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Polen
"Marsch der Lebenden" erinnert an Holocaust-Opfer

Zum Gedenken an die Opfer des Holocaust findet im polnischen Auschwitz heute zum 30. Mal der "Marsch der Lebenden" statt. Auch die Präsidenten von Polen und Israel nehmen daran teil. Das sogenannte Holocaust-Gesetz hatte zuletzt für Spannungen zwischen den beiden Staaten gesorgt.

Von Florian Kellermann |
    Teilnehmer des Marsches der Lebenden im Konzentrationslager Auschwitz am 1. Mai 2008.
    "Marsch der Lebenden" im Jahr 2008 (picture alliance/ dpa/Jacek Bednarczyk)
    Miriam, so stellt sich die junge Frau vor, war schon oft auf dem Gelände des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau: Die Israelin ist Fremdenführerin und bringt Gruppen hierher. Doch diesmal ist die Reise auch für sie besonders:
    "Es ist der 30. Marsch der Lebenden - und das fast genau 70 Jahre nach der Gründung Israels. Damit setzen wir ein Symbol der Kontinuität: Es gibt uns Juden noch, wir sind noch da. Wir wollen allen von hier aus sagen: Es sind immer Menschen, die falsche Dinge tun, niemand darf sich hinter dem Gang der Welt verstecken. Als jüdische Nation haben wir eine Verantwortung dafür, dass so etwas nie wieder geschieht, mit niemandem."
    Der Marsch beginnt heute Nachmittag am Tor zum Lager Auschwitz I, über dem noch immer die zynische Aufschrift "Arbeit macht frei" zu sehen ist. Von dort gehen die über 10.000 Teilnehmer aus aller Welt zum Tor des zweiten Lagers Auschwitz-Birkenau. Dort kamen die Züge an - mit Juden aus ganz Europa. Das nationalsozialistische Deutschland schickte sie in den Tod.
    Die Zahl der Opfer im ganzen Lagerkomplex von Auschwitz wird auf mindestens 1,1 Millionen Menschen geschätzt. Die 35-jährige Fremdenführerin Miriam hat ihrer Gruppe schon gestern das Lagergelände gezeigt:
    "Ich erzähle hier vor allem die Geschichte von Überlebenden, die ich auch selbst getroffen habe. So versuche ich, den sechs Millionen Opfern des Holocaust eine Stimme zu geben. Ich bin nicht mehr so geschockt, wie bei beim ersten Mal, als ich hier war. Aber ich fühle eine große Verantwortung."
    Holocaust-Gesetz verursachte Spannungen
    Auch die Präsidenten von Polen und Israel werden in diesem Jahr am Marsch teilnehmen - Andrzej Duda und Reuven Rivlin. Das ist nicht nur dem runden Datum geschuldet: Es soll ein Zeichen der Versöhnung setzen zwischen Polen und Israel. Ein polnisches Gesetz belastet die Beziehung zwischen den beiden Staaten. Dieses sogenannte Holocaust-Gesetz verbietet es, dem polnischen Staat oder der polnischen Nation eine Mitverantwortung an der Judenvernichtung zu geben.
    Denn viele Polen empfinden es als ungerecht, wenn ihre Vorfahren angeprangert werden - obwohl doch nur einige wenige mit den deutschen Besatzern kollaboriert hätten. Der Holocaust-Überlebende Marian Turski, der heute auch am "Marsch der Lebenden" teilnimmt, hat dafür eine Erklärung:
    "Manchmal fühlt man sich eben gerade dann verletzt, wenn einem jemand etwas Böses tut, der sich vorher als Freund ausgibt. Denn vom Feind erwartet man ja nichts anderes."
    Deshalb blieben die Verbrechen einzelner Polen vielen Juden besonders in Erinnerung - sie waren ja ihre Nachbarn gewesen. In Israel jedoch wurde das sogenannte Holocaust-Gesetz von vielen so verstanden, als dürften Überlebende ihre persönlichen Geschichten nicht mehr erzählen. Der polnische Präsident Duda hofft nun auf die Begegnung mit seinem Amtskollegen Rivlin:
    "Ich glaube daran, dass wir mit vereinten Kräften die Zweifel aufklären und die Probleme überwinden können."
    Die polnische Regierung deutete an, dass sie bereit ist, das Holocaust-Gesetz zumindest präziser zu formulieren.