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Pharmaforschung
Cyanobakterien können Krankheitserreger "verwirren"

Viele Krankheitserreger werden für uns erst dann gefährlich, wenn sich viele von ihnen zusammentun: Erst dann bilden sie Biofilme, in denen sie vor den Angriffen unseres Immunsystems sicher sind. Damit das klappt, müssen sich die Bakterien untereinander verständigen. Forscher am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung in Tübingen zeigen jetzt: Cyanobakterien können diese Kommunikation stören.

Von Katrin Zöfel |
    Ein Labor am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung in Tübingen. Tomasz Chilczuk holt aus einer Schublade des Gefrierschranks eine weiße, handtellergroße Plastikplatte mit knapp hundert kleinen Vertiefungen.
    "Also es fängt alles damit an, mit den Cyanobakterien, die habe ich als Zellextrakte vorliegen, und die lagere ich erst mal bei Minus 20 Grad."
    Cyanobakterien sind Bakterien, die genau wie Pflanzen Fotosynthese betreiben können. Tomasz Chilczuk untersucht sie, weil viele der Substanzen, die sie bilden, noch niemand beschrieben hat – und die, die man kennt, sind sehr potent. Berüchtigt sind die Mykotoxine, die bei Algenblüten ganze Seen vergiften. Die Chancen stehen also gut, dass sich neue Stoffe finden, die biologisch aktiv sind und damit als potenzielle Wirkstoffe in der Medizin in Frage kommen.
    "Und weil diese Zellextrakte sehr kostbar sind, benutze ich bei einem Versuch auch sehr wenig Volumen."
    Tomasz Chilczuk konzentriert sich auf eine ganz bestimmte Eigenschaft: Die Cyanobakterien können die Kommunikation anderer Bakterien stören. Er sucht nach Varianten, denen das besonders gut gelingt. Dabei arbeitet er nicht mit lebenden Cyanobakterien, sondern mit Extrakten von insgesamt 700 verschiedenen Bakterienstämmen.
    "Meine Aufgabe ist es jetzt diese Zellextrakte, mit bestimmten Testbakterien zu untersuchen."
    Zu den Zellextrakten gibt der junge Biologe Bakterien: Chromobacterium violaceum. Sie bilden einen violetten Farbstoff, allerdings erst, wenn sie sehr zahlreich sind. Über Botenstoffe, die sie ausschütten, können sie wahrnehmen, wie viele sie sind. Erst ab einer bestimmten Dichte starten sie die Farbstoffproduktion. Fachleute nennen diese Fähigkeit Quorum sensing. Auch viele Krankheitserreger beherrschen diesen Trick, und schalten erst ab einer bestimmten Populationsdichte auf Angriff um, sagt Timo Niedermeyer, er leitet das Labor als Juniorprofessor.
    "Es ist häufig so, dass pathogene Bakterien, also Krankheitserreger, in unserem Körper merken, wir sind in einer ordentlichen Zahl vorhanden und dann erst anfangen, sogenannte Pathogenitätsfaktoren zu produzieren, oder zum Beispiel Biofilme auf Implantaten bilden."
    Das heißt: Wenn man ihre Kommunikation stören könnte, könnte man auch ihre Pathogenität ausbremsen. Tomasz Chilczuk will deshalb wissen, ob unter seinen 700 Bakterienstämmen einer den Störfunk besonders gut beherrscht.
    "Dann inkubiere ich für einen Tag, und schau im Nachhinein wie meine Zellextrakte die Pigmentbildung also dieses Iila-Pigments, Violacein, gehemmt haben."
    Ist die Farbbildung gehemmt, spricht das dafür, dass dieser Bakterienstamm das Quorum sensing effektiv stören kann. Damit zählt er zu den interessanten Kandidaten, sagt Timo Niedermeyer.
    "Nach diesem ersten Screening müssen wir dann versuchen herauszufinden, welche Substanzen in diesen Extrakten für diese beobachtete Wirkung zuständig sind."
    "Dafür haben wir hier ein Labor, wo wir im Grunde die ganzen chromatografischen Techniken finden, wo wir dann tatsächlich große Mengen an Extrakt dann auch trennen können."
    Aus dem Gemisch versuchen die Forscher dann die aktive Komponente herauszufischen. Viel Aufwand, aber es lohnt sich. Denn die neuartigen Wirkstoffe wären eine Alternative zu Antibiotika: Und zwar eine, bei der die Gefahr wohl kleiner wäre, dass sich mit der Zeit Resistenzen bilden.
    "Man geht davon aus, dass diese Quorium sensing-Inhibitoren ein weniger großes Problem bei der Resistenzentwicklung haben, weil man dadurch ja nicht die Bakterien direkt schädigt und tötet. Man gaukelt den Bakterien ja nur vor, dass sie alleine sind."
    So fangen die Krankheitserreger gar nicht erst an, Biofilme zu bilden oder Toxine auszuschütten, die rote Blutkörperchen zerstören und Gefäßwände und Schleimhäute durchlässig machen. Den Rest, sagt der Forscher, könne unser Immunsystem dann selbst erledigen.