Architektursommer (3/4)
Stadt und Nicht-Stadt Schweiz
Ein fiktiver Dialog von und ein Gespräch mit Jacques Herzog
(Teil 4 am 27.07.2014)
Anfang der 1960er Jahre machte sich in der Schweiz steigender Wohlstand bemerkbar, die individuelle Mobilität veränderte die Landschaft: Wohnsiedlungen und Einfamilienhausquartiere machten aus traditionellen Dörfern Agglomerationsgemeinden. In der Schweizer Zeitschrift WERK - bauen+wohnen aus dem Jahr 1961 veröffentlichte der Schweizer Soziologe Lucius Burkhardt in Form eines inneren Dialogs Gedanken zu dieser Entwicklung: Als hätte er zwei Seelen in seiner Brust, argumentierte er sowohl für wie auch gegen diese ländlichen - oder eben nur scheinbar ländlichen - Wohnformen und verglich sie mit dem Wohnen in der Stadt. Lucius Burkhardts Gedanken zu „Wo und wie wohnen wir morgen“ ging auf eine Einladung des Schweizer Radios zurück, ein Gespräch über Neue Formen des Wohnens zu führen. Daraus wurde ein fiktiver Dialog. Der Schweizer Architekt Jacques Herzog, zusammen mit Pierre de Meuron seit 1978 Inhaber des Architekturbüros Herzog & de Meuron in Basel, übernimmt heute die Form des fiktiven Gesprächs. Er thematisiert die Schweiz nach der Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative im Februar 2014, die das Land spaltete: Als Folge der starken Zuwanderung war in den letzten Jahren ein erhöhter Siedlungsdruck auf alle städtischen Typologien feststellbar: auf die Stadt, auf die Agglomeration, und auf das Dorf. Abstimmungsanalysen zeigten, dass das knappe Ja zur Annahme der Initiative nur möglich war, weil in den Agglomerationen eine konservative, migrationskritische Mehrheit heranwächst. Jacques Herzog lässt als fiktive Gesprächspartner einen Stadtbewohner und einen Nicht-Stadtbewohner, den er „Agglo“ nennt, gegeneinander antreten, um so Argumente, Scheinargumente, Vorurteile, Klischees, Lösungsansätze und Ausweglosigkeit zum Ausdruck zu bringen.
Für Essay & Diskurs überführen wir Jacques Herzogs Text wiederum in einen Radiodialog. Ein kurzes Gespräch mit dem Basler Architekten ergänzt den Diskurs über Migration und Urbanität.
Jacques Herzog, geboren 1950, Studium der Architektur an der ETH Zürich, gründete mit Pierre de Meuron 1978 das legendäre Architekturbüro Herzog & de Meuron in Basel. Sie bauten gemeinsam u.a. das Fußballstadium Allianz-Arena München, das Olympiastadion Peking, den Prada Store Aoyama Tokio, den Erweiterungsumbau der Tate Gallery London, das Vitra Haus Weil am Rhein, das Kulturzentrum Forum 2004 Barcelona, die Elbphilharmonie in Hamburg sowie zahlreiche Bauten in der Schweiz.