CDU-Generalsekretär Peter Tauber macht sein Auftritt in der ZDF-"heute show" sichtlich Spaß, auch als er über seinen Video-Podcast im Netz spricht. Die Parteien und das Netz: Lange schon soll das zusammen gehen, um junge Menschen anzusprechen - als Wähler, aber auch für eine Mitgliedschaft in der Partei. Denn seit Jahren verliert nicht nur die CDU stetig an Mitgliedern. Anderswo sind plötzlich neue politische Akteure entstanden - zum Beispiel mit Pegida. Darauf müssen die Parteien Antworten finden.
Doch den Königsweg, um im Netz den neuen Herausforderungen zu begegnen, hat noch keine von ihnen gefunden. Auch nicht Peter Tauber. Dennoch: Dem 40-jährigen Generalsekretär der CDU kommt seine Netzaffinität zugute, wie auch der Kommunikationswissenschaftler Martin Emmer anerkennt:
"Also, dass da zumindest ein echtes Bemühen ist, Politik in alle Teile der Welt, eben auch in diese digitale Welt zu bringen, also, das würde ich ihm durchaus zugestehen."
Emmer ist Mitte 40 und Professor an der Freien Universität Berlin und leitet das Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft. Er sitzt in einem Café in Berlin-Charlottenburg.
Verschenktes Potenzial?
Emmer findet: Die Parteien verschenken vieles von dem Potenzial, das der digitale Raum ihnen bietet: die Möglichkeit, mit Interessierten in Kontakt zu kommen. Zu Wahlkampfzeiten werde das Netz zwar mehr genutzt, doch drohe den Parteien, den Generationswandel zu verschlafen.
"In der Fußgängerzone finden Sie eben nur bestimmte Menschen. Und man muss sich eben klar machen, dass ein Großteil der Bürger, der Wähler, gerade unter 30, dass Sie die eher in den digitalen Welten treffen."
Als Reaktion auf Pegida haben die Generalsekretäre von CDU, SPD und CSU eine Initiative angekündigt, um die Demokratie zu stärken. Eine Aktion, die Kommunikationswissenschaftler Emmer begrüßt.
Ob man ausgerechnet die Pegida-Demonstranten auch im digitalen Raum wieder mehr für die Parteien des Bundestags gewinnen kann, wagt Emmer nicht zu sagen.
Sicher ist er sich dagegen, dass bessere Partizipationsangebote im Netz insgesamt das Vertrauen in die Politik stärken können:
"Wenn man sich mal ansieht, wie zum Beispiel diese TTIP-Verhandlungen kritisiert wurden. Dann zeigt sich, dass die Menschen so was einfach wollen und so was auch nicht mehr akzeptieren. Man vertraut nicht mehr blind seinen Politikern. Und das kostet jetzt ja kaum was, Dokumente ins Netz zu stellen oder auch Sitzungen live zu übertragen."
Auch wenn jeder Beitrag auf Facebook oder Twitter ein Risiko bedeutet: Nämlich das, dass eine Debatte auch entgleiten kann oder gar ein Shitstorm droht: Kommunikationswissenschaftler Emmer rät Politikern dazu, mehr Einblick in ihren Alltag zu geben.
Schwesig: "Den Twitter-Account bediene ich zu 100 Prozent alleine"
Eine Praxis, die für Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig längst Alltag ist:
"Ich nehme mir am Tag ungefähr eine halbe Stunde Zeit, um die sozialen Netzwerke zu bedienen, um da selber mitzumischen. Auf Facebook lese ich die Kommentare, antworte auch auf die Kommentare oder Fragen. Die Rückmeldung, die ich bekomme, ist, dass viele dadurch wahrnehmen, was eigentlich zum politischen Alltag gehört, welche Termine. Weil natürlich nicht jeder Termin, nicht jede Diskussion spiegelt sich in der 'Tagesschau' oder im Radio wider."
Gleichzeitig nutze sie die sozialen Medien aber auch, um Feedback von den Bürgern zu bekommen - und zu erfahren, wo diese Probleme sehen, sagt die SPD-Politikerin. Schwesigs Einträge auf Facebook kommen sowohl von der Politikerin wie auch von ihrem Team.
"Und den Twitter-Account bediene ich zu 100 Prozent alleine. Weil damit Authentizität, Glaubwürdigkeit verbunden ist. Und damit haben die Nutzer auch die Möglichkeit, mit mir direkt im Kontakt zu stehen. Für mich ist das selber auch Zeit, die ich da sehr gerne investiere."
Die Grünen und der digitale Raum
Alle Parteien im Bundestag versuchen im digitalen Raum mit den Usern in Kontakt zu kommen. Doch mit welchem Erfolg? Nachfrage bei den Grünen:
"Wir haben im letzten Jahr eine Millionen an Interaktionen alleine auf der Seite der Grünen auf Facebook gehabt. Eine Million Kommentare, Shares, Likes. Und es ist viel, viel mehr als wir hatten, bevor es die sozialen Netzwerke gab."
Robert Heinrich leitet bei den Grünen den Bereich Kampagnen- und Öffentlichkeitsarbeit. Die Kritik, dass die Parteien das Netz nur im Wahlkampf für sich entdecken, lässt der PR-Mann nicht gelten:
"Am Ende wollen die Leute wissen, wofür eine Partei steht. Wollen sich darüber möglichst kurz, unaufwendig informieren. Und sich dann wieder ihren Alltagssorgen und -geschäften zuwenden."
Dennoch: Auch Robert Heinrich wünscht sich, dass mehr Interessierte die Mitmachangebote seiner Partei im Netz nutzen, sich wirklich mit grüner Politik auseinandersetzen. Doch er sieht auch Grenzen:
"Interaktion ist nicht gleichbedeutend mit politischer Partizipation. Ich würde sagen, politische Partizipation hat ja immer den Anspruch, etwas zu verändern. Etwas mitzugestalten und mitzuwirken. Und da hat die Parteiendemokratie den Mitgliedern der Partei ein paar exklusive Rechte beibehalten. Die dafür auch ihre Freizeit opfern, die dafür auch Mitgliedsbeiträge zahlen und deswegen diese Vorrechte aus meiner Sicht auch in Anspruch nehmen können."
Das Bedürfnis nach Mitmachangeboten im Netz hält Heinrich für begrenzt - obwohl er betont, dass die Grünen eine Mitmachpartei sind. Also doch mehr partizipative Angebote im digitalen Raum?
"Ja, da könnten wir sicher auch noch mehr tun. Und werden wir auch noch mehr tun."
Dennoch: Viel wichtiger sei das Angebot der Parteien selbst: Die Themen aber auch die Gesichter, die sie vermitteln.
"Analog und digital kann beides sehr wirksam sein, wenn die Relevanz des Themas stimmt. Der gute alte Brief kann ein sehr effektives Mittel der Partizipation sein. Und das elaborierteste Webtool kann floppen."