Es ist der 6. April 1968. Amerika ist im Weltraumfieber. Die Nasa bereitet die erste bemannte Mondmission vor – Apollo 11. In den Kinos sitzen die Menschen und starren auf eine schwarze Leinwand. Der Film: 2001: Odyssee im Weltraum - Stanley Kubricks geniale Fabel auf den technischen Fortschritt. Affenähnliche Vormenschen treffen auf den Monolithen, den Stein der Weisen. Und in rasantem Tempo bekommen die Zuschauer den technischen Fortschritt vor Augen geführt. In der Raumfahrt und in der Informationstechnik.
Das Publikum bestaunt ein Videotelefon eine Smartcard, ein Entertainment-Center im Flugzeugsessel – und Tablet-PCs, auf denen die beiden Astronauten Dave Bowman und Frank Pole in der Mittagspause die Fernseh-Nachrichten gucken. Sie starren, jeder für sich, auf einen ultraflachen Bildschirm, etwa so groß wie ein Malblock DIN A3, und mampfen dabei ihre Astronautenkost. Ganz so wie heutzutage Nerds ihre Pizza essen und nebenbei mit dem Finger auf dem Tablet herumfuchteln. Doch niemand auf der Erde hätte damals, 1968, gedacht, dass diese harmlose, aber geradezu hellseherische Szene einmal im vielleicht bedeutendsten Patentstreit aller Zeiten eine Rolle spielen würde.
Abgelehnt: Richterin Lucy Koh weist Samsungs Beweisantrag ab, anhand der Filmszene aus "2001 - Odyssee im Weltraum" Apples Vorwurf der Verletzung von Geschmacksmustern zu entkräften. Der südkoreanische Elektronikgigant wollte damit beweisen, dass die Idee und das Design von Smartphones und Tablet-Computern schon so alt seien, dass Apple, gegründet 1976, als Urheber gar nicht erst infrage kommt.
Seit dem 30. Juli streiten sich die beiden Unternehmen vor dem Bezirksgericht im kalifornischen San Jose. Dabei geht es vor allem um Ecken und Kanten: Das Design von Samsungs Galaxy Tab sieht dem von Apples Tablet iPad zum verwechseln ähnlich. Ebenso wie die Smartphones beider Hersteller. So ähnlich, dass eine langjährige Apple-Designerin, vom Gericht als Zeugin geladen, sich outete, schon mal ein Samsung-Smartphone mit einem iPhone verwechselt zu haben. Und das, obwohl Design-Profis so etwas natürlich nicht passieren dürfe.
In geheimen Memos, die im Umfeld des Prozesses auf Technologieblogs erscheinen, kommen die Geschäftspraktiken der Branche ans Licht. So war Apple offenbar davon überzeugt, den gesamten Markt für Smartphones und Tablet-PCs aufgrund seiner Designs lizensieren und damit auch kontrollieren zu können. Samsung wiederum hat sich in internen Papieren ausführlich damit beschäftigt, was Apple besser als Samsung selbst mache. Vor allem bei den Icons, den kleinen Symbolbildern für die Apps auf dem Bedienungsbildschirm, sahen die Koreaner Nachholbedarf. Und auch die echten Verkaufszahlen für die Trend-Produkte beider Unternehmen kommen durch den Prozess nach und nach ans Licht. Die sind vor allem wichtig, um herauszufinden, ob Apples Schadensersatzforderung in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar, umgerechnet zwei Milliarden Euro, überhaupt gerechtfertigt ist.
"Der US-Mobilfunkmarkt ist ungefähr 300 Milliarden Dollar schwer. Und Samsung kann eigentlich die Strafe, die dort von Apple angestrebt wird, also 2,5 Milliarden Dollar, die können sie relativ leicht verschmerzen bei einem Quartalsgewinn von aktuell 3,7 Milliarden Euro. Was Apple eigentlich will, ist ein Verkaufsverbot","
meint Henning Steier. Der Journalist(*) verfolgt schon seit einiger Zeit für die "Neue Zürcher Zeitung" die Streitigkeiten der beiden Konzerne vor Gericht. Denn das aktuelle Verfahren ist nicht das erste. Und das Bezirksgericht von San Jose ist nicht der einzige Schauplatz: Rund um die Welt wird der Patentkrieg ausgefochten, auch in Asien, Australien und auf dem europäischen Markt zum Beispiel in England, in den Niederlanden und in Deutschland. Doch der Prozess in San Jose ist der Showdown:
""Eigentlich geht es dabei um die Auseinandersetzung von Apple und Google. Denn Google ist es gelungen, mit dem Betriebssystem Android, das mittlerweile eine riesige Erfolgsgeschichte ist mit einer Million Aktivierungen pro Tag von Androidgeräten, das iPhone in punkto Reichweite längst abgehängt hat, eine Erfolgsgeschichte zu schreiben. Und Apple versucht im Grunde mit diesem Prozess einen Stellvertreterkrieg oder eine Stellvertreterauseinandersetzung mit Samsung anzutreten, die eigentlich auf Google zielt."
In der Tat gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass es Apple gar nicht so sehr auf Samsung oder andere Hersteller von Smartphones abgesehen hat. Vielmehr scheint es dem wertvollsten Unternehmen der Welt um einen direkten Nachbarn im Silicon Valley zu gehen. Der wahre Gegner sitzt nur wenige Kilometer von Apples Firmenzentrale im kalifornischen Cupertino entfernt. Eine Ausfahrt weiter nördlich am Freeway 85 in Mountain View residiert der Suchmaschinengigant Google. Er habe es gewagt, mit Android ein Betriebssystem für Smartphones zu entwickeln, während Apple nie versucht habe, Suchmaschinen zu bauen.
Dieser Vergleich wird dem verstorbenen Apple-Chef Steve Jobs in den Mund gelegt. Damals, 2010, ging es um einen ähnlichen Patentstreit, den Apple mit dem taiwanischen Smartphone-Hersteller HTC anfing. In der vom Apple-Gründer selbst autorisierten Biografie zitiert Autor Walter Isaacson einen wütenden Steve Jobs:
"Unsere Klageschrift legt dar, dass Google verdammt noch mal das iPhone geklaut und uns im großen Stil abgezockt hat. Schwerer Diebstahl. Wenn es sein muss, werde ich das bis an mein Lebensende und mit jedem Penny der 40 Milliarden Dollar von Apple, die auf der Bank liegen, richtigstellen. Ich werde Android zerstören, denn es ist ein geklautes Produkt. Ich bin bereit, dafür einen thermonuklearen Krieg anzufangen."
Apple hat mit der Einführung des iPhones im Jahr 2007 und dem Marktstart des iPads im Frühjahr 2010 den Mobilfunk- und Tabletmarkt nicht nur grundlegend umgekrempelt –, sondern vor allem mächtig angeheizt. Doch Google hat mit seinem offenen Betriebssystem Android Apple mit seinen Geräten auf Basis des eigenen Betriebssystems iOS längst auf Platz zwei vertrieben.
Jeder Hersteller von Telefonen oder Tablet-PCs kann Android ohne großen Aufwand für sein Produkt benutzen. iOS dagegen wurde exklusiv für Apple-Produkte entwickelt. Deshalb, so schätzen Marktexperten, arbeitet mittlerweile jedes zweite neue Smartphone oder Tablet mit Googles Android – Apples iOS kommt nur in jedem dritten neuen Mobilgerät zum Einsatz. Ist also der "Patentkrieg Apple gegen Google", der Kampf zweier IT-Riesen um die Vorherrschaft auf dem Weltmarkt? Prozessbeobachter Henning Steier meint ja und beruft sich auf ein Gespräch zwischen Steve Jobs und Eric Schmidt, der kurz zuvor als Google-Chef abdankte:
"Was man auf jeden Fall zum Thema Eric Schmidt sagen kann, ist, dass er einst auch mit Steve Jobs über Android gesprochen hat und Steve Jobs Geld angeboten hat, und Steve Jobs gesagt hat, ich will eure Milliarden nicht. Ich will einfach, dass Ihr dieses verdammte Betriebssystem vom Markt nehmt. Und das ist auch etwas Besonderes an diesem Prozess. Normalerweise werden solche Streitigkeiten eben außergerichtlich beigelegt. Aber dass das nicht passiert ist, zeigt eben, wie groß der Leidensdruck vor allen Dingen eben auch bei Apple ist."
Tatsächlich ist der aktuelle Streit mit Samsung in aller Öffentlichkeit eigentlich ungewöhnlich. Denn Apple und Samsung sind nicht nur Konkurrenten, sondern auch Partner. Viele Einzelkomponenten für das iPhone und das iPad bezieht Apple ausgerechnet von Samsung. Hunderte von Patenten und verwandten Schutzrechten, wie etwa dem Geschmacks- oder dem Gebrauchsmuster, können mit einem einzigen kleinen Gegenstand wie einem Smartphone verbunden sein. Die Art und Weise, wie man eine Funktion mit einem Fingerwisch auf dem Display auslöst – Patentgeschützt. Und auch das Prozedere, wie ein Smartphone nach dem Einschalten mit dem Mobilen Internet Kontakt aufnimmt, kann patentiert sein.
Apple hat den Markt für Handys und Smartphones mit seinem iPhone rasant verändert. Einstmals große Anbieter von Endgeräten und von Netzwerktechnologie gerieten nach der extrem erfolgreichen Markteinführung enorm unter Druck. Einige von ihnen gingen sogar in Konkurs. Der größte Schatz in der Konkursmasse sind dabei oftmals die Patente.
So wurden aus der Insolvenzmasse des einst sehr wichtigen Mobilfunkausrüsters Nortel im Frühjahr 2011 die Patente an ein Konsortium unter Führung von Apple und Microsoft für 4,5 Milliarden Dollar, umgerechnet mehr als 3,6 Milliarden Euro verkauft. Google ging leer aus. Doch noch im Sommer des gleichen Jahres machte Google das Rennen bei einem ähnlichen Geschäft: Für 12,5 Milliarden Dollar, umgerechnet zehn Milliarden Euro, kaufte der IT-Konzern die Mobilfunk-Patente des Handyherstellers Motorola auf.
Microsoft will einen Teil der Nokia-Patente aufkaufen. Schon im letzten Jahr hat das Softwareunternehmen aus Redmond mit dem schwächelnden finnischen Handyhersteller angebandelt. Microsoft will damit sein eigenes, neues Betriebssystem für mobile Geräte, Windows 8 nach vorne bringen. Die Luft um Apple wird spürbar dünner. Nicht nur Google setzt dem Technologie-Star zu – auch Microsoft macht Druck. Mit seinem aktuellen Betriebssystem Windows Phone nimmt es Platz fünf im Mobilfunkmarkt ein. Der Sprung auf Platz zwei, um Apple mit seinem iOS zu verdrängen, erfordert viel Geld und enorme Anstrengungen. Microsoft will es aber allen zeigen. Analyst Jörg Asma von der Unternehmensberatung KPMG traut dem Softwareriesen aus Redmond einiges zu.
"Microsoft hat definitiv das Potenzial, dort Marktanteile zu gewinnen. Und kräftig aufzuholen. Allerdings müssten sie dann wirklich sehr, sehr stark aufholen. Nur um mal einige Zahlen zu nennen aus einer Nielsen-Studie von 2011: Eine Verbreitung von Android von 39 Prozent, iPhone 28, Blackberry 20 und Windows Mobile von neun Prozent. Das heißt, von neun auf 39 Prozent zu kommen, das ist schon eine gigantische Anstrengung, die natürlich auch mit Marktaktivitäten einhergehen muss."
Und da investiert Microsoft nicht nur hohe dreistellige Millionenbeträge ins Marketing, sondern will sich auch mit einem aggressiven Preis für die Einsteigermodelle mit Windows Phone am Markt durchsetzen. Microsoft kann sich einen Preiskrieg im Einsteigersegment durchaus leisten. Die Redmonder verdienen auch an jedem Smartphone mit dem Betriebssystem Android einige Dollar Lizenzgebühren. Der Softwaremulti hält nämlich Patente an Linuxroutinen, auf denen das Smartphone-Betriebssystem Android basiert.
Apple aber kann diesen Preiskrieg nicht mitmachen. Denn Apple kann nur wenige neue Geräte an den Markt bringen, um einen entsprechenden Kaufdruck zu erzeugen. Jedes Jahr ein neues iPhone- Modell, alle 12 bis 18 Monate ein neues iPad-Modell - mehr ist nicht drin. Der Gewinn wird hier also nicht über die Masse an Modellen gemacht, sondern mit Smartphones, die den Hauch der Exklusivität und des Stylischen vermitteln und allein deshab im höherpreisigen Segment bleiben müssen. Währenddessen brennen die Hersteller von Android-Smartphones ein regelrechtes Modellfeuerwerk ab und erzeugen dadurch einen hohen Kaufdruck.
Und das sehr erfolgreich. Mit einem Dutzend neuer Modelle haben HTC, Samsung und Kollegen allein im zweiten Quartal 2012 weltweit 100 Millionen Smartphones verkauft. Apple bleiben da nur wenige strategische Optionen: auf Exklusivität setzen und vor allen Dingen den Markt abschotten. Und eine solche Abschottungsstrategie lässt sich mit Patenten und Patentstreitigkeiten wunderbar realisieren, meint der Kölner Patentanwalt Björn Schulz.
"Sie haben dort ein sogenanntes Verbietungsrecht. Ist das Patent erteilt, haben sie die Möglichkeit, gegen Dritte vorgehen zu können, denen den Verkauf, den Vertrieb, aber auch die Herstellung verbieten zu können. Das ist sehr einschneidend. Und so können sie ihre Absatzmärkte sichern. Ein Verbietungsrecht geht genau in diese Lücke hinein. Denn sie gibt mir als Privatmensch die Möglichkeit, einem Anderen etwas verbieten zu können. Das, was normalerweise nur per Gesetz möglich ist, erlaubt ein Patent. Ich kann einem anderen Dritten etwas verbieten, zu tun. Das heißt tatsächlich zu sagen, das darf nicht stattfinden. Das kann ich auch gerichtlich durchsetzen. Das ist also etwas Besonderes, was wir ansonsten in vielen Bereichen so gar nicht kennen."
Von diesem Verbietungsrecht macht Apple ausgiebig Gebrauch und klagt deshalb gegen Android-Smartphone-Hersteller wie HTC und Samsung. Dabei ist es eigentlich egal, ob Apple am Ende eines solchen Prozesses siegreich aus dem Gerichtssaal geht oder nicht. Allein das während des Düsseldorfer Prozesses angeordnete europaweite Verkaufsverbot von Samsungs Galaxy-Tab 7.7 verschafft Apple bereits strategische Vorteile. In den Niederlanden stiegen die iPhone-Verkaufszahlen, nachdem ein Gericht ein Einfuhrverbot für das Galaxy S2 des Konkurrenten am 13. Oktober 2011 erlassen hatte. Deshalb kämpft Apple auch mit harten Bandagen gegen die Android-Front vor möglichst vielen Gerichten dieser Welt. Es geht um viel Geld, das bestätigt auch Björn Schulz.
"Die Gerichtsstreitsachen werden natürlich anhand der sogenannten Streitwerte berechnet. Und was oftmals im Raume steht, sind eventuell Schadensersatzansprüche, die geltend gemacht werden können. Die können natürlich sehr hoch sein. Aber auch Gerichtsgebühren, beispielsweise, können sehr hoch werden. Wenn man sich überlegt, wie viel Umsatz generiert denn beispielsweise ein Apple oder ein Samsung mit ihren jeweiligen Produkten. Wenn man das dann einmal geltend macht, vor Gericht, dann bin ich sehr schnell bei den höchstzulässigen Streitwerten von 30 Millionen. Und dementsprechend wird ja anhand dieses Streitwertes berechnet, was für Gerichts- und Anwaltsgebühren anfallen. Da bin ich dann schnell mal im Millionenbereich. Hinzu kommen dann noch Gerichtsgutachter etc. Da sind die tatsächlich anfallenden Kosten natürlich hoch. Auf der anderen Seite, was man auch nicht vergessen darf, was hat denn eigentlich alles an Entwicklungskosten und an sonstigen Kosten dazu geführt, dass überhaupt ein derartiges Produkt nun vor einem liegt? Da muss man sich natürlich durchaus die Frage stellen, ob das dann noch gerechtfertigt ist."
Nein, es sei nicht mehr gerechtfertigt, was Apple und Google mit ihrer Android-Entourage da vor den Gerichten in Amerika, Deutschland oder Australien treiben, finden immer mehr Prozessbeobachter und Branchenexperten. Ein knappes Dutzend Patentverfahren sind weltweit anhängig. Das führt in der IT-Branche zu einem gewissen Ermüdungseffekt, hat NZZ-Prozessbeobachter Henning Steier festgestellt.
"In der Branche, also wenn sie mit Leuten reden, die sich in der Branche mit diesen Technologien beschäftigen, dann verdrehen die nur noch die Augen, weil das etwas ist, was wirklich die Innovationen behindert, was die Arbeitsprozesse behindert, was wahnsinnig viel Geld kostet und was eigentlich den täglichen Umgang mit Technologien der Unternehmen nur noch erschwert."
Das Patentrecht, so wie es gegenwärtig angewendet wird, ist eine hoffnungslos veraltete Sache, finden inzwischen immer mehr Entwickler in der Computerbranche. Henning Steier fasst die Bedenken so zusammen.
"Kritiker bemängeln das schon seit Längerem: Es werden absurde Dinge patentiert. Man kann sicherlich darüber streiten, ob das Herunterscrollen eines Menüpunktes oder das Volllaufen einer
Leiste, das den Download anzeigen soll, ob das überhaupt patentwürdig ist. Das Problem ist wie bei vielem in der digitalen Welt, dass die gesetzliche Entwicklung mit dem einfach nicht Schritt hält. Das heißt, es ergeben sich technisch-logische Entwicklungen, aber die Gesetze sind 20 Jahre alt, die gesetzlichen Vorgaben stammen teilweise aus einer Zeit, als Entwicklungen, die es in der heutigen Informationstechnologie gibt, noch überhaupt nicht vorhersehbar waren. Das heißt, man hat im Prinzip einen Riesenmoloch geschaffen."
Dieser Patentmoloch braucht dringend Reformen. Eine entscheidende Änderung aus Sicht des Technologieanalysten schlägt Jörg Asma vor: Wer den mit einem Patent verbundenen Schutz für seine Erfindung oder Entwicklung in Anspruch nehmen will, muss die Erfindung allen anderen zu einem fairen Preis verkaufen und zur Verfügung stellen. Mit jedem Patent wäre also die Pflicht zur Lizenzvergabe verbunden.
"Weil wenn für jedes Patent und auch unmittelbar eine Lizenz vergeben werden könnte oder vergeben werden müsste, dann wäre dieses Problem der Marktabschottung nicht mehr gegeben. Es gibt ein Prinzip bei der Lizenzvergabe. Und das ist der faire Preis. Der immer wieder thematisiert wird. Und das beklagen ja auch Wettbewerber. Dann, wenn nämlich eine Lizenz bereit gestellt wird. Dass häufig unfaire Preise verlangt werden. Also, ich glaube, wenn wir das einfach regeln, fairer Preis, Lizenzvergabe, im Einklang mit dem Patentrecht, dann wären wir einen großen Schritt weiter."
Dann wäre auch das mit harten Bandagen und teilweise miesen Tricks auf beiden Seiten geführte Patentverfahren recht schnell zu Ende. Ein Gericht würde nicht mehr über Verkaufsverbote entscheiden, sondern müsste einen fairen Lizenzpreis für die infrage stehenden Patente finden. Und so wäre es mit einem zeitgemäßen Patentrecht vermutlich schon längst zu einer außergerichtlichen Einigung der Elektronik-Giganten gekommen.
Noch mehr Bewegung könnte in die Patentdiskussion kommen, wenn die amerikanischen Wettbewerbshüter eine solche Verpflichtung zur Lizenz aussprechen würden. Gegenwärtig stehen rund 1100 Patente aus dem Foto- und Videobereich von Kodak zum Verkauf. Der Wert des Gesamtpakets wird auf gut 2,5 Milliarden Dollar geschätzt. Interessiert hieran sind nicht nur Apple und Google, sondern auch Samsung und HTC. Sie wollen den Kaufpreis für die Kodak-Patente allerdings auf 500 Millionen Dollar begrenzen und deshalb ein Bieterkonsortium gründen. Da hat allerdings die amerikanische Kartellbehörde Bedenken.
Jetzt wird mit Spannung erwartet, ob die US-Kartellwächter von den Mitgliedern eines solchen Bieterkonsortiums die Selbstverpflichtung verlangen, Lizenzen zu den erworbenen Patenten an alle Interessierten zu einem fairen Preis zu verkaufen – auch an Konkurrenten. Die Alternative wäre, das Bieterkonsortium für rechtswidrig zu erklären und zu verbieten. Apple und Google haben bereits signalisiert, dass sie hier zu weitreichenden Zugeständnissen bereit wären. Ein spannendes Pilotprojekt für die Weiterentwicklung des Patentwesens.
Das Publikum bestaunt ein Videotelefon eine Smartcard, ein Entertainment-Center im Flugzeugsessel – und Tablet-PCs, auf denen die beiden Astronauten Dave Bowman und Frank Pole in der Mittagspause die Fernseh-Nachrichten gucken. Sie starren, jeder für sich, auf einen ultraflachen Bildschirm, etwa so groß wie ein Malblock DIN A3, und mampfen dabei ihre Astronautenkost. Ganz so wie heutzutage Nerds ihre Pizza essen und nebenbei mit dem Finger auf dem Tablet herumfuchteln. Doch niemand auf der Erde hätte damals, 1968, gedacht, dass diese harmlose, aber geradezu hellseherische Szene einmal im vielleicht bedeutendsten Patentstreit aller Zeiten eine Rolle spielen würde.
Abgelehnt: Richterin Lucy Koh weist Samsungs Beweisantrag ab, anhand der Filmszene aus "2001 - Odyssee im Weltraum" Apples Vorwurf der Verletzung von Geschmacksmustern zu entkräften. Der südkoreanische Elektronikgigant wollte damit beweisen, dass die Idee und das Design von Smartphones und Tablet-Computern schon so alt seien, dass Apple, gegründet 1976, als Urheber gar nicht erst infrage kommt.
Seit dem 30. Juli streiten sich die beiden Unternehmen vor dem Bezirksgericht im kalifornischen San Jose. Dabei geht es vor allem um Ecken und Kanten: Das Design von Samsungs Galaxy Tab sieht dem von Apples Tablet iPad zum verwechseln ähnlich. Ebenso wie die Smartphones beider Hersteller. So ähnlich, dass eine langjährige Apple-Designerin, vom Gericht als Zeugin geladen, sich outete, schon mal ein Samsung-Smartphone mit einem iPhone verwechselt zu haben. Und das, obwohl Design-Profis so etwas natürlich nicht passieren dürfe.
In geheimen Memos, die im Umfeld des Prozesses auf Technologieblogs erscheinen, kommen die Geschäftspraktiken der Branche ans Licht. So war Apple offenbar davon überzeugt, den gesamten Markt für Smartphones und Tablet-PCs aufgrund seiner Designs lizensieren und damit auch kontrollieren zu können. Samsung wiederum hat sich in internen Papieren ausführlich damit beschäftigt, was Apple besser als Samsung selbst mache. Vor allem bei den Icons, den kleinen Symbolbildern für die Apps auf dem Bedienungsbildschirm, sahen die Koreaner Nachholbedarf. Und auch die echten Verkaufszahlen für die Trend-Produkte beider Unternehmen kommen durch den Prozess nach und nach ans Licht. Die sind vor allem wichtig, um herauszufinden, ob Apples Schadensersatzforderung in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar, umgerechnet zwei Milliarden Euro, überhaupt gerechtfertigt ist.
"Der US-Mobilfunkmarkt ist ungefähr 300 Milliarden Dollar schwer. Und Samsung kann eigentlich die Strafe, die dort von Apple angestrebt wird, also 2,5 Milliarden Dollar, die können sie relativ leicht verschmerzen bei einem Quartalsgewinn von aktuell 3,7 Milliarden Euro. Was Apple eigentlich will, ist ein Verkaufsverbot","
meint Henning Steier. Der Journalist(*) verfolgt schon seit einiger Zeit für die "Neue Zürcher Zeitung" die Streitigkeiten der beiden Konzerne vor Gericht. Denn das aktuelle Verfahren ist nicht das erste. Und das Bezirksgericht von San Jose ist nicht der einzige Schauplatz: Rund um die Welt wird der Patentkrieg ausgefochten, auch in Asien, Australien und auf dem europäischen Markt zum Beispiel in England, in den Niederlanden und in Deutschland. Doch der Prozess in San Jose ist der Showdown:
""Eigentlich geht es dabei um die Auseinandersetzung von Apple und Google. Denn Google ist es gelungen, mit dem Betriebssystem Android, das mittlerweile eine riesige Erfolgsgeschichte ist mit einer Million Aktivierungen pro Tag von Androidgeräten, das iPhone in punkto Reichweite längst abgehängt hat, eine Erfolgsgeschichte zu schreiben. Und Apple versucht im Grunde mit diesem Prozess einen Stellvertreterkrieg oder eine Stellvertreterauseinandersetzung mit Samsung anzutreten, die eigentlich auf Google zielt."
In der Tat gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass es Apple gar nicht so sehr auf Samsung oder andere Hersteller von Smartphones abgesehen hat. Vielmehr scheint es dem wertvollsten Unternehmen der Welt um einen direkten Nachbarn im Silicon Valley zu gehen. Der wahre Gegner sitzt nur wenige Kilometer von Apples Firmenzentrale im kalifornischen Cupertino entfernt. Eine Ausfahrt weiter nördlich am Freeway 85 in Mountain View residiert der Suchmaschinengigant Google. Er habe es gewagt, mit Android ein Betriebssystem für Smartphones zu entwickeln, während Apple nie versucht habe, Suchmaschinen zu bauen.
Dieser Vergleich wird dem verstorbenen Apple-Chef Steve Jobs in den Mund gelegt. Damals, 2010, ging es um einen ähnlichen Patentstreit, den Apple mit dem taiwanischen Smartphone-Hersteller HTC anfing. In der vom Apple-Gründer selbst autorisierten Biografie zitiert Autor Walter Isaacson einen wütenden Steve Jobs:
"Unsere Klageschrift legt dar, dass Google verdammt noch mal das iPhone geklaut und uns im großen Stil abgezockt hat. Schwerer Diebstahl. Wenn es sein muss, werde ich das bis an mein Lebensende und mit jedem Penny der 40 Milliarden Dollar von Apple, die auf der Bank liegen, richtigstellen. Ich werde Android zerstören, denn es ist ein geklautes Produkt. Ich bin bereit, dafür einen thermonuklearen Krieg anzufangen."
Apple hat mit der Einführung des iPhones im Jahr 2007 und dem Marktstart des iPads im Frühjahr 2010 den Mobilfunk- und Tabletmarkt nicht nur grundlegend umgekrempelt –, sondern vor allem mächtig angeheizt. Doch Google hat mit seinem offenen Betriebssystem Android Apple mit seinen Geräten auf Basis des eigenen Betriebssystems iOS längst auf Platz zwei vertrieben.
Jeder Hersteller von Telefonen oder Tablet-PCs kann Android ohne großen Aufwand für sein Produkt benutzen. iOS dagegen wurde exklusiv für Apple-Produkte entwickelt. Deshalb, so schätzen Marktexperten, arbeitet mittlerweile jedes zweite neue Smartphone oder Tablet mit Googles Android – Apples iOS kommt nur in jedem dritten neuen Mobilgerät zum Einsatz. Ist also der "Patentkrieg Apple gegen Google", der Kampf zweier IT-Riesen um die Vorherrschaft auf dem Weltmarkt? Prozessbeobachter Henning Steier meint ja und beruft sich auf ein Gespräch zwischen Steve Jobs und Eric Schmidt, der kurz zuvor als Google-Chef abdankte:
"Was man auf jeden Fall zum Thema Eric Schmidt sagen kann, ist, dass er einst auch mit Steve Jobs über Android gesprochen hat und Steve Jobs Geld angeboten hat, und Steve Jobs gesagt hat, ich will eure Milliarden nicht. Ich will einfach, dass Ihr dieses verdammte Betriebssystem vom Markt nehmt. Und das ist auch etwas Besonderes an diesem Prozess. Normalerweise werden solche Streitigkeiten eben außergerichtlich beigelegt. Aber dass das nicht passiert ist, zeigt eben, wie groß der Leidensdruck vor allen Dingen eben auch bei Apple ist."
Tatsächlich ist der aktuelle Streit mit Samsung in aller Öffentlichkeit eigentlich ungewöhnlich. Denn Apple und Samsung sind nicht nur Konkurrenten, sondern auch Partner. Viele Einzelkomponenten für das iPhone und das iPad bezieht Apple ausgerechnet von Samsung. Hunderte von Patenten und verwandten Schutzrechten, wie etwa dem Geschmacks- oder dem Gebrauchsmuster, können mit einem einzigen kleinen Gegenstand wie einem Smartphone verbunden sein. Die Art und Weise, wie man eine Funktion mit einem Fingerwisch auf dem Display auslöst – Patentgeschützt. Und auch das Prozedere, wie ein Smartphone nach dem Einschalten mit dem Mobilen Internet Kontakt aufnimmt, kann patentiert sein.
Apple hat den Markt für Handys und Smartphones mit seinem iPhone rasant verändert. Einstmals große Anbieter von Endgeräten und von Netzwerktechnologie gerieten nach der extrem erfolgreichen Markteinführung enorm unter Druck. Einige von ihnen gingen sogar in Konkurs. Der größte Schatz in der Konkursmasse sind dabei oftmals die Patente.
So wurden aus der Insolvenzmasse des einst sehr wichtigen Mobilfunkausrüsters Nortel im Frühjahr 2011 die Patente an ein Konsortium unter Führung von Apple und Microsoft für 4,5 Milliarden Dollar, umgerechnet mehr als 3,6 Milliarden Euro verkauft. Google ging leer aus. Doch noch im Sommer des gleichen Jahres machte Google das Rennen bei einem ähnlichen Geschäft: Für 12,5 Milliarden Dollar, umgerechnet zehn Milliarden Euro, kaufte der IT-Konzern die Mobilfunk-Patente des Handyherstellers Motorola auf.
Microsoft will einen Teil der Nokia-Patente aufkaufen. Schon im letzten Jahr hat das Softwareunternehmen aus Redmond mit dem schwächelnden finnischen Handyhersteller angebandelt. Microsoft will damit sein eigenes, neues Betriebssystem für mobile Geräte, Windows 8 nach vorne bringen. Die Luft um Apple wird spürbar dünner. Nicht nur Google setzt dem Technologie-Star zu – auch Microsoft macht Druck. Mit seinem aktuellen Betriebssystem Windows Phone nimmt es Platz fünf im Mobilfunkmarkt ein. Der Sprung auf Platz zwei, um Apple mit seinem iOS zu verdrängen, erfordert viel Geld und enorme Anstrengungen. Microsoft will es aber allen zeigen. Analyst Jörg Asma von der Unternehmensberatung KPMG traut dem Softwareriesen aus Redmond einiges zu.
"Microsoft hat definitiv das Potenzial, dort Marktanteile zu gewinnen. Und kräftig aufzuholen. Allerdings müssten sie dann wirklich sehr, sehr stark aufholen. Nur um mal einige Zahlen zu nennen aus einer Nielsen-Studie von 2011: Eine Verbreitung von Android von 39 Prozent, iPhone 28, Blackberry 20 und Windows Mobile von neun Prozent. Das heißt, von neun auf 39 Prozent zu kommen, das ist schon eine gigantische Anstrengung, die natürlich auch mit Marktaktivitäten einhergehen muss."
Und da investiert Microsoft nicht nur hohe dreistellige Millionenbeträge ins Marketing, sondern will sich auch mit einem aggressiven Preis für die Einsteigermodelle mit Windows Phone am Markt durchsetzen. Microsoft kann sich einen Preiskrieg im Einsteigersegment durchaus leisten. Die Redmonder verdienen auch an jedem Smartphone mit dem Betriebssystem Android einige Dollar Lizenzgebühren. Der Softwaremulti hält nämlich Patente an Linuxroutinen, auf denen das Smartphone-Betriebssystem Android basiert.
Apple aber kann diesen Preiskrieg nicht mitmachen. Denn Apple kann nur wenige neue Geräte an den Markt bringen, um einen entsprechenden Kaufdruck zu erzeugen. Jedes Jahr ein neues iPhone- Modell, alle 12 bis 18 Monate ein neues iPad-Modell - mehr ist nicht drin. Der Gewinn wird hier also nicht über die Masse an Modellen gemacht, sondern mit Smartphones, die den Hauch der Exklusivität und des Stylischen vermitteln und allein deshab im höherpreisigen Segment bleiben müssen. Währenddessen brennen die Hersteller von Android-Smartphones ein regelrechtes Modellfeuerwerk ab und erzeugen dadurch einen hohen Kaufdruck.
Und das sehr erfolgreich. Mit einem Dutzend neuer Modelle haben HTC, Samsung und Kollegen allein im zweiten Quartal 2012 weltweit 100 Millionen Smartphones verkauft. Apple bleiben da nur wenige strategische Optionen: auf Exklusivität setzen und vor allen Dingen den Markt abschotten. Und eine solche Abschottungsstrategie lässt sich mit Patenten und Patentstreitigkeiten wunderbar realisieren, meint der Kölner Patentanwalt Björn Schulz.
"Sie haben dort ein sogenanntes Verbietungsrecht. Ist das Patent erteilt, haben sie die Möglichkeit, gegen Dritte vorgehen zu können, denen den Verkauf, den Vertrieb, aber auch die Herstellung verbieten zu können. Das ist sehr einschneidend. Und so können sie ihre Absatzmärkte sichern. Ein Verbietungsrecht geht genau in diese Lücke hinein. Denn sie gibt mir als Privatmensch die Möglichkeit, einem Anderen etwas verbieten zu können. Das, was normalerweise nur per Gesetz möglich ist, erlaubt ein Patent. Ich kann einem anderen Dritten etwas verbieten, zu tun. Das heißt tatsächlich zu sagen, das darf nicht stattfinden. Das kann ich auch gerichtlich durchsetzen. Das ist also etwas Besonderes, was wir ansonsten in vielen Bereichen so gar nicht kennen."
Von diesem Verbietungsrecht macht Apple ausgiebig Gebrauch und klagt deshalb gegen Android-Smartphone-Hersteller wie HTC und Samsung. Dabei ist es eigentlich egal, ob Apple am Ende eines solchen Prozesses siegreich aus dem Gerichtssaal geht oder nicht. Allein das während des Düsseldorfer Prozesses angeordnete europaweite Verkaufsverbot von Samsungs Galaxy-Tab 7.7 verschafft Apple bereits strategische Vorteile. In den Niederlanden stiegen die iPhone-Verkaufszahlen, nachdem ein Gericht ein Einfuhrverbot für das Galaxy S2 des Konkurrenten am 13. Oktober 2011 erlassen hatte. Deshalb kämpft Apple auch mit harten Bandagen gegen die Android-Front vor möglichst vielen Gerichten dieser Welt. Es geht um viel Geld, das bestätigt auch Björn Schulz.
"Die Gerichtsstreitsachen werden natürlich anhand der sogenannten Streitwerte berechnet. Und was oftmals im Raume steht, sind eventuell Schadensersatzansprüche, die geltend gemacht werden können. Die können natürlich sehr hoch sein. Aber auch Gerichtsgebühren, beispielsweise, können sehr hoch werden. Wenn man sich überlegt, wie viel Umsatz generiert denn beispielsweise ein Apple oder ein Samsung mit ihren jeweiligen Produkten. Wenn man das dann einmal geltend macht, vor Gericht, dann bin ich sehr schnell bei den höchstzulässigen Streitwerten von 30 Millionen. Und dementsprechend wird ja anhand dieses Streitwertes berechnet, was für Gerichts- und Anwaltsgebühren anfallen. Da bin ich dann schnell mal im Millionenbereich. Hinzu kommen dann noch Gerichtsgutachter etc. Da sind die tatsächlich anfallenden Kosten natürlich hoch. Auf der anderen Seite, was man auch nicht vergessen darf, was hat denn eigentlich alles an Entwicklungskosten und an sonstigen Kosten dazu geführt, dass überhaupt ein derartiges Produkt nun vor einem liegt? Da muss man sich natürlich durchaus die Frage stellen, ob das dann noch gerechtfertigt ist."
Nein, es sei nicht mehr gerechtfertigt, was Apple und Google mit ihrer Android-Entourage da vor den Gerichten in Amerika, Deutschland oder Australien treiben, finden immer mehr Prozessbeobachter und Branchenexperten. Ein knappes Dutzend Patentverfahren sind weltweit anhängig. Das führt in der IT-Branche zu einem gewissen Ermüdungseffekt, hat NZZ-Prozessbeobachter Henning Steier festgestellt.
"In der Branche, also wenn sie mit Leuten reden, die sich in der Branche mit diesen Technologien beschäftigen, dann verdrehen die nur noch die Augen, weil das etwas ist, was wirklich die Innovationen behindert, was die Arbeitsprozesse behindert, was wahnsinnig viel Geld kostet und was eigentlich den täglichen Umgang mit Technologien der Unternehmen nur noch erschwert."
Das Patentrecht, so wie es gegenwärtig angewendet wird, ist eine hoffnungslos veraltete Sache, finden inzwischen immer mehr Entwickler in der Computerbranche. Henning Steier fasst die Bedenken so zusammen.
"Kritiker bemängeln das schon seit Längerem: Es werden absurde Dinge patentiert. Man kann sicherlich darüber streiten, ob das Herunterscrollen eines Menüpunktes oder das Volllaufen einer
Leiste, das den Download anzeigen soll, ob das überhaupt patentwürdig ist. Das Problem ist wie bei vielem in der digitalen Welt, dass die gesetzliche Entwicklung mit dem einfach nicht Schritt hält. Das heißt, es ergeben sich technisch-logische Entwicklungen, aber die Gesetze sind 20 Jahre alt, die gesetzlichen Vorgaben stammen teilweise aus einer Zeit, als Entwicklungen, die es in der heutigen Informationstechnologie gibt, noch überhaupt nicht vorhersehbar waren. Das heißt, man hat im Prinzip einen Riesenmoloch geschaffen."
Dieser Patentmoloch braucht dringend Reformen. Eine entscheidende Änderung aus Sicht des Technologieanalysten schlägt Jörg Asma vor: Wer den mit einem Patent verbundenen Schutz für seine Erfindung oder Entwicklung in Anspruch nehmen will, muss die Erfindung allen anderen zu einem fairen Preis verkaufen und zur Verfügung stellen. Mit jedem Patent wäre also die Pflicht zur Lizenzvergabe verbunden.
"Weil wenn für jedes Patent und auch unmittelbar eine Lizenz vergeben werden könnte oder vergeben werden müsste, dann wäre dieses Problem der Marktabschottung nicht mehr gegeben. Es gibt ein Prinzip bei der Lizenzvergabe. Und das ist der faire Preis. Der immer wieder thematisiert wird. Und das beklagen ja auch Wettbewerber. Dann, wenn nämlich eine Lizenz bereit gestellt wird. Dass häufig unfaire Preise verlangt werden. Also, ich glaube, wenn wir das einfach regeln, fairer Preis, Lizenzvergabe, im Einklang mit dem Patentrecht, dann wären wir einen großen Schritt weiter."
Dann wäre auch das mit harten Bandagen und teilweise miesen Tricks auf beiden Seiten geführte Patentverfahren recht schnell zu Ende. Ein Gericht würde nicht mehr über Verkaufsverbote entscheiden, sondern müsste einen fairen Lizenzpreis für die infrage stehenden Patente finden. Und so wäre es mit einem zeitgemäßen Patentrecht vermutlich schon längst zu einer außergerichtlichen Einigung der Elektronik-Giganten gekommen.
Noch mehr Bewegung könnte in die Patentdiskussion kommen, wenn die amerikanischen Wettbewerbshüter eine solche Verpflichtung zur Lizenz aussprechen würden. Gegenwärtig stehen rund 1100 Patente aus dem Foto- und Videobereich von Kodak zum Verkauf. Der Wert des Gesamtpakets wird auf gut 2,5 Milliarden Dollar geschätzt. Interessiert hieran sind nicht nur Apple und Google, sondern auch Samsung und HTC. Sie wollen den Kaufpreis für die Kodak-Patente allerdings auf 500 Millionen Dollar begrenzen und deshalb ein Bieterkonsortium gründen. Da hat allerdings die amerikanische Kartellbehörde Bedenken.
Jetzt wird mit Spannung erwartet, ob die US-Kartellwächter von den Mitgliedern eines solchen Bieterkonsortiums die Selbstverpflichtung verlangen, Lizenzen zu den erworbenen Patenten an alle Interessierten zu einem fairen Preis zu verkaufen – auch an Konkurrenten. Die Alternative wäre, das Bieterkonsortium für rechtswidrig zu erklären und zu verbieten. Apple und Google haben bereits signalisiert, dass sie hier zu weitreichenden Zugeständnissen bereit wären. Ein spannendes Pilotprojekt für die Weiterentwicklung des Patentwesens.