Eine Absage des "Heiligen Jahres" kam für Papst Franziskus nicht in Frage. Nach den Attentaten von Paris hatten besorgte Kommentatoren im Internet gefordert, das Ereignis wenigstens zu verschieben. Aus Sicherheitsgründen. Doch Franziskus ließ seinen Pressesprecher Frederico Lombardi erklären:
"Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit ist die richtige Antwort auf den Terror. Es ist jetzt nicht der Moment, das Ereignis abzusagen oder sich ängstlich zurückzuziehen. Im Gegenteil: Wir brauchen dieses Jahr dringend."
Rund 25 Millionen Pilger und Besucher werden während des Heiligen Jahres in Rom erwartet. Es werde eine Mobilisierung aller Sicherheitskräfte gebraucht, schrieb Kardinal Staatssekretär Pietro Parolin in der französischen Zeitung La Croix.
"Aber wir brauchen ebenso die Zusammenarbeit aller spirituellen Kräfte, um dem Bösen das Gute entgegen zu setzen. Es geht um Bildung und Aufklärung, Dialog und soziales Engagement. Papst Franziskus will dabei mit Gläubigen aller Religionen zusammenarbeiten, auch mit Muslimen. Denn die 'Barmherzigkeit' ist der schönste Name Gottes, den man im Islam kennt."
Damit formulierte Parolin das Anliegen, das Papst Franziskus mit dem Heiligen Jahr der Barmherzigkeit verbindet. Nach Auffassung des Vatikans läuft die Welt derzeit Gefahr, sich von Terroristen und Waffenhändlern manipulieren zu lassen. Das blutige Prinzip von Gewalt und Vergeltung drohe sich zu verselbstständigen. Angst und Hass drängten ethische Ideale in den Hintergrund und machten Völker zum Spielball von Extremisten. Während einer morgendlichen Predigt in der Casa Santa Martha überlegt Franziskus:
"Man kann versuchen, Kriege mit vielen Begründungen zu rechtfertigen. Aber ein Krieg wie der jetzige, der Stück für Stück die ganze Welt umspannt, ist mit nichts zu rechtfertigen. Was bleibt nach einem Krieg, wie wir ihn heute erleben? Ruinen, Tausende von Waisen, zahllose unschuldige Opfer, Tote, viele Tote. Und es bleibt viel Geld in den Taschen der Waffenhändler. Auch hier liegt ein entscheidender Punk."
Franziskus wirft den Verantwortlichen Heuchelei und mangelnden Willen zum Frieden vor. Etwa wenn Regierungen Milliardenbeträge ins Militär und in Waffen investieren, während das Geld für humanitäre Hilfe fehlt. So mussten beispielsweise die Vereinten Nationen im November 2015 aus Finanznot Lebensmittelzuschüsse für Flüchtlinge im Nahen Osten um die Hälfte kürzen. Für Papst Franziskus empörend, zumal Bomben auf Dauer nur Elend und Hass vermehrten: Nährboden für neuen Terror.
"Jetzt, vor Weihnachten - dem Fest des Friedens - spüren wir es besonders: Wir feiern, zünden Lichter an, bauen Krippen. Aber all das ist nur Fassade. Denn die Welt hört nicht auf, Krieg zu führen. Sie hat den Weg des Friedens nicht verstanden."
Aus Sicht des Papstes hat der dritte Weltkrieg bereits begonnen und wird in Etappen ausgetragen. Wolle man die Ausweitung der aktuellen Konflikte zu einem globalen Flächenbrand verhindern, müsse man umdenken und alles tun, um den Weg der Gewalt zu verlassen. Der Papst hat seine Argumente in Genf und New York vorgetragen. Er hat vor den Vereinten Nationen gesprochen und diplomatische, friedliche Lösungen angemahnt.
"Die Logik der Welt setzt auf den Wettstreit, auf die Waffen der Angst, der Erpressung und der Manipulation von Gewissen. Die Logik des Evangeliums äußert sich dagegen ruhig und konsequent durch die Waffen der Wahrheit. Die Bibel ermutigt uns, den Weg des Guten zu suchen, der Vergebung und Versöhnung."
Genau hier liegt für Franziskus der Sinn des "Heiligen Jahres der Barmherzigkeit": Es soll Menschen aller Kulturen motivieren, sich auf die Kraft der Liebe zu besinnen und Wege aus der Gewalt zu suchen. Kardinal Walter Kasper hat dazu geschrieben:
"Mit dem Stichwort 'Barmherzigkeit' berühren wir die wahre Identität des Christentums. Zugleich liegt hier eine solide Basis für den interreligiösen Dialog, der heute für den Frieden und das Überleben der Menschheit von grundlegender Bedeutung ist."