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Portugal
Beim Lisabonner Sparkurs geht die Post ab

Das hoch verschuldete Portugal hat mit seinen internationalen Geldgebern einen Sanierungsplan vereinbart, der auch die Privatisierung von Staatsbetrieben vorsieht. Nun muss die Regierung auch die staatliche Post privatisieren. Doch das Projekt ist umstritten. Weil weitere Stellen gekürzt und viele Filialen geschlossen werden.

Von Tilo Wagner | 26.11.2013
    Paulo Quaresma steht in einer kleinen Poststelle in Lissabon. Der Lokalpolitiker kennt die Räumlichkeiten nur allzu gut. Vor ein paar Monaten noch hatte er sich stundenlang in der Filiale verschanzt, um gegen deren Schließung zu protestieren:
    "Die Räumlichkeiten gehören der Post – sie zahlt also keine Miete. Und die Poststelle läuft gut, wir sind ja mitten in der Stadt und nicht irgendwo aufm Land, wo niemand mehr wohnt. Es gab also keinen Grund, die Poststelle zu schließen."
    Das sah die Geschäftsführung des Staatsbetriebes anders. In Vorbereitung auf die Privatisierung ließ die Post in den vergangenen Monaten Dutzende Filialen im ganzen Land schließen, um die Fixkosten zu senken und das Unternehmen attraktiver für Investoren zu machen. Durch einen Börsengang soll die Post in private Hand wechseln. Bis Anfang Dezember steigen Großinvestoren ein, dann wird die Post-Aktie am Kapitalmarkt zum ersten Mal gelistet. Der Staat behält bis Mitte des nächsten Jahres mindestens 30 Prozent der Aktien. Von dem Börsengang verspricht sich der für die Privatisierung zuständige Staatssekretär Sérgio Monteiro zwei wichtige Impulse:
    "Ich will nicht darüber spekulieren, woher die Investoren kommen. Uns ist wichtig, dass wir erstens den größtmöglichen Gewinn für den Staat einfahren, und zweitens der portugiesischen Börse neues Leben einhauchen."
    Über 500 Millionen Euro könnte der Verkauf des Staatsbetriebs einbringen: Das Geld wird dringend benötigt, um die Haushaltsziele zu erreichen, die mit der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank vereinbart wurden.
    Doch im Gegensatz zu vielen maroden Staatsunternehmen schreibt die Post seit Langem schwarze Zahlen. Der Generalssekretär der Gewerkschaft für Post und Telekommunikation, Victor Narciso, hält die Privatisierung deshalb für einen großen Fehler:
    "Obwohl der Service sich insgesamt verschlechtert hat, fährt die Post jedes Jahr Gewinne ein. In den letzten sechs bis sieben Jahren waren das über 300 Millionen Euro. Und das verstehe ich nicht: Warum verkaufen die eine Firma, die dem Staat Gewinne einbringt. Wenn der Staat Geld braucht, wenn er verschuldet ist und Zinsen zahlen muss, dann sollte er die Post behalten, damit er sich finanzieren kann."
    Kritiker werfen der Regierung vor, dass sie nur die Staatsbetriebe privatisiere, die sofort auf das Interesse von ausländischen Investoren stießen. Anstatt das Tafelsilber zu verschleudern, solle die Regierung sich lieber um Bereiche kümmern, die eine wirkliche Belastung für die Staatsfinanzen seien, zum Beispiel die Fluggesellschaft TAP oder andere öffentliche Transportfirmen.
    Die Privatisierung der Post ruft aber auch portugiesische Datenschützer auf den Plan. Die Regierung will im kommenden Jahr in vielen Filialen Anlaufstellen der öffentlichen Verwaltung einrichten. So sollen die Bürger etwa Anliegen, die die Sozialversicherung betreffen, künftig in der Post bearbeiten können. Was passiert aber mit den sensiblen Daten, wenn sich das Unternehmen nicht mehr in öffentlicher Hand befindet? Das fragt sich auch der Gewerkschaftsführer Victor Narciso:
    "Was passiert dann mit den Daten des Finanzministeriums? Oder des Verkehrsministeriums, das sich um die Führerscheinzulassung kümmert? Und was passiert mit den ganzen sensiblen Daten der Post? Also die gesamte topografische Erhebung Portugals, die Postleitzahlen, Straßennamen und Adressen? Wenn das alles in privater Hand liegt, ist nicht nur das Vertrauen der Bürgern gefährdet, sondern auch der Datenschutz im Allgemeinen."
    Die Post-Gewerkschaft will in den kommenden Wochen mit mehreren Streiks auf all diese Probleme aufmerksam machen. Die Privatisierung des 493 Jahre alten Staatsunternehmens wird sie damit wahrscheinlich aber nicht aufhalten können.