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Pegida im Unterricht
Debatten mit Konfliktpotenzial

Jeden Montag gehen in Dresden viele Menschen bei den Pegida-Demonstrationen mit. Das Thema beschäftigt ganz Sachsen - auch Schüler. Doch in den Schulen kommt die Debatte um die Bewegung zu kurz. Lehrer fürchten die Auseinandersetzung häufig.

Von Astrid Pietrus | 02.05.2016
    Anhänger der islamfeindlichen Pegida-Bewegung gehen am 15.02.2016 mit einer Deutschlandfahne zu einer Demonstration von Pegida am historischen Fürstenzug in Dresden (Sachsen) vorbei
    Anhänger der islamfeindlichen Pegida-Bewegung in Dresden. (pa/dpa/Burgi)
    Friedrich Roderfeld ist Vorsitzender des Landesschülerrates Sachsen und geht in die 12. Klasse des beruflichen Schulzentrums für Wirtschaft in Dresden. Dort, so sagt er, haben sie nur ein einziges Mal ausgiebig über Pegida im Unterricht gesprochen - in der Deutschstunde:
    "Und das fand ich dann sehr komisch, weil dann gab’s im Kurs zwei Leute, die geäußert haben, dass sie zu Pegida gehen und da ging halt mehr oder weniger ein Spalt durch die Klasse. Und das hatte ich so in meiner Schulzeit bisher noch nie gehabt."
    Für die Lehrer ist das keine leichte Situation.
    "Gerade wenn dort welche in die extrem linke oder in die extrem rechte Position abdriften. Und ich denke, das ist für viele Lehrer auch neu und auch schwierig. Und diese Angst davor hat vielleicht auch dazu geführt, dass die Lehrer das nicht so sehr thematisiert haben."
    "Pegida muss im Rahmen von Schule thematisiert werden"
    Außerdem ist die Schule zu politischer Neutralität verpflichtet. Darauf wurden die Dresdner Schulen zu Beginn der Pegida-Debatte noch einmal von der Bildungsagentur hingewiesen, sagt Marcello Meschke, Leiter des Bertolt-Brecht-Gymnasiums in Dresden:
    "Also die Frage des Missionierens, dass wir aufrufen zu Demonstrationen, das steht uns natürlich nicht zu. Oder auch möglicherweise eine Missionierung in die andere Richtung, das kann ja sein. Es kann ja durchaus Lehrer geben, die pro Pegida sind. Das will ich gar nicht ausschließen."
    Der Lehrplan fordert dazu auf, sich mit aktuellen politischen Themen wie zum Beispiel auch der Flüchtlingskrise, rechten Strömungen oder Radikalismus auseinanderzusetzen. Aber viele Lehrer haben Angst, sich angreifbar zu machen, und meiden Kontroversen, weiß Anja Besand, Professorin für Didaktik der politischen Bildung an der TU Dresden:
    "Von daher ist der ganz allgemeine Rat, dass so wichtige Debatten wie die Debatten, die durch Pegida angestoßen sind, auf jeden Fall auch im Rahmen von Schule thematisiert werden müssen. Und sie müssen als Kontroversen sichtbar gemacht werden."
    Schüler kritisieren Umgang
    Diese Debatten finden oftmals allerdings nicht im Unterricht statt sagt, Friedrich Roderfeld. In den Pausen wird dafür umso mehr diskutiert. Für die Schüler macht es das oft schwierig:
    "Wenn man sich dann nur auf dem Schulhof unterhält, da ist dann kein Moderator da. Und der Lehrer kann auch eine moderierende Position einnehmen und hat auch eine andere Sicht auf dieses Thema und kann auch ein bisschen mit Rat und Tat zur Seite stehen."
    Mehr Rat und Tat von ihren Lehrern hätte sich die 17-jährige Henriette aus Leipzig gewünscht, ihren Nachnamen will sie im Radio lieber nicht nennen. Die Gymnasiastin hätte gerne mit ihren Lehrern die Hintergründe analysiert, um sich eine fundierte Meinung zu bilden. Sie kritisiert, dass im Unterricht zu selten und vor allem zu kurz über die fremdenfeindlichen Demonstrationen gesprochen wurde:
    "Und dann war es dann meistens so, dass das in einer ziemlichen Diskussion ausgeartet ist. Von den Seiten unserer Jungs kamen dann doch eher verherrlichende Argumente dafür, dass es gut so ist. Das war dann doch ziemlich schwierig auch darauf einzugehen. Und die Lehrer haben halt, sie haben es im Raum stehen gelassen."
    Didaktik-Professorin Anja Besand hingegen hält es für wichtig, dass sich Lehrer in der aktuellen politischen Debatte nicht gleichgültig verhalten.
    "Wenn sie das tun, wird das von den Schülern auch häufig als Belastung empfunden, so dieses wie soll ich mich selbst positionieren, wenn mein Lehrer es selbst nicht schafft, eine Haltung zu einem bestimmten Thema zu entwickeln."
    "Es kommt darauf an, eine andere Meinung zu akzeptieren"
    Genau das macht Frank Thiele. Der Lehrer des Dresdner Bertolt-Brecht-Gymnasiums spricht mit seinen Schülern über die aktuellen politischen Themen und bezieht dabei auch Stellung.
    "Klar, ich sag, was ich davon halte, was ich darüber denke, aber ohne meine Schüler suggestiv zu beeinflussen, dass sie das auch machen müssen. Im Gegenteil, wenn da andere anderer Meinung sind, finde ich total cool, das ist in Ordnung. Das können sie sagen gerne. Es muss sachlich sein, es muss ein hermeneutisches, ordentliches Gespräch sein."
    Das besondere Konfliktpotenzial schreckt ihn dabei nicht.
    "Es kommt ja darauf an, auch mal eine andere Meinung zu akzeptieren. Das bringe ich meinen Schülern bei. Dieser ganze Konsensbrei das klappt doch sowieso nicht. Wo gibt es denn heute schon Konsens? In welcher Zelle der Gesellschaft gibt es Konsens? Es geht ja darum, dass man die Dissens akzeptiert und darüber offen spricht."