Das Reiterstandbild vor dem Schloss in Weimar zeigt ihn als überlebensgroßen Krieger in den Himmel ragend. Der kräftige Körper fast eins mit dem muskulösen Pferd, lorbeerbekränzt das Haupt: ein weithin blickender Herrscher auf ernstem dunkelgrünen Stein. "Carl August" steht auf dem Sockel.
Dass dieser Großherzog ein ganz eigener und gar nicht steinerner Mann werden würde, dafür bürgten bei seiner Geburt am 3. September 1757 schon die vielsagenden Beinamen einiger seiner sächsischen Ahnen und Urahnen: Ernst der Fromme war darunter, aber auch Albrecht der Entartete und Friedrich der in die Wange Gebissene und Wilhelm der Schmackhafte. Seine Mutter, die Herzogin Anna Amalia, war früh verwitwet und setzte auf klassische Bildung. Trotzdem fühlte sich Carl August am wohlsten bei den Soldaten:
"Das zentaurische Leben die eine Hälfte des Tages, das menschliche die andere, amalgamiren sich so artig bei mir, dass es mir wohl tut",
schrieb er aus der Kaserne nach Hause. Zwei Mal, 1806 und 1813, brachen Krieg und Verwüstung in das zwar ständig überschuldete, ansonsten aber lieblich-kleinkrämerische Sachsen-Weimar-Eisenach. Mit Mut und Geschick überstand man die Angriffe der neuen Zeit, auch dank Carl Augusts Frau, der Herzogin Louise, die den Gift und Galle spuckenden Napoleon mit solcher Würde im Weimarer Schloss empfing, dass er die Residenz entgegen seiner ursprünglichen Absicht doch nicht niederbrannte.
Innenpolitisch lavierte Carl August zwischen liberalen Projekten und absolutistischer Praxis. Seine auf zahlreichen Reisen gewonnene Einsicht, dass wirtschaftlicher Aufschwung bürgerliche Freiheit braucht, hinterließ Spuren in der liberalen Verfassung des Großherzogtums von 1816. So richtig zur Blüte kamen aber weder der Staatsschatz noch die Demokratie. Professor Dr. Lothar Ehrlich von der "Klassik Stiftung Weimar":
"Die Schulden blieben. In vielerlei Hinsicht blieb es auch ein sehr rückschrittliches Staatswesen. Es blieb eben ein höfischer Staat mit aufgeklärten Projekten."
Dass Carl August auch ein trinkfester Konferenzlöwe sein konnte, bewies er auf dem Wiener Kongress 1815. In zähen Verhandlungen wuchs sein Land auf das Doppelte des früheren Gebiets und wurde Großherzogtum. Epoche aber machte etwas ganz anderes: Nämlich Carl Augusts Begabung für die Tugend der Freundschaft und sein weitsichtiger Mut, die Politik in den Dienst von Kunst und Kultur zu stellen, auch wenn er selbst kein Intellektueller wurde und dem Branntwein, der Zigarre, der Jagd und gebratenen Vögeln zugetan blieb. Seinem Freund schrieb er:
"Ach, wenn ich nur alle die Weisheit, die in den Büchern steht, die du mir geschickt hast, fressen könnte! Da wär ich gut dran, denn ich verzweifle, dass durch meine Augen ich sie in meinen Kopf werde bringen können."
Dieser Freund, mit dem er über ein halbes Jahrhundert durch dick und dünn ging, war natürlich niemand anders als Johann Wolfgang von Goethe. 1775, die beiden hatten einander ein Jahr zuvor kennen gelernt, holte der 18-jährige Carl August den damals gerade 25-jährigen Dichter Goethe als engsten Berater in seine Landesregierung. Das war ein verwegenes Stück – konnte es gut gehen? Lothar Ehrlich:
"Das waren ja zwei junge Leute und obwohl Goethe seine Sturm- und Drang- Zeit schon hinter sich hatte, ist es tatsächlich so gewesen, dass die beiden hier in Weimar und auch im Thüringer Wald ein sehr lockeres Leben führten, in der Ilm badeten, was die ältere Generation der deutschen Eliten, Schriftsteller und Künstler eben nicht verstanden."
Das Baden war nur die eine Seite. Hinzu kam ein bis zur Frömmigkeit jugendlich-ernstes Sichbeugen über den rätselhaften Stoff der Welt: Man beobachtete Pflanzen, experimentierte mit Elektrizität, man musizierte, literarisierte und machte eine Kulturpolitik, wie es sie in Deutschland nie wieder gab. Innerhalb weniger Jahre zogen Goethe und Carl August die großen Köpfe Deutschlands nach Weimar: die Dichter Herder, Schiller, Jean Paul, den Freiherrn von Knigge, die Philosophen Fichte, Schelling, Hegel und viele andere. Lothar Ehrlich:
"Schon um 1800 und in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts war Weimar ein europäischer Kommunikationsort. Ich finde, dass auch heutzutage die eigentliche Leistung Carls Augusts und Anna Amalias war, dass auf lange Zeit für die folgenden Jahrhunderte Weimar durch die produzierte Kultur und Wissenschaft ein solcher bürgerlicher Kommunikationsort geblieben ist."
Am 14. Juni 1828, nach dem Besuch einer Pferdezucht im sächsischen Torgau, im Land seiner Väter, drückte der politische Vater der deutschen Klassik zum letzten Mal seine Zigarre aus. Dann brach er zusammen und starb in den Armen eines Soldaten.
Dass dieser Großherzog ein ganz eigener und gar nicht steinerner Mann werden würde, dafür bürgten bei seiner Geburt am 3. September 1757 schon die vielsagenden Beinamen einiger seiner sächsischen Ahnen und Urahnen: Ernst der Fromme war darunter, aber auch Albrecht der Entartete und Friedrich der in die Wange Gebissene und Wilhelm der Schmackhafte. Seine Mutter, die Herzogin Anna Amalia, war früh verwitwet und setzte auf klassische Bildung. Trotzdem fühlte sich Carl August am wohlsten bei den Soldaten:
"Das zentaurische Leben die eine Hälfte des Tages, das menschliche die andere, amalgamiren sich so artig bei mir, dass es mir wohl tut",
schrieb er aus der Kaserne nach Hause. Zwei Mal, 1806 und 1813, brachen Krieg und Verwüstung in das zwar ständig überschuldete, ansonsten aber lieblich-kleinkrämerische Sachsen-Weimar-Eisenach. Mit Mut und Geschick überstand man die Angriffe der neuen Zeit, auch dank Carl Augusts Frau, der Herzogin Louise, die den Gift und Galle spuckenden Napoleon mit solcher Würde im Weimarer Schloss empfing, dass er die Residenz entgegen seiner ursprünglichen Absicht doch nicht niederbrannte.
Innenpolitisch lavierte Carl August zwischen liberalen Projekten und absolutistischer Praxis. Seine auf zahlreichen Reisen gewonnene Einsicht, dass wirtschaftlicher Aufschwung bürgerliche Freiheit braucht, hinterließ Spuren in der liberalen Verfassung des Großherzogtums von 1816. So richtig zur Blüte kamen aber weder der Staatsschatz noch die Demokratie. Professor Dr. Lothar Ehrlich von der "Klassik Stiftung Weimar":
"Die Schulden blieben. In vielerlei Hinsicht blieb es auch ein sehr rückschrittliches Staatswesen. Es blieb eben ein höfischer Staat mit aufgeklärten Projekten."
Dass Carl August auch ein trinkfester Konferenzlöwe sein konnte, bewies er auf dem Wiener Kongress 1815. In zähen Verhandlungen wuchs sein Land auf das Doppelte des früheren Gebiets und wurde Großherzogtum. Epoche aber machte etwas ganz anderes: Nämlich Carl Augusts Begabung für die Tugend der Freundschaft und sein weitsichtiger Mut, die Politik in den Dienst von Kunst und Kultur zu stellen, auch wenn er selbst kein Intellektueller wurde und dem Branntwein, der Zigarre, der Jagd und gebratenen Vögeln zugetan blieb. Seinem Freund schrieb er:
"Ach, wenn ich nur alle die Weisheit, die in den Büchern steht, die du mir geschickt hast, fressen könnte! Da wär ich gut dran, denn ich verzweifle, dass durch meine Augen ich sie in meinen Kopf werde bringen können."
Dieser Freund, mit dem er über ein halbes Jahrhundert durch dick und dünn ging, war natürlich niemand anders als Johann Wolfgang von Goethe. 1775, die beiden hatten einander ein Jahr zuvor kennen gelernt, holte der 18-jährige Carl August den damals gerade 25-jährigen Dichter Goethe als engsten Berater in seine Landesregierung. Das war ein verwegenes Stück – konnte es gut gehen? Lothar Ehrlich:
"Das waren ja zwei junge Leute und obwohl Goethe seine Sturm- und Drang- Zeit schon hinter sich hatte, ist es tatsächlich so gewesen, dass die beiden hier in Weimar und auch im Thüringer Wald ein sehr lockeres Leben führten, in der Ilm badeten, was die ältere Generation der deutschen Eliten, Schriftsteller und Künstler eben nicht verstanden."
Das Baden war nur die eine Seite. Hinzu kam ein bis zur Frömmigkeit jugendlich-ernstes Sichbeugen über den rätselhaften Stoff der Welt: Man beobachtete Pflanzen, experimentierte mit Elektrizität, man musizierte, literarisierte und machte eine Kulturpolitik, wie es sie in Deutschland nie wieder gab. Innerhalb weniger Jahre zogen Goethe und Carl August die großen Köpfe Deutschlands nach Weimar: die Dichter Herder, Schiller, Jean Paul, den Freiherrn von Knigge, die Philosophen Fichte, Schelling, Hegel und viele andere. Lothar Ehrlich:
"Schon um 1800 und in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts war Weimar ein europäischer Kommunikationsort. Ich finde, dass auch heutzutage die eigentliche Leistung Carls Augusts und Anna Amalias war, dass auf lange Zeit für die folgenden Jahrhunderte Weimar durch die produzierte Kultur und Wissenschaft ein solcher bürgerlicher Kommunikationsort geblieben ist."
Am 14. Juni 1828, nach dem Besuch einer Pferdezucht im sächsischen Torgau, im Land seiner Väter, drückte der politische Vater der deutschen Klassik zum letzten Mal seine Zigarre aus. Dann brach er zusammen und starb in den Armen eines Soldaten.