Cwiertnia war bis vor drei Tagen selbst in dem Land, eigentlich im Urlaub, als die Proteste begannen.
Es gebe Brände und Plünderungen, die Lage sei unübersichtlich. Regierungsnahe Sender würden von Protesten rechter Vandalen sprechen, sagte sie. Allerdings deuteten von ihr geführte Interviews und ausgewertete Videos darauf hin, dass die Gewalt von der Regierung ausgehe. Manche der Opfer seien "mit Schusswaffen erschossen worden, die nur die Polizei hat". Dennoch könne sie Gewalttaten auch von Seiten der Protestierenden nicht ausschließen.
"Wenn jemand einen Opa schlägt, dann reicht's"
Entzündet hatten sich die Proteste an einer geplanten Rentenkürzung von fünf Prozent, erklärte Cwiertnia. Als dann ein Video auftauchte, in dem Regierungsanhänger einen Rentner zusammenschlagen, hätten sich auch Studenten den Protesten ihrer Großelterngeneration angeschlossen. "Wenn jemand einen Opa schlägt, dann reicht's", habe einer der Befragten zu ihr gesagt, erzählte Cwiertnia.
Die Jugend habe allerdings eine eigene Agenda. Sie verstehe sich nicht als rechts oder links, sondern fordere die Einhaltung der versprochenen Demokratie, unter anderem das Recht auf freie Meinungsäußerung. Zudem sei es auch ein Generalprotest: "Ich glaube, dahinter steckt wirklich eine ganz alte Wut auf die Regierung."
Daniel Ortega, früher ein linker Revolutionär
Daniel Ortega war Ende der 1970er-Jahre selbst am Sturz des damaligen Diktators Anastasio Somoza Debayle und in den 80er-Jahren am Wiederaufbau Nicaraguas beteiligt. Er verstehe sich nach wie vor als Linker, sagte Laura Cwiertnia. Inzwischen sei er aber eher ein autoritärer Populist mit einem großen Portfolio an Firmen, darunter Tankstellen, Krankenhäuser und Fernsehsender.
"Ich würde sagen, dass von dieser linken, sozialen Ideologie nicht mehr so viel übrig ist", sagte Cwietnia.
Angst um die Macht
Ob diese Proteste zum Sturz Ortegas führen werden, sei schwer einzuschätzen. Allerdings bange Ortega um seine Macht und die seiner Frau, der Vizepräsidentin. Das erkenne man daran, dass der sonst sehr zurückgezogene Herrscher seit Beginn der Proteste schon mehrere Ansprachen gehalten habe. Und er habe einen Dialog angeboten.
Viele Protestierende seien dem aber eher abgeneigt, berichtete Cwiertnia: "Viele wollen ihn jetzt wirklich absetzen."