Der Besuch einer Delegation des EU-Parlaments in Lissabon war für die portugiesischen Medien die wichtigste politische Nachricht des Tages. Die neun Parlamentarier aus dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung wollen die Arbeit der Troika nicht nur in Portugal untersuchen, sondern auch in Griechenland, Zypern und Irland. Sie wollen überprüfen, wie die Aufsicht durch EU, dem Internationale Währungsfonds und der Europäische Zentralbank funktioniert. Hintergrund sind die Zweifel an den zum Teil drastischen Sparvorgaben. Manche gehen sogar soweit, Teile des Troika-Programms als rechtswidrig einzustufen. So wie der Abgeordnete der Linken, Jürgen Klute:
"Wer solche Maßnahmen durchsetzt, also Eingriff in Tarifautonomie, Absenkung von Mindestlöhnen, Absenkung von Renten, Absenkung von Löhnen, und so weiter, das sind ja alles massivste Eingriffe in soziale Strukturen. Und mindestens ist es so, dass das Europäische Parlament und die europäische Eben kann nicht unmittelbar Sozialrecht setzen, aber es ist ihr untersagt, bestehende Standards in den Mitgliedstaaten abzusetzen und zu unterlaufen und insofern haben sie natürlich schon bestehendes EU-Recht, sagen wir es mal wenigstens vorsichtig, tangiert."
Das Europäische Parlament überprüft deshalb in den kommenden Wochen, wie die Troika in den Schuldenländern gehandelt hat. Noch vor der Europawahl soll der Bericht fertig gestellt werden. Jürgen Klute hofft, dass sich an der Arbeit der Troika Grundlegendes ändert:
"Wie soll den zukünftlich mit solchen Reformprozessen umgegangen werden? Das ist ja die eigentliche Zielrichtung, die wir haben, also wenn in Zukunft solche Dinge noch einmal notwendig sind, dann auf einer parlamentarischen Basis, und das heißt Legitimierung und Kontrolle und Verantwortlichkeit der Akteure."
"Portugal darf einfach nicht scheitern"
Für das laufende Reform- und Sparprogramm in Portugal wird sich sehr wahrscheinlich nichts ändern. Schließlich will das Land finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen, wenn es im Juni, die letzte Rate aus dem 78 Milliarden schweren Rettungspaket überwiesen bekommt.
Und bislang hat die Lissabonner Regierung immer sehr gute Note bei der Umsetzung der vereinbarten Ziele bekommen. Im Gegensatz zu Griechenland. Der Politologe Pedro Adão e Silva bezweifelt jedoch, dass die Resultate in Portugal tatsächlich immer so positiv waren. Schließlich hätte die Troika dringend ein erfolgreiches Beispiel für ihre Politik gebraucht:
"Was haben wir denn aus diesen vergangenen zehn Troika-Berichten gelernt? Die Troika hat sich selbst evaluiert und hat es - nach dem Desaster in Griechenland - nicht zugelassen, dass in Portugal etwas falsch läuft. Selbst wenn die Umsetzung schlecht lief, waren die Noten immer positiv. Portugal darf einfach nicht scheitern. Das würde die EU nicht aushalten. Griechenland boykottiert ja und verhält sich in den Augen der EU eh schlecht und kann deshalb ruhig durchfallen, weil das ja dann der Fehler der Politiker in Athen ist. Aber wie soll denn bitte der Musterschüler Portugal durchfallen? Ein Musterschüler darf nicht scheitern."
Adão e Silva hat Zweifel, dass der Bericht der EU-Parlamentarier tatsächlich etwas auf europäischer Ebene bewegen werde. Die Evaluierung der Troika-Arbeit in Lissabon hält der Politikwissenschaftler dennoch für sehr wichtig:
"Das EU-Parlament ist in den Augen der Portugiesen zwar nicht die Institution mit der allerhöchsten Glaubwürdigkeit, aber dass jetzt eine dritte Instanz die Arbeit der Troika überprüft, finden die Portugiesen gut. Wir spüren hier die Notwendigkeit, jemanden für die Fehler der vergangenen Jahre zur Verantwortung ziehen zu können. Die Idee, dass es keine Schuldigen im Kreis der Troika gibt, ist fatal. Sie öffnet den Raum für populistische, extremistische und europafeindliche Kräfte. Und das sehen wir jetzt schon in ganz Europa."
Die EU-Parlamentarier hätten von Lissabon eigentlich direkt nach Athen weiterfliegen sollen, um die Arbeit der Troika in Griechenland zu untersuchen. Aus bisher nicht ganz eindeutigen Gründen hat die griechische Regierung die Reise der Abgeordneten jedoch kurzfristig wieder abgesagt.