"I'm on a porn set in the San Fernando Valley. Watching the filming of 'Bad Babysitters Volume 2', directed by Mike Quasar."
Jon Ronson unterwegs im San Fernando Valley, nördlich von Los Angeles. Das Epizentrum der Pornoindustrie. Oder besser: Das langsam untergehende, verschwindende Epizentrum der Pornoindustrie, wie es sie noch vor ein paar Jahren gab, als Pornos noch auf VHS-Kassetten abgespielt wurden - und nicht millionenfach auf Youporn, Pornhub oder Redtube. Im San Fernando Valley gibt es sie noch: Pornoregisseure wie Mike Quasar. Ronson bittet Quasar, auf Pornhub nachzusehen, ob seine Filme dort illegal verfügbar sind. Quasar findet sofort einen.
"Ohne Witz, diesen Film habe ich erst vor zwei Monaten gedreht. Und da ist er auf Pornhub. Der ganze Film! Nicht irgendein Ausschnitt - es ist der ganze verdammte Film. Also, was soll ich machen?"
"Menschen werden Suchbegriffe"
Ein gefallener, klagenderjammernder Pornoregisseur. In "The Butterfly Effect" geht es um Geschichten wie diese. Und um einen Mann, der die ganze Welt des Pornos verändert hat: Fabian Thylmann.
"I'm Fabian Thylmann. Yes. How much do you want to know?"
Thylmann ist ein in Aachen geborener Tech-Unternehmer. Vor zehn Jahren, mit Mitte 20, kaufte er so ziemlich alle Pornoseiten, die im Internet vor sich hindümpelten. Mit über 300 Millionen Dollar Startkapital baute er sie zu mächtigen Portalen aus - und machte Pornos für alle verfügbar.
"I think in any standard, you would say that I became rich, yes."
Allein Pornhub wird in den USA häufiger aufgerufen als die Seite der "New York Times". "The Butterfly Effect" zeigt, wie mächtig Thylmanns digitalen Pornoindustrie geworden ist. Und wie sie jeden Fetisch zu Daten macht.
"Am Erstaunlichsten finde ich, dass alles optimiert ist für Suchmaschinen."
Jon Ronson sagt, ein Pornofilm wie "Cheerleader Stepdaughter Orgy" heißt nur deshalb so, weil die Schlagworte "Cheerleader", "Stieftochter" und "Orgie" viel gesucht werden.
"Das hat aber natürlich auch eine Schattenseite, weil es bestimmte Leute gibt, die nicht in diese Kategorien passen. Für eine 25-jährige Pornodarstellerin ist es heute fast unmöglich, Arbeit zu bekommen. Sie ist zu alt, um ein 'teen' darzustellen - und zu jung, um eine 'MILF' zu sein. Das ist das Internet. Menschen werden Suchbegriffe."
"Die sind alle gleich"
Die Menschen, die unter Thylmanns Porno-Imperium leiden, beschreibt Ronson in reflektierten, extrem gut erzählten Episoden. Besonders verstörend: die Geschichte von Nathan, 22 Jahre alt, Autist mit Asperger-Syndrom und verurteilter Sexualstraftäter. Er hatte einer Freundin vulgäre Anmach-Sprüche geschickt.
Woher er die Sprüche hatte, fragt Ronson? Aus Pornofilmen, sagt Nathan. Für die nächsten 22 Jahre ist er als registrierter Sexualstraftäter gelistet, muss sich von Schulen fernhalten und darf nicht mit Kindern reden. Wegen eines einzigen Chats.
"The Butterfly Effect" ist einer der besten Podcasts des Jahres. Ronson hat anderthalb Jahre daran gearbeitet. Und es ist erstaunlich, wie jedes Schicksal, das er zeigt, von Fabian Thylmanns Expansionssucht geprägt ist. Thylmann hat, wie viele andere große Tech-Unternehmer, eine Industrie vollkommen umgekrempelt. Die Konsequenzen scheinen ihm völlig egal zu sein, sobald Geld und Daten fließen, beklagt Jon Ronson.
"Er ist genau wie all die anderen, die die Welt kontrollieren. Die Leute bei Google, Facebook oder Twitter - die sind alle gleich. Es sind diese unmoralischen Tech-Unternehmer, die sich viel lieber mit Maschinen, Algorithmen und Technik beschäftigen als mit Menschen."
Die sieben Folgen von "The Butterfly Effect" können bei Audible gehört werden.