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"Pegida"-Demo in Dresden
Diffuse Ängste

"Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" - so nennt sich eine neue politische Gruppierung aus Dresden. Auf einer ersten Demo machten sie auf ihre Forderungen aufmerksam - lautlos, denn Sprechchöre und Interviews waren untersagt. Auch blieben die konkreten Ziele des Bündnisses unklar.

Von Nadine Lindner |
    Sammelbecken für unterschiedlichste Forderungen: Pegida-Demo in Dresden
    Sammelbecken für unterschiedlichste Forderungen: Pegida-Demo in Dresden (dpa/picture alliance/Matthias Hiekel)
    "Ich bin kein Nazi. Aber..."
    "Endlich sagt es mal jemand."
    Oder auch "Dann kommt wieder die Lügenpresse mit der Nazi-Keule!".
    Das waren einige der gängigen Floskeln, mit denen auf der Kundgebung gestern Abend in Dresden viele Sätze angefangen haben.
    Aufgerufen hatte die Organisation Pegida. Die Abkürzung steht für "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Der Anmelder und Wortführer Lutz Bachmann:
    "Auch heute wieder unter dem Motto, friedlich engagiert gegen Glaubenskriege und für Meinungsfreiheit."
    Nach Angaben der Polizei haben sich 5.500 Demonstranten am Montagabend in Dresden versammelt.
    "Es wird behauptet, dass wir gegen den Islam sind. Ich sage nein. Wir sind gegen radikale Islamisten und die Islamisierung unseres Landes."
    Nach Angaben des Landesverfassungsschutzes leben in Sachsen rund 100 Salafisten. Der Ausländeranteil liegt in Dresden laut Stadtverwaltung bei acht Prozent, wie viele Muslime darunter sind, ist nicht erfasst.
    Im sozialen Netzwerk Facebook verbreitet die Pegida ihre Ziele und ruft zu den Demonstrationen auf. Über 20.000 Menschen haben dabei mittlerweile den Like-Button geklickt und damit ihre Zustimmung bekundet.
    Doch um was geht es der Gruppe genau? Wer steht eigentlich dahinter?
    Von AfD, CDU, NPD und Hooligans
    Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, denn Interviews geben die Organisatoren keine. Anfragen, auch die des Deutschlandradios, bleiben unbeantwortet.
    Stattdessen gibt es eine Warnung an die Teilnehmer der Versammlung:
    "Keine Parolen, keine Interviews, mahnende Stille ist das Gebot der Stunde."
    Dementsprechend wenig sagen die Demonstrationsteilnehmer.
    "Hallo ich komme vom Deutschlandradio, warum sind sie heute Abend hier her gekommen?"
    - "Das muss ich ihnen nicht sagen."
    - "Da muss man mal was dagegen tun, damit wir hier mal ein bissl Ordnung reinkriegen..."
    - "Von mir erfahren sie nichts!"
    Dass einige der Demonstranten dabei Schilder schwenken, auf denen sie sich für Pressefreiheit aussprechen, bleibt wohl ihrer ganz eigenen Logik überlassen.
    Schweigend laufen die Teilnehmer durch Dresden. Die Regeln sind klar: keine Parolen, nur selten Sprechchöre. Ordner wachen penibel über die Einhaltung, wer etwas ruft, wird zurechtgewiesen.
    Wer sind die Leute, die an der Kundgebung, die sich offiziell Spaziergang nennt, teilnehmen?
    Viele der jungen Männer sehen so aus, als wollten sie direkt zum nächsten Spiel von Dynamo Dresden, haben Fanshirts an. Ein paar tragen Kappen mit der Aufschrift Hooligan. Dazwischen laufen immer wieder ältere Paare, Mittfünfziger, die man eher auf dem Weihnachtsmarkt vermuten würde. Die jüngeren Frauen sehen so gestylt aus, als würden sie direkt vom Shoppen kommen. Auch AfD-Mitglieder sind dabei.
    400 Gegendemonstranten
    Beim Kurznachrichtendienst Twitter spendet die Jugendorganisation der NPD zur Kundgebung gestern virtuellen Beifall. Der CDU-Landtagsabgeordnete Sebastian Fischer schreibt dagegen ebenfalls auf Twitter: "Kundgebung beobachtet. Keine Nazis gesehen."
    Vor der Semperoper haben sich rund 400 linke Gegendemonstranten versammelt.
    "Das ist nicht die Mehrheit der Dresdner, die dahinter steht. Die nehmen dumpfe Fremdenfeindlichkeit auf."
    Pegida-Redner Lutz Bachmann greift die Gegendemonstranten scharf an, nennt sie Anti-Demokraten und wirft ihnen Anstiftung zu Straftaten vor.
    "Mit diesem unsäglichen breiten Bündnis "Dresden Nazi frei" werdet ihr alle als Nazis, Hooligans und neuerdings Wutbürger bezeichnet."
    Dass sich die Demonstranten der Pegida auf ihren Transparenten gleichzeitig für Meinungsfreiheit aussprechen - auch diese Logik bleibt ihr Geheimnis.
    Die Pegida verfolgt mit ihrer Widersprüchlichkeit eine gefährliche Strategie, sagt Kerstin Köditz, die Sprecherin für antifaschistische Politik der linken Landtagsfraktion. Über die Kritik am radikalen Islam werde Stimmung gegen andere Religionen und Kulturen gemacht. Auch der sächsische Ausländerbeauftragte Martin Gillo kritisierte in der Freien Presse Chemnitz die Pegida und warf ihr vor, der Gesellschaft zu schaden.
    Das Thema Flüchtlinge und Asyl bewegt die sächsische Landeshauptstadt an diesem Montagabend besonders. Die Stadt Dresden hatte zeitgleich zur Kundgebung besorgte Bürger zum Dialog eingeladen. Nur wenige Hundert Meter entfernt hatte Ministerpräsident Stanislaw Tillich, CDU, mit Landräten und Kommunalpolitikern in der Staatskanzlei getagt. Sein Innenminister Markus Ulbig, ebenfalls von der Union, hatte gestern Spezialeinheiten der Polizei gegen straffällig gewordene Asylbewerber angekündigt und damit Entsetzen bei der Opposition ausgelöst. Die Vertreter der Pegida dagegen verbuchten das gestern Abend als einen ersten politischen Erfolg.
    Es werden noch viele Gespräche nötig sein, bis die diffusen Ängste ausgeräumt sind.