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Präsidentschaftswahlkampf in Island
Turbulenzen um Panama-Papers beeinflussen Wahl

In Island ist die Empörung nach den Enthüllungen der Panama Papers immer noch groß. Der Skandal um die Offshore-Konten isländischer Politiker wirkt sich jetzt auch auf die bevorstehende Wahl des Präsidenten aus. Nach Enthüllungen in der eigenen Familie zog Amtsinhaber Ólafur Ragnar Grímsson seine Kandidatur zurück. Der Geschichtsprofessor Guðni Jóhannesson könnte sein Nachfolger werden.

Von Jessica Sturmberg |
    Bessastaðir ist der Amtssitz des Präsidenten von Island.
    Bessastaðir ist der Amtssitz des Präsidenten von Island. (Deutschlandradio/Jessica Sturmberg)
    Sævar Örn Kristjánsson ist pensionierter Ingenieur. Zurzeit ist er oft in der Wahlkampfzentrale von Guðni Jóhannesson und engagiert sich als ehrenamtlicher Wahlkampfhelfer.
    Er ruft Landsleute in kleineren Orten außerhalb Reykjavíks an, um sie auf Veranstaltungen von Guðni Jóhannesson in ihrer Gegend aufmerksam zu machen.
    "Guðni und ich waren zehn Jahre lang Nachbarn hier in Reykjavík. Und als er sich zur Kandidatur entschied, habe ich beschlossen alles zu tun, damit Guðni unser nächster Präsident wird."
    Die Chancen stehen gut für den Geschichtsprofessor der Universität Island, die Wahl zu gewinnen. Guðni Jóhannesson führt in sämtlichen Umfragen mit großem Abstand: Um die 57 Prozent werden ihm derzeit zugerechnet. Insgesamt stehen neun Kandidaten zur Wahl, darunter vier Frauen. Die Turbulenzen rund um die Panama-Papers hatten bereits Auswirkungen auf die Wahl. Amtsinhaber Ólafur Ragnar Grímsson wollte eigentlich ein sechstes Mal kandidieren, zog dann aber zurück. Der Name seiner Frau ist auch in den Panama-Unterlagen aufgetaucht.
    Diskussion um Funktion des Präsidenten
    Historiker Guðni Jóhannesson war in den ersten Tagen nach den Enthüllungen vor gut zwei Monaten ein gefragter Experte in den Medien. Nun ist er selbst zum Akteur geworden. Seiner Ansicht nach brauche es jetzt ein Staatsoberhaupt, das nicht wie Grímsson ursprünglich aus der Politik kommt, im Zweifel aber dennoch als Korrektiv zum Parlament handeln sollte.
    "Der Präsident sollte außerhalb der Parteien stehen. Er sollte sich im alltäglichen Politikgeschäft und in die Debatten auch nicht einmischen. Aber es kann Situationen geben bei wirklich großen, wegweisenden Entscheidungen für das Land, dass der Präsident ein Gesetz nicht ratifiziert und stattdessen eine Volksabstimmung herbeiführt. Wenn er den Eindruck hat, dass es nicht der Wille des Volkes ist. Natürlich nur in Ausnahmefällen. Aber es hat sich in den vergangenen Jahren in drei so Volksabstimmungen gezeigt, dass die Isländer bei sehr kontroversen Gesetzen mitbestimmen wollen."
    Guðni Th Jóhannesson, Professor für moderne Geschichte, Universität Island
    Guðni Th Jóhannesson, Professor für moderne Geschichte, Universität Island (Deutschlandradio/Jessica Sturmberg)
    Mit diesem Standpunkt schaltet sich Jóhannesson in eine derzeit heiß diskutierte Debatte in Island ein: Eine Änderung der seit 1944 gültigen Verfassung mit einer genaueren Definition zur Rolle des Präsidenten. Momentan verfügt der jeweilige Amtsinhaber theoretisch bereits über einigen Spielraum. Doch vor Präsident Ólafur Ragnar Grímsson hat dies keiner seiner Vorgänger genutzt und das Amt jeweils repräsentativ ausgeübt. Der scheidende Grímsson allerdings hat das im Laufe seiner 20-jährigen Amtszeit geändert.
    Der pensionierte Ingenieur Sævar Örn Kristjánsson wird nicht müde, seine Landsleute von Guðni Jóhannesson zu überzeugen. Doch immer wieder hat er auch Anhänger des größten Gegners im Kampf um das Präsidentenamt, Davið Oddsson, in der Leitung und dann ist das Gespräch oft schnell zu Ende.
    "Das war ein David-Anhänger."
    Davíð Oddsson auf einer Wahlveranstaltung.
    Davíð Oddsson auf einer Wahlveranstaltung. (Deutschlandradio/Jessica Sturmberg)
    Gute Chancen für Guðni Jóhannesson
    Der frühere Chef der Unabhängigkeitspartei und langjährige Ex-Ministerpräsident, liegt in den Umfragen mit rund 20 Prozent an zweiter Stelle. Als die Krise 2008 ausbrach, die Banken verstaatlicht werden mussten, war er Zentralbankchef und trat damals auf großen Druck vieler aufgebrachter Isländer zurück. Derzeit ist der 68-jährige Chefredakteur der traditionsreichen Tageszeitung Morgunblaðið. Oddsson hat vor allem auf dem Land eine große Anhängerschaft, punktet mit EU-kritischen Äußerungen:
    "Wir wollen nicht unsere Selbständigkeit und Souveränität aufs Spiel setzen. Die Regierungschefs in den verschiedenen Ländern sind hinter dem Rücken der Menschen dabei, Stück für Stück die EU in einen Staat zu verändern. Sie glauben, dass sei notwendig um den Kampf mit China, Putin und den Vereinigten Staaten bestehen zu können. Sie machen es aber nicht in Zusammenarbeit mit dem Volk, verhalten sich hinterlistig. Wir sollten nicht in ein brennendes Haus hineingehen."
    Oddsson ist der Europa-kritischste Kandidat. Ganz anders als der mit rund zwölf Prozent drittstärkste Aspirant, Schriftsteller Andri Snær Magnason, beliebt vor allem bei Künstlern und Naturschützern.
    Andri Snær Magnason, Schriftsteller
    Andri Snær Magnason, Schriftsteller (Deutschlandradio/Jessica Sturmberg)
    Für die Isländer ist die Wahl am 25. Juni eine erste Richtungsentscheidung nach der Panama-Papers-Affäre.Viel deutet heute darauf hin, dass der Historiker Guðni Jóhannesson gewinnen könnte. Ihm kommt wohl zugute, dass er als Kandidat gilt, der versucht den Konsens zu pflegen, und sich dabei mit zugespitzten Aussagen eher zurückhält.