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Preußens Glanz und Gloria

Ein Blick auf die preußische Geschichte darf das Jahr 1933 und die Folgen nicht aussparen. Und doch wird Preußen mittlerweile eine eigene Geschichte zugestanden, die sich nicht nur als Vorgeschichte zur deutschen Katastrophe lesen lässt. Ganz nüchtern zeigt das der Geschichtsjournalist Uwe A. Oster.

Von Tom Goeller |
    Preußens Glanz und Gloria waren einst sprichwörtlich. Im deutschen Alltag davon übrig geblieben ist die lateinische Form des Namens Preußen – Borussia – bei den Fußballclubs Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach. Und der Militärmarsch mit dem Titel "Preußens Gloria" wird bis heute gerne im Kölner Karneval gespielt, um sich über den einstigen preußischen Militarismus lustig zu machen. Dabei wurde "Preußens Gloria" 1871 von Gottfried Piefke ausgerechnet in jenem Jahr komponiert, in dem das neue Deutsche Kaiserreich gegründet wurde und von dem der Autor Uwe Oster meint, dass damals der Staat Preußen aufgehört hat, zu existieren.

    Was an Osters Zeitreise in das alte Preußen gefällt, sind die zahlreichen menschlichen Begegnungen. Er erzählt nicht nur die Geschichte des Herrscherhauses Hohenzollern, sondern genauso die Schicksale von Untertanen und von den Unbilden, unter denen sie litten. Oster arbeitet daran anschaulich heraus, was denn das Besondere an Preußen war, damals, als Preußen begann.

    Zur allgemeinen Wehrpflicht, die 1733 eingeführt wurde, berichtet er zum Beispiel:

    "Die Dienstpflicht ruhte weitgehend auf den bäuerlichen Untertanen. Schon als Kinder wurde ein Teil von ihnen enrolliert, das heißt in die Stammrolle eines Regiments aufgenommen. Als äußeres Zeichen trugen sie ein rotes Halstuch und einen roten Federbüschel am Hut. Sobald sie das wehrdienstfähige Alter erreicht hatten, wurden sie eingezogen."

    Dies hatte, so Oster, nicht nur negative Auswirkungen für die bäuerlichen Soldaten, sondern:

    "Der Gutsherr hatte nicht mehr die alleinige Gewalt über sie – als Soldaten hatten sie dem König nicht nur zu dienen, sondern standen auch unter seinem Schutz und seiner Gerichtsbarkeit."

    Was die Justiz angeht, beschritt Preußen ebenfalls völlig neue Wege. Insbesondere unter Friedrich dem Großen, der 1740 auf den Königsthron folgte, hat sich Preußen zu einem Rechtsstaat entwickelt, der damals einzigartig war. Geprägt hat Friedrich den Großen die französische Philosophie der Aufklärung, aber auch das Gleichheitsprinzip der damals aufkommenden Freimaurer, denen er als Großmeister in Preußen vorstand. Unter diesem Einfluss verkündete er, dass nunmehr "gleiches Recht für alle" zu gelten habe:

    "In diesem Klima war für die Folter als Mittel der Wahrheitsfindung kein Platz mehr. Ihre Abschaffung am 3. Juni 1740, nur drei Tage nach seinem Regierungsantritt, ist zu Recht als bedeutende Leistung des Königs gewürdigt worden. (Ebenso) wurde die Zahl der Verbrechen, bei denen die Todesstrafe verhängt wurde, drastisch reduziert."

    Beim Phänomen der Einwanderung, die in der deutschen Politik heute mit dem Fachbegriff "Migration" verschleiert wird, zeigten die brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Könige im 17. und 18. Jahrhundert eine solch moderne Sichtweise, dass sie bis heute ihresgleichen sucht. Denn nicht nur die in Frankreich verfolgten Hugenotten fanden Zuflucht in Preußen, sondern Oster weist darauf hin, dass es auch Salzburger Bauern waren, Wiener Juden, Friesen, Niederländer, - daher das "Holländische Viertel" in Potsdam – Litauer, Polen, Böhmen, sogar katholische Iren, die vor britischer Unterdrückung flohen. Diese Einwanderer dichteten das geflügelte Bonmot:

    "Preuße wird man nur aus Not, ist man's geworden, dankt man Gott."

    Was die religiöse Gottesanschauung angeht, so überragte die Toleranz des alten Fritz gegenüber Ausländern offenbar sogar das Verständnis vieler heutiger Zeitgenossen haushoch, oder besser gesagt minaretthoch:

    "Die Religionen müssen alle toleriert werden. Hier muss jeder nach seiner Fasson selig werden. Und wenn die Türken und Heiden kämen und wollten das Land bevölkern, so wollen wir ihnen Moscheen und Kirchen bauen."

    In der preußischen Armee dienten Protestanten verschiedenster Richtungen, Katholiken, Russisch-Orthodoxe und Muslime, denen Friedrich der Große Gebetsräume und Gebetszeiten zugestand. Heute müssen solche Selbstverständlichkeiten von damals vor Gericht erstritten werden. Anhand von Osters Buch erfährt man eindrucksvoll, welche Rückschritte Deutschland machte, nachdem der Staat Preußen untergegangen war. Wohl weil vor allem die alliierten Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg den Staat Preußen explizit mit der Begründung auflösten, er sei ...

    " ... seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen."

    Wurden im Nachkriegsdeutschland sämtliche Werte, die damit verbunden waren, in Bausch und Bogen verworfen, um sie heutzutage mühsam wieder zu entdecken. "Üb immer Treu und Redlichkeit" spielte dereinst der Glockenturm der Potsdamer Garnisonskirche. Sie wurde bezeichnenderweise nach 1945 von den Kommunisten gesprengt.

    Der Geschichtsjournalist Oster hat sein Buch hervorragend gegliedert. Es ist leicht lesbar, bietet zahlreiche Beispiele aus dem Alltag und hat dennoch Tiefgang. Ein idealer Einstieg für alle, die mit Preußen bisher wenig oder nicht vertraut sind, zumal er Zitate und Gedanken vorbildlich im Anhang dokumentiert hat.

    Tom Goeller war das über: Uwe A. Oster: Preußen - Geschichte eines Königreichs. Das Buch hat 384 Seiten, ist im Piper Verlag erschienen und kostet 22,95 Euro