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Plasmaforschung
Vom Wasser zum Desinfektionsmittel

Forscher aus Greifswald haben ein Verfahren entwickelt, das Wasser so verändern soll, dass es zum Desinfektionsmittel wird. Durch eine Behandlung mit Plasma entstehen Nitrate und Nitrite, die es antimikrobiell machen. Das Plasmawasser könnte auch als Düngemittel verwendet werden - ganz ohne schädliche Chemikalien.

Von Frank Grotelüschen |
    Leitungswasser läuft am 08.03.2013 in Hannover (Niedersachsen) in ein Glas.
    Eine Plasmabehandlung kann Wasser neue Eigenschaften verleihen. (Lukas Schulze / dpa)
    "Wir alle kennen die Blitze vom Gewitter. Das sind klassische Plasma-Entladungen."
    Gewitterwolken stehen am Himmel, sie sind elektrisch aufgeladen, mit Spannungen von einigen Millionen Volt. Dann und wann entlädt sich die Spannung, ein Blitz fährt zu Boden. Er leuchtet deshalb so grell, weil er die Luft ionisiert und ein Plasma erzeugt, ein elektrisch geladenes Gas. Ein ähnliches Plasma erzeugt Michael Schmidt im Labor, und zwar am Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie in Greifswald. Mehrere Millionen Volt braucht er dafür nicht. Ihm genügen 10.000 Volt.
    "Mein Labor-Setup besteht einfach aus einem Becherglas. Da ist Wasser drin. Obendrauf befindet sich eine Halterung mit zwei Metall-Elektroden, die einige Millimeter über dem Wasser enden. Dann entsteht ein Plasma zwischen der Metallelektrode und der Wasseroberfläche."
    Wasser neue Eigenschaften verleihen
    Zu sehen: ein leuchtender Plasmafaden zwischen Elektrode und Wasser – quasi ein Minigewitter.
    "Ziel ist es, dem Wasser Eigenschaften zu verleihen, die es nicht hat, bevor wir es behandelt haben."
    Und das gelingt. Denn nach einer halbstündigen Plasmabehandlung, bei der es ein Rührer stetig durchmischt, ist das Wasser nicht mehr dasselbe:
    "Das Wasser wird sauer."
    Das Plasma lässt also den pH-Wert sinken. Und: "Es entstehen Nitrate und Nitrite im Wasser. Wir vermuten, dass es Luftstickstoff ist. Und durch den elektrischen Einschlag auf die Wasseroberfläche werden diese gasförmigen Stoffe in das Wasser eingetragen."
    Was chemisch im Detail passiert, wissen die Forscher zwar noch nicht, das wollen sie noch herausfinden. Doch vermutlich spalten die Plasmablitze die Stickstoff- und Sauerstoffmoleküle aus der Luft und befördern sie ins Wasser. Dabei reagieren Stickstoff und Sauerstoff zu Nitraten und Nitriten, die dann im Wasser gelöst bleiben. Außerdem bilden sich chemisch aggressive Substanzen wie Wasserstoffperoxid. Und die wirken auf Mikroben wie Gift.
    "Das Wasser wird antimikrobiell. Man kann es benutzen, um Mikroorganismen zu inaktivieren und zum Beispiel Desinfektionsaufgaben zu bedienen."
    Wasser soll zum Desinfektionsmittel werden
    Es geht also nicht nur darum, Wasser zu desinfizieren – das beherrscht man schon länger, etwa mit UV-Strahlung oder Ultraschall. Stattdessen soll die neue Methode das Wasser so verändern, dass es selbst zum Desinfektionsmittel wird. Die Voraussetzung scheint erfüllt, denn:
    "Es behält diese veränderten Eigenschaften auch nach Beendigung der Behandlung. Man kann das Wasser behandeln, abfüllen, irgendwohin tragen und dann dort seine antimikrobiellen Aufgaben erfüllen."
    Das Wasser zeigt noch über Stunden, vermutlich sogar über Tage eine keimtötende Wirkung, sagt Michael Schmidt – und spekuliert schon über mögliche Anwendungen:
    "Man könnte natürlich darüber nachdenken, ob man vielleicht medizinisches Gerät damit sterilisieren kann."
    Denkbar sei eine rasche Sterilisation unmittelbar vor einem Eingriff: Man lege das zu sterilisierende Gerät einfach ins Plasma-Wasser, und flugs ist Keimen der Garaus bereitet. Und da wäre noch eine zweite Idee:
    "Das Wasser kriegt Nitrat, und zwar gar nicht wenig. Das führt dazu, dass man dieses behandelte Wasser auch als Düngemittel verwenden kann, das dann eine antimikrobielle Wirksamkeit hat. Vielleicht könnte diese Kombination von Interesse sein."
    Einsatz als Düngemittel
    Ein Zwitter also aus Düngemittel und Keimtöter, was womöglich den Einsatz schädlicher Chemikalien überflüssig machen könnte. Ein erster Selbst-Versuch im heimischen Garten lief schon mal vielversprechend:
    "Wenn man dieses behandelte Wasser auf wachsende Kartoffeln gibt, wachsen sie schneller. Das hat mir mein Kollege gesagt, der das versucht hat."
    Inwieweit ein Bedarf an dieser Düngemethode und auch an einem Sterilisationsverfahren auf der Plasmawasser-Basis besteht, das wollen die Forscher mit Agrarexperten und Medizinern diskutieren. Zuvor jedoch müssen sie erst mal beweisen, dass sich auch größere Mengen behandeln lassen als nur ein Becherglas. Also haben Schmidt und seine Kollegen nun eine größere Anlage gebaut, Fassungsvermögen 100 Liter.
    "Die besteht aus einem großen Fass mit einer Pumpe und einer Stelle, wo man verschiedene Plasmaquellen einbauen kann. Und der Wunsch ist, dass wir das Wasser dann im Kreis pumpen und verschiedene Plasmaquellen ausprobieren: Wie wirksam sind die?"
    Bald sollen die Versuche mit der großen Anlage starten. Bleibt eine Frage: Hat Michael Schmidt schon mal einen Schluck probiert vom Plasmawasser Marke Greifswald?
    "Ich hab’s noch nicht gemacht. Es zeigt sich, dass es für mikrobielle Organismen nicht ungefährlich ist, es tötet sie ja ab. Das muss ich nicht selbst ausprobieren!"