der Vorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes. Er ist sich sicher: Der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe geht deutlich zurück, wenn Menschen am Lebensende gut und sicher versorgt werden. Umso wichtiger sei es, dass jeder an jedem Ort, eine gute Palliativ- und Hospiz-Versorgung erhält.
    „Es reicht nie aus, das ist immer so im Gesundheitswesen und das ist auch hier so. Aber es ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.“
    Und Beate Lahrmann? Die plädiert für einen Bewusstseinswandel. Dass vor allem Betroffene und ihre Familien nicht so lange warten, bis sie sich an ein Hospiz wenden.
    „Und so ein ganz großer Aktionismus beginnt, um zu gucken, dass das alles noch Zuhause klappt. Ich bekomme ganz oft den Satz zu hören, ach, hätte ich das früher gewusst, dann wäre mir einiges erspart geblieben.“