"Es ist unwesentlich mehr als bei der ersten Wahl. Trotz des schönen Wetters."
"418… 419..."
Endlich Sonnenschein in Bregenz am Bodensee, der Hauptstadt des westlichsten österreichischen Bundeslandes Vorarlberg: Deutlich höhere Wahlbeteiligung als vor vier Wochen im "Wahllokal Nummer 1" im Alten Rathaus - für viele ist das ein wichtiger Tag mit einer wichtigen Abstimmung.
"Diese Wahl ist sehr konträr natürlich. Zwei konträre Kandidaten. Der eine bewegt vielleicht Veränderungen in Österreich und der andere macht das alte System so weiter. Und das wird Österreich heute entscheiden."
"Die Gefahr ist natürlich, wenn es einen Rechtsruck gibt, dass Österreich aus der EU austritt."
Hier der Ruf nach einem neuen starken Mann an der Staatsspitze, der was verändern soll, da die Angst vor eben diesem Mann, der als EU-kritisch gilt: Vor dem kleinen Wahllokal in der Bregenzer Altstadt könnten die Meinungen derjenigen, die dort ihr Kreuzchen gemacht haben, unterschiedlicher kaum sein. Immerhin geht es geht um das höchste Amt im Staat.
"Was meinst Du - wer wird heute gewählt? Ich glaube, das ist sehr schwierig, einzuschätzen."
Irene und Peter Vogler wohnen auf einer Anhöhe oberhalb der Vorarlberger Stadt Dornbirn. Von ihrem Balkon aus dort genießen sie den Blick über den östlichen Bodensee bis weit in die Nachbarländer Schweiz und Deutschland - und diskutieren über die Präsidentschaftswahl. Gewinnt der von den Grünen unterstützte Alexander van der Bellen oder der als Rechtspopulist geltende Kandidat Norbert Hofer von der FPÖ - eine Partei, die sie in Österreich auch "die Blauen" nennen? Letzteres könnte nach Ansicht vieler Unternehmer langfristig ein Ende der offenen Grenzen, der Personenfreizügigkeit gar, zu den EU-Nachbarländern mit sich bringen. Unternehmensberater Peter Vogler:
"Wir brauchen auch Saisonniers für den Tourismus. Wenn es hier Einschränkungen gibt, dass Ausländer hier arbeiten können und umgekehrt, dass der freie Waren- und Personenverkehr eingeschränkt wird wie in der Schweiz, dann wird das mit dem Wirtschaften in einer exportorientierten Wirtschaft schwieriger."
Egal, wer die Wahl gewinnen wird, eines steht für Peter Vogler bereits fest: Einzigartig ist diese Präsidentschaftswahl auf jeden Fall - und zwar in ganz Europa.
"Das wird ein historischer Schock sein, wenn es einen blauen Bundespräsidenten gibt. Aber auch wenn es einen von den Grünen unterstützen Bundespräsidenten gibt, ist das eine historische Stunde. Also ich kenne kein europäisches Land, das einen grünen Präsidenten hat."
"Also ich muss euch allen einen großes Kompliment machen, dass so viele zu uns ins ORF-Funkhaus kommen sind."
"50 zu 50 - da bin ich auch überrascht"
Volksfest-Atmosphäre an diesem Nachmittag rund um das Landesstudio Vorarlberg des Österreichischen Rundfunks. Dass der seit Langem geplante "Tag der offenen Tür" mit der Bundespräsidentenwahl zusammenfällt, ist Zufall. Plötzlich wird es ziemlich still auf dem Festgelände.
"Radio Vorarlberg Journal um fünf."
Endlich! Die Wahllokale sind geschlossen. Mit Spannung warten die Zuhörer auf die ersten Hochrechnungen, wollen endlich wissen, wer ihr nächster Präsident wird. Und dann?
"Noch ist nichts entschieden. Das Rennen ist ganz knapp und noch völlig offen."
"Auf ein Zehntel Prozent liegen beide Kandidaten gleich auf. Nämlich 50 Prozent. Eine Situation, die wir noch nie hatten."
"Ich hätte mit einem knappen Ergebnis gerechnet. Aber 50 zu 50 - da bin ich auch selber etwas überrascht", sagt Gerd Endrich, Chefredakteur des ORF-Landesstudios Vorarlberg. Bei der überraschenden Patt-Situation geht fast unter, dass in Vorarlberg selbst der Grünen-Kandidat Alexander van der Bellen gegenüber dem FPÖ-Bewerber Norbert Hofer deutlich gewonnen hat, ebenso wie in Tirol. Der Osten Österreichs, beispielsweise das Burgenland oder die Steiermark, ging dagegen an FPÖ-Mann Norbert Hofer. Der Osten wählt blau, will heißen FPÖ, der Westen eher grün:
"Das Thema Migration, Asyl, Einwanderungspolitik - das waren zentrale Themen in diesem Wahlkampf. Wir im Westen waren nicht so betroffen wie andere Bundesländer im Osten, wie Wien, die Steiermark und natürlich das Burgenland. Wir hatten nicht diese Bilder, wie es das Burgenland wochenlang vor Augen hatte mit den Flüchtlingen."
Norbert: gar nicht so rechts
In Wien melden sich derweil die Spitzenkandidaten zu Wort: Grünen-Kandidat Alexander van der Bellen gibt den Europa-Freund: "Was meine Person betrifft, werde ich in allen europäischen Hauptstädten freundlich empfangen werden."
Während FPÖ-Kandidat Norbert Hofer kundtut, dass er zwar ein Kleinbisschen rechts sei, aber nicht gar so rechts, wie das mancher immer wieder behaupten: "Das ist völlig absurd: Wenn man sich die Parteiprogramme zum Beispiel in Amerika der Republikaner anschaut, dann ist die FPÖ keine Partei, die ganz rechts steht. Also ich würde mich bezeichnen als Mitte-Rechts-Politiker mit großer sozialer Verantwortung."
Größer könnten die Unterschiede kaum sein in Österreich.
"Das Wahlergebnis ist 50 zu 50. Das heißt: Österreich ist immer noch gespalten. Und das andere Ding ist: Wenn der van der Bellen das gewinnen würde."
Wahlparty der Grünen abends im Stadtzentrum vom Bregenz: Engagiert diskutieren vor allem jugendliche Mitglieder das Patt der Wahl.
"Ich bibber sehr hart." Tara Romanes ist Anfang 20 - und überzeugte Europäerin: Sollte bei der Abstimmung FPÖ-Mann Hofer gewinnen, ginge, glaubt sie, ein falsches Signal von Österreich nach ganz Europa aus.
"Auch wenn wir jetzt in die Nachbarländer schauen, wo die AfD bei Wahlen ein hohes Ergebnis erzielt hat, genauso wie in Frankreich 2017 Marie Le Pen sehr gute Chancen hat. Ich denke, wir müssen gegen den Rechtsruck in unserer Gesellschaft etwas machen, egal, wer Bundespräsident wird."
Ja, aber wer wird es denn nun? Bis man es wirklich sicher weiß, kann es dauern, weiß der Vorarlberger ORF-Chefredakteur Gerd Endrich:
"Ich glaube, dass wir bis Montagabend warten müssen, bis die letzten Zettel ausgezählt sind."