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Personalwechsel bei der CDU
"Union darf nicht länger aus dem Kanzleramt regiert werden"

Der konservative Flügel der Union begrüßt die Nominierung von Annegret Kramp-Karrenbauer als neue CDU-Generalsekretärin. Die Union brauche unbedingt eine inhaltliche Erneuerung, sagte der Vorsitzende der Werte-Union, Alexander Mitsch, im Dlf. Dazu gehöre auch ein Wechsel im CDU-Parteivorsitz.

Alexander Mitsch im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Alexander Mitsch (CDU), Vorsitzender des neu gegründeten Verbands Freiheitlich-konservativer Aufbruch in der Union (FKA)
    Der CDU-Politiker Alexander Mitsch ist Vorsitzender der Werteunion, einem Zusammenschluss konservativer Politiker von CDU und CSU (dpa / Uli Deck)
    Martin Zagatta: Dieser Wechsel scheint, schnell und geräuschlos vor sich zu gehen. Nachdem gestern bekannt geworden ist, dass der nicht unumstrittene Peter Tauber sein Amt als Generalsekretär der CDU aufgibt oder aufgeben muss, steht die Nachfolgerin so gut wie fest. Annegret Kramp-Karrenbauer, saarländische Ministerpräsidentin und enge Merkel-Vertraute, soll neue Generalsekretärin werden. Mitgehört hat Alexander Mitsch. Er ist der Vorsitzende der Werte-Union, ein bundesweiter Zusammenschluss von Mitgliederinitiativen in der CDU und der CSU. Guten Tag, Herr Mitsch!
    Alexander Mitsch: Guten Tag, Herr Zagatta.
    Zagatta: Herr Mitsch, Ihre Werte-Union, die verfolgt ja das Ziel, Konservative in der Union zu stärken, also jetzt auch einen ganz anderen Kurs wieder einzuschlagen als den, den Peter Tauber verfolgt hat. Sind Sie denn froh, dass Peter Tauber sich jetzt zurückzieht oder zum Rücktritt gedrängt wurde?
    Mitsch: Wir als Konservative in der Union, wir als Werte-Union, wir begrüßen sehr, dass das Amt des Generalsekretärs jetzt neu besetzt wird. Das war ja auch eine unserer wichtigsten Forderungen nach der Bundestagswahl, wo wir ja als Union ein verheerendes Wahlergebnis erreicht haben. Zusätzlich haben wir festgestellt, dass in den letzten Jahren die Union inhaltlich entkernt wurde. Das ist natürlich auch ein Feld, wo ein neuer Generalsekretär wirken muss.
    Zagatta: Was sagen Sie denn zu Annegret Kramp-Karrenbauer, die das jetzt übernehmen soll? Die gilt ja als eine der engsten Vertrauten von Angela Merkel. Finden Sie das gut? Das steht doch für ein "Weiter so".
    Mitsch: Klar ist natürlich, dass Frau Merkel niemanden nehmen würde, der ihr nicht nahesteht. Von daher war damit ja zu rechnen, dass es jemand sein würde aus ihrem Umfeld. Aber auf der anderen Seite hat Frau Kramp-Karrenbauer ja hinsichtlich des Themas innere Sicherheit sehr gute Ansätze gezeigt. Ich glaube, das ist wirklich wichtig. Und wir als konservativer Flügel der Union erwarten jetzt auch, dass sich Frau Kramp-Karrenbauer deutlich für eine Begrenzung und Steuerung der Einwanderung einsetzt, was für uns auch ein sehr wichtiges Thema ist. Denn die Koalitionsvereinbarungen mit der SPD sind hierzu ja leider absolut nicht zufriedenstellend. Hier muss unbedingt weiter nachgearbeitet werden.
    "Union braucht grundlegende inhaltliche Erneuerung"
    Zagatta: Ist das für Sie auch schon ein Fingerzeig, dass Frau Kramp-Karrenbauer jetzt als die Nachfolgerin von Merkel aufgebaut wird?
    Mitsch: Ich würde nicht so weit gehen. Aber die Besetzung des Generalsekretärs, die Neubesetzung kann jetzt nur der erste Schritt sein. Die Union braucht unbedingt eine grundlegende inhaltliche Erneuerung, und in dem Beitrag haben wir ja gehört, dass Frau Kramp-Karrenbauer durchaus für inhaltliche Erneuerung auch steht. Wir müssen nämlich jetzt unseren Mitgliedern und Wählern wieder deutlich sagen, wofür die Union steht. Die Union darf daher auch nicht länger aus dem Kanzleramt regiert werden. Insofern ist eine Erneuerung dringend notwendig und sinnvoll.
    Zagatta: Da ist dann Frau Kramp-Karrenbauer eine sehr gute Wahl, wenn ich Sie verstehe? Die hat Merkels Vertrauen und Ihres auch.
    Mitsch: Ich denke, wir sollten Frau Kramp-Karrenbauer jetzt die Chance geben, sich zu beweisen in diesem neuen Amt. Ich habe ja gesagt, Begrenzung/Steuerung der Einwanderung wäre für uns sehr wichtig. Wir sehen gute Ansätze durch das Thema innere Sicherheit. Aber ganz klar ist für uns auch, dass diese Neubesetzung nur der erste Schritt ist. Ich habe das Thema inhaltliche Erneuerung genannt, aber ich glaube auch, dass der personelle Wechsel in der Position der Generalsekretärin jetzt auch sehr zeitnah auf einen Wechsel an der Parteispitze hindeutet und diesen auch einleiten muss. Das heißt, die Union braucht auch an der Parteispitze eine Erneuerung, und wir glauben, dass Frau Kramp-Karrenbauer hier Impulse setzen kann, weil nur so die deutliche Distanz zwischen der Basis und der Parteispitze wieder verringert werden kann.
    "Unser Wunsch wäre ein neue/r Parteivorsitzende/r"
    Zagatta: Wann erhoffen Sie sich das?
    Mitsch: Wir gehen davon aus, dass auf dem nächsten Bundesparteitag im Herbst diesen Jahres bereits deutliche Signale für eine Erneuerung der Parteispitze zu sehen sein werden. Unser Wunsch wäre es, wenn wir einen neuen Parteivorsitzenden oder eine neue Parteivorsitzende bekämen.
    Zagatta: Also dass Angela Merkel da abgelöst wird. – Wie sehen Sie jetzt diese Große Koalition, die sich anbahnt? Mit der sind Sie nicht zufrieden, dass die kommt?
    Mitsch: Diese Große Koalition ist weder für Deutschland noch für unsere Partei, die Union, eine gute Lösung, weil sie schlicht und einfach die Probleme, die in Deutschland bestehen, entweder nicht löst, zumindest was die Koalitionsvereinbarungen bisher zeigen, oder aber sogar Probleme verschärft, wenn ich an das Thema Europa denke. Deshalb sagen wir, diese Große Koalition darf nicht alternativlos sein. Wir haben uns hier von der SPD im Grunde in einen Koalitionsvertrag zwängen lassen als Union, der nicht unsere inhaltlichen Schwerpunkte widerspiegelt, zumindest nicht ausreichend, und deshalb sind wir gegen diese Große Koalition.
    Zagatta: Aber Sie sind da die absolute Minderheit in der Union. Wenn ich jetzt höre, am Wochenende war das, glaube ich, in einem Interview: Armin Laschet, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, der sagt ja sogar, das Konservative gehöre nicht zum Markenkern der CDU. Was sagen Sie da? Der hält nicht viel von Ihrer Werte-Union und mehrheitsfähig sind Sie auch nicht.
    Mitsch: Die Parteibasis, die sieht das ein bisschen anders. Es gibt ja eine Umfrage beziehungsweise eine Untersuchung der Konrad-Adenauer-Stiftung, die ganz klar sagt, dass sich die Basis als deutlich konservativer einschätzt als die derzeitige Parteiführung. Und bei Herrn Laschet muss man natürlich sagen: Entweder will er mit dieser Aussage ganz bewusst provozieren, vielleicht sogar eine Spaltung der Partei herbeiführen, oder er hat das Grundsatzprogramm der CDU nicht gelesen, weil bereits im Vorspann, im Selbstbild steht doch ganz klar drin, dass zur CDU auch konservative Strömungen gehören. Insofern kann es darüber eigentlich überhaupt keine Diskussion geben, es sei denn, man will wirklich provozieren und die Partei spalten, oder aber sogar zehntausende Mitglieder, die sich selbst als konservativ sehen, irgendwo aus der Partei verdrängen.
    "Erklecklige Gruppe von Leuten in Union nicht für GroKo"
    Zagatta: Jetzt gilt aber eine Zustimmung beim CDU-Parteitag nächsten Montag als sicher, dass man diese Große Koalition dort natürlich absegnet, dass es da keinen großen Widerstand von Seiten der Union gibt. Ihnen würde noch eine Minderheitsregierung vorschweben, oder wie würden Sie jetzt versuchen, aus dieser, aus Ihrer Sicht ja verfahrenen Situation herauszukommen?
    Mitsch: Zunächst mal würde ich das Ergebnis des Parteitages durchaus abwarten. Es haben sich ja in den letzten Tagen auch viele kritische Stimmen gemeldet zur Großen Koalition, und ich glaube, das ist auch ein guter Prozess, dass in der Partei diskutiert wird. Wir werden dann sehen, dass es auch eine ganz erkleckliche Gruppe von Leuten gibt, die nicht für diese Große Koalition sind.
    Und ja, unsere Alternative dazu wäre eine Minderheitsregierung, denn wir sind der Meinung, dass wir uns nicht auf Gedeih und Verderb diesem Koalitionsvertrag und der Koalition mit der SPD ausliefern dürfen. Wir müssen als Union hier die Selbstachtung behalten. Wir müssen sagen, wofür wir stehen, und das können wir in diesem Koalitionsvertrag meines Erachtens nicht.
    Zagatta: Erwarten Sie tatsächlich noch eine Diskussion beziehungsweise dass das noch mal eng werden könnte? Das ist doch für alle Beobachter – die Journalisten zumindest sagen das und ich glaube, die Mehrheit in Ihrer Partei auch – eine klare Sache, dass das aus Sicht der CDU so kommen wird.
    Mitsch: Ich gehe nicht davon aus, dass das eine sehr klare Sache wird. Wir haben ja mehrere Themen, die passieren können. Das eine Thema ist, dass der CDU-Bundesparteitag das anders sieht. Dann gibt es ja die Mitgliederbefragung bei der SPD und dann gibt es ja auch immer noch eine Wahl im Deutschen Bundestag, und da gibt es nur eine Mehrheit von 44 Abgeordneten für die sogenannte Kanzlermehrheit. Und wenn Sie mal ausrechnen: Nur ein Teil der SPD-Abgeordneten, die vielleicht auf dem Parteitag auch gegen die Große Koalition gestimmt haben, und wenn Sie einige aus der Union dazu nehmen, dann ist gar nicht sicher, dass es zu einer Mehrheit auch im Bundestag kommt für diese Koalition. Deshalb halte ich das für zwingend notwendig, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie eine Alternative aussehen könnte.
    "Würde Minderheitsregierung mit FDP begrüßen"
    Zagatta: Alternative heißt, Sie wären dann auch dafür, die FDP hat das ja jetzt angeboten, eine Minderheitsregierung zu tolerieren? Sollte die Union sich das überlegen?
    Mitsch: Zunächst mal ist die Union als stärkste Partei die Partei, die hier das Heft in die Hand nehmen muss, und ob es dann eine Minderheitsregierung zusammen mit der FDP gibt, was ich persönlich begrüßen würde, weil es eine stabilere Minderheitsregierung wahrscheinlich wäre, das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass die Union sich auch durchaus überlegen kann, selbst politische Akzente mehr zu setzen und im Deutschen Bundestag auch alleine versucht, um Zustimmung zu werben bei anderen Parteien.
    Zagatta: Aber das Heft in der Hand, das hat ja im Moment die SPD mit ihrer Mitgliederabstimmung. – Bleibt jetzt der Werte-Union, realistisch gesehen, gar nichts anderes übrig, als auf Kevin Kühnert zu setzen? Drücken Sie jetzt den Jusos die Daumen?
    Mitsch: Nein. Es ist so, dass wir als Werte-Union durchaus auch im Vorfeld des Parteitags und auf dem Parteitag dafür werben werden, dieser Großen Koalition nicht zuzustimmen. Das ist das erste. Wir haben unsere Position hierzu klar gemacht. Das zweite ist natürlich, dass wir durchaus der Meinung sind, dass die SPD ihre Position hier sehr geschickt ausgespielt hat. Das gefällt uns natürlich nicht, das kann uns nicht gefallen als Union. Es drängt sich ein bisschen der Verdacht auf, als hätte Frau Merkel in dem Willen, an der Macht zu bleiben, schlichtweg alle politischen Inhalte der Union einfach über Bord geworfen, und das kann natürlich für einen Christdemokraten nicht zufriedenstellend sein.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.