Eine Protestkundgebung in der mit Slums übersäten Stadtregion Brasilandia von Sao Paulo. Inmitten der Demonstranten befindet sich auch Bischof Angelico Sandalo Bernardino:
"Wir müssen uns organisieren, überall – gegen das Fehlen von öffentlichen Transportmitteln, von Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, gegen die Korruption, die Polizeigewalt","
ruft der Kirchenmann den Menschen zu.
""Ein Großteil der Gelder dient nicht sozialen Zwecken, sondern fließt in die Vorbereitung der Fußballweltmeisterschaft, der olympischen Sommerspiele. Der Aufschrei des Volkes wird den Gouverneur, die Abgeordneten, die hohen Politiker aufwecken – damit sie sich endlich dem Volke zuwenden und deren Alltagsproblemen."
Dann stimmt Bernardino einen auch aus anderen Ländern Lateinamerikas sehr bekannten Sprechchor an: "Das vereinte Volk ist unbesiegbar!"
Die Demonstration liegt mehr als ein Dreivierteljahr zurück. Journalisten großer Medienhäuser suchte man damals vergebens. Landesweite, befreiungstheologisch geprägte Protestaktionen der Katholischen Kirche, darunter ungezählte Arbeitergottesdienste in den Kathedralen, der "Aufschrei der Ausgeschlossenen" am Nationalfeiertag, die Wochen des Protestes gegen katastrophale Zustände im Sozialbereich – all das gibt es seit vielen Jahren. Und es fand fast durchweg unter Ausschluss der Medienöffentlichkeit statt.
Nicht zu vergessen die alljährlichen landesweiten Brüderlichkeitskampagnen der brasilianischen Bischofskonferenz. Die Kampagne von 2012 war just dem prekären Gesundheitswesen Brasiliens gewidmet, forderte tief greifende Verbesserungen und stellte zahlreiche konkrete Forderungen. Die finden sich jetzt auf Plakaten der gegenwärtigen Demonstrationen wieder. 2011 konzentrierte sich die bischöfliche Kampagne auf die Umweltzerstörung, schlechte Lebensbedingungen, darunter den unterentwickelten öffentlichen Nahverkehr – das Jahr zuvor ging es um mehr öffentliche Sicherheit. Auch dies eine der jetzigen Hauptforderungen. Der Kampf gegen die starke Staats-und Regierungskorruption war stets Hauptthema seit dem Amtsantritt von Präsident Lula im Jahr 2003.
Waldemar Rossi leitet die Arbeiterseelsorge in der Erzdiözese Sao Paulo. Seit der Diktaturzeit organisiert er Demonstrationen und Protestaktionen mit. Stets hat er dazu Sozialbewegungen wie die Landlosenbewegung MST, oppositionelle Parteien und Menschenrechtsorganisationen mit ins Boot geholt. Mitglieder dieser Gruppierungen brachten auch die gegenwärtige Protestwelle ins Rollen. Rossi kann nur lachen über Regierungs- und Medienanalysen, wonach die heutigen Forderungen aus dem Nichts gekommen sein sollen.
"Für die Medien", sagt Rossi, ist das alles eigenartig,
"für mich, für uns von der Kirche überhaupt nicht. Ohne Führung, ohne ein Netzwerk von Organisatoren wäre das alles nicht losgegangen. Wir haben seit Langem gemerkt, wie es im Volke brodelte."
Derweil üben sich die Medien des Landes in Selbstkritik: "Der größte Fehler der Journalisten und der Meinungsumfragen war, die zunehmende Unzufriedenheit nicht bemerkt zu haben", analysiert die Qualitätszeitung "O Globo".
Nur noch zehn Prozent der Demonstranten in Sao Paulo haben Sympathien für Staatspräsidentin Dilma Rousseff – "Weg mit Dilma" steht auf vielen Transparenten. Gegen Ex-Präsident Lula wird erstmals sogar heftig vor dessen Wohngebäude in Sao Bernardo do Campo protestiert. "Lula – das Krebsgeschwür von Brasilien. Ermittelt gegen den Chef der Bande!" – ist auf Spruchbändern zu lesen.
Waldemar Rossi von der Arbeiterseelsorge, der Lula seit 1970 sehr gut kennt und früher sogar zur Parteispitze der Arbeiterpartei PT gehörte, hat ihn stets als einen Mann des Systems bezeichnet:
"Lula gehörte nie zur Linken, war stets ein Konservativer, wollte einfach persönlich Karriere machen. Er ergriff die Chance, stieg auf – und verpasste danach sowohl der brasilianischen Linken als auch den brasilianischen Sozialbewegungen, ganz gleich ob Landlosen oder Studenten, einen Tritt in den Hintern. Die Welt, die er für sich erträumt, ist die eines Reichen, eines Privilegierten. Lula biederte sich stets bei jenen an, die die wirtschaftliche Macht haben."
Die Kritik, die sich in den gegenwärtigen Demonstrationen Luft macht, bringt Luis Antonio Lopes auf den Punkt. Er leitet die bischöfliche Slum-Seelsorge in Rio de Janeiro und organisiert ebenfalls seit Jahren Protestaktionen:
"Wie kann man denn eine Fußballweltmeisterschaft und olympische Sommerspiele in einem Land veranstalten, das solche enormen sozialen Kontraste aufweist?"
"Wir müssen uns organisieren, überall – gegen das Fehlen von öffentlichen Transportmitteln, von Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, gegen die Korruption, die Polizeigewalt","
ruft der Kirchenmann den Menschen zu.
""Ein Großteil der Gelder dient nicht sozialen Zwecken, sondern fließt in die Vorbereitung der Fußballweltmeisterschaft, der olympischen Sommerspiele. Der Aufschrei des Volkes wird den Gouverneur, die Abgeordneten, die hohen Politiker aufwecken – damit sie sich endlich dem Volke zuwenden und deren Alltagsproblemen."
Dann stimmt Bernardino einen auch aus anderen Ländern Lateinamerikas sehr bekannten Sprechchor an: "Das vereinte Volk ist unbesiegbar!"
Die Demonstration liegt mehr als ein Dreivierteljahr zurück. Journalisten großer Medienhäuser suchte man damals vergebens. Landesweite, befreiungstheologisch geprägte Protestaktionen der Katholischen Kirche, darunter ungezählte Arbeitergottesdienste in den Kathedralen, der "Aufschrei der Ausgeschlossenen" am Nationalfeiertag, die Wochen des Protestes gegen katastrophale Zustände im Sozialbereich – all das gibt es seit vielen Jahren. Und es fand fast durchweg unter Ausschluss der Medienöffentlichkeit statt.
Nicht zu vergessen die alljährlichen landesweiten Brüderlichkeitskampagnen der brasilianischen Bischofskonferenz. Die Kampagne von 2012 war just dem prekären Gesundheitswesen Brasiliens gewidmet, forderte tief greifende Verbesserungen und stellte zahlreiche konkrete Forderungen. Die finden sich jetzt auf Plakaten der gegenwärtigen Demonstrationen wieder. 2011 konzentrierte sich die bischöfliche Kampagne auf die Umweltzerstörung, schlechte Lebensbedingungen, darunter den unterentwickelten öffentlichen Nahverkehr – das Jahr zuvor ging es um mehr öffentliche Sicherheit. Auch dies eine der jetzigen Hauptforderungen. Der Kampf gegen die starke Staats-und Regierungskorruption war stets Hauptthema seit dem Amtsantritt von Präsident Lula im Jahr 2003.
Waldemar Rossi leitet die Arbeiterseelsorge in der Erzdiözese Sao Paulo. Seit der Diktaturzeit organisiert er Demonstrationen und Protestaktionen mit. Stets hat er dazu Sozialbewegungen wie die Landlosenbewegung MST, oppositionelle Parteien und Menschenrechtsorganisationen mit ins Boot geholt. Mitglieder dieser Gruppierungen brachten auch die gegenwärtige Protestwelle ins Rollen. Rossi kann nur lachen über Regierungs- und Medienanalysen, wonach die heutigen Forderungen aus dem Nichts gekommen sein sollen.
"Für die Medien", sagt Rossi, ist das alles eigenartig,
"für mich, für uns von der Kirche überhaupt nicht. Ohne Führung, ohne ein Netzwerk von Organisatoren wäre das alles nicht losgegangen. Wir haben seit Langem gemerkt, wie es im Volke brodelte."
Derweil üben sich die Medien des Landes in Selbstkritik: "Der größte Fehler der Journalisten und der Meinungsumfragen war, die zunehmende Unzufriedenheit nicht bemerkt zu haben", analysiert die Qualitätszeitung "O Globo".
Nur noch zehn Prozent der Demonstranten in Sao Paulo haben Sympathien für Staatspräsidentin Dilma Rousseff – "Weg mit Dilma" steht auf vielen Transparenten. Gegen Ex-Präsident Lula wird erstmals sogar heftig vor dessen Wohngebäude in Sao Bernardo do Campo protestiert. "Lula – das Krebsgeschwür von Brasilien. Ermittelt gegen den Chef der Bande!" – ist auf Spruchbändern zu lesen.
Waldemar Rossi von der Arbeiterseelsorge, der Lula seit 1970 sehr gut kennt und früher sogar zur Parteispitze der Arbeiterpartei PT gehörte, hat ihn stets als einen Mann des Systems bezeichnet:
"Lula gehörte nie zur Linken, war stets ein Konservativer, wollte einfach persönlich Karriere machen. Er ergriff die Chance, stieg auf – und verpasste danach sowohl der brasilianischen Linken als auch den brasilianischen Sozialbewegungen, ganz gleich ob Landlosen oder Studenten, einen Tritt in den Hintern. Die Welt, die er für sich erträumt, ist die eines Reichen, eines Privilegierten. Lula biederte sich stets bei jenen an, die die wirtschaftliche Macht haben."
Die Kritik, die sich in den gegenwärtigen Demonstrationen Luft macht, bringt Luis Antonio Lopes auf den Punkt. Er leitet die bischöfliche Slum-Seelsorge in Rio de Janeiro und organisiert ebenfalls seit Jahren Protestaktionen:
"Wie kann man denn eine Fußballweltmeisterschaft und olympische Sommerspiele in einem Land veranstalten, das solche enormen sozialen Kontraste aufweist?"