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Prostitution in Frankreich
Bestrafung der Freier wieder ungewiss*

1.500 Euro Strafe sollten Freier zahlen, wenn sie die Dienste von Prostituierten in Anspruch nehmen. Ende 2013 sah es so aus, als würde das Gesetz bald entsprechend geändert. Jetzt wird die Initiative wieder diskutiert - und komplett in Frage gestellt.

Von Christiane Kaess |
    Eine Prostituierte sitzt an einer Metro-Station in Paris.
    Das Gesetz drängt die Prostituierten in Frankreich in den Untergrund, kritisiert die Gewerkschaft der Sexarbeiter. (picture-alliance / dpa / Simon Daval)
    In der nördlichen Region Pas de Calais prangt an einer Straße der Gemeinde La Madeleine ein Schild: Eine kleine Videokamera ist darauf zu sehen – daneben steht in schwarzen Lettern: "Kunden von Prostituierten – hier werdet ihr gefilmt". Offenbar in vorauseilendem Gehorsam will die Kommune mögliche Freier abschrecken.
    Zwar sah im Dezember tatsächlich alles danach aus, dass die Initiative von Ministerin Najat Vallaud-Belkacem, Kunden von Prostituierten zu bestrafen, schnell Gesetz werden würde. Nach der Entscheidung der extra dafür eingerichteten Kommission im Senat, die heftig umstrittene Passage zu streichen, wird der Entwurf aber neu diskutiert.
    Maitresse Gilda, der Sprecher der Gewerkschaft für Sexarbeiter freut sich. Jegliche Form von Straftat, wie es bisher auch das Anwerben von Kunden war, sei kontraproduktiv, meint der junge Mann, der für seine Arbeit als Prostituierte in Frauenkleider schlüpft:
    "Man drängt damit die Prostituierten in den Untergrund – man macht sie verletzbar, weil sie der Polizei entkommen müssen. Sie gehen raus aus den Stadtzentren, sie arbeiten in den nahen Wäldern oder an Orten, die unsicher sind."
    Kunden blieben aus
    Allein die Aussicht, dass Freier bestraft werden könnten, zeige bereits Wirkung, berichten andere Prostituierte. Die Kunden blieben aus. Die Sorge steigt, viele von ihnen müssten aus finanziellem Zwang auf teurere, aber auch gefährlichere Praktiken ausweichen - wie den ungeschützten Geschlechtsverkehr.
    Hinzu kommt, dass es in der Praxis kaum möglich ist, einen Kunden zu bestrafen. Die Polizei müsste ihn in flagranti erwischen. Heißt also, die Polizisten müssten uns ins Zimmer begleiten – amüsieren sich manche Prostituierte. Nicht oder kaum in die Öffentlichkeit wagen sich diejenigen, die zur Prostitution gezwungen werden. Für die Ministerin für Frauenrechte ist das die Mehrheit. Und um die geht es ihr vor allem:
    "Ich war enorm bewegt von den Frauen, die der Prostitution entkommen sind, und die mir ihre Geschichten erzählt haben. Über die Gewalt und die Bewährungsproben, ein neues Leben zu gestalten. Alles das hat mich davon überzeugt, dass jetzt die Zeit zum Handeln gekommen ist."
    Deshalb beinhaltet ihr Gesetzesentwurf auch Hilfestellung, der Prostitution zu entkommen. In den Gängen und Büros der Nationalversammlung ist es heiß. Die Sommerpause naht, aber die Agenda der Parlamentarier ist noch voll – keine Chance für das Gesetz zur Prostitution, vor Herbst noch einmal auf die Agenda zu kommen.
    Schuldigkeit von der Prostituierten auf den Täter übertragen
    Maud Olivier, Abgeordnete der Sozialisten, war als Berichterstatterin für den Gesetzesentwurf der Ministerin zuständig. Sie betont, wie wichtig ihr der gestrichene Teil des Gesetzestextes ist, der den Kunden für das Geschäft mit dem Sex bestraft und nicht mehr, wie bisher, die Prostituierte:
    "Wir müssen das so machen, dass sich die Kunden bewusst werden, dass sie Komplizen der Zuhälter sind, denn sie halten mit ihrem Geld das Netz der Zuhälterei und des Menschenhandels aufrecht. Sie müssen aufhören, Komplizen zu sein und sich dessen bewusst werden."
    Die Schuldigkeit von der Prostituierten auf den Täter übertragen. Um das zu erreichen sieht der Gesetzentwurf auch vor, dass der sogenannte Kundenfang für Prostituierte nicht mehr, wie bisher, strafbar ist. In der Praxis wurde dies ohnehin immer weniger geahndet. Jean-Pierre Godefroy von den Sozialisten, der die im Senat extra eingerichtete Kommission leitet, findet aber genau diese Neuerung unlogisch:
    "Auf der einen Seite schaffen wir den Straftatbestand des Kundenfangs ab und lassen damit die Prostitution zu. Auf der anderen Seite wollen wir die Leute bestrafen, die sexuelle Dienste in Anspruch nehmen. Das ist unverständlich."
    "Wackliges Gesetz, das keinen Sinn macht"
    So zitiert ihn die Zeitung "Libération". Die Abgeordnete der Nationalversammlung, Maud Olivier, bleibt nach der Entscheidung der Kommission, die umstrittene Textpassage zu streichen, dennoch gelassen. Es sei immerhin noch möglich, dass eine Mehrheit im Senat sich für die Version entscheide, die die Nationalversammlung bereits verabschiedet hat und nicht für die gekürzte Form der Kommission. Und nach der Senatsentscheidung muss der Text – wie immer er dann aussehen mag – wieder zurück in die Nationalversammlung:
    "Die Parlamentarier dort werden sicher die Bestrafung des Kunden einer Prostituierten wieder auf die Tagesordnung setzen. Sonst wäre das ein wackeliges Gesetz, das keinen Sinn macht."
    Ebenso zuversichtliche gibt sich die Ministerin für Frauenrechte selbst und lässt wissen: Der Kampf um einen ausgewogenen und effizienten Text gegen das System der Prostitution und des Menschenhandels geht weiter.
    * Anmerkung der Redaktion: Wir haben die ursprüngliche Überschrift des Online-Artikels geändert, da sie so verstanden werden konnte, als ob die Entscheidung bereits gefallen sei.