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Prozess gegen Hoeness
Steuerexperte: "Überraschung möglich"

Uli Hoeneß' Selbstanzeige sei die komplizierteste, die je vor Gericht gelandet ist, sagte der Ex-Steuerfahnder und Buchautor Frank Wehrheim im DLF. Er könne sich vorstellen, dass es trotz der Höhe der Steuerschulden zu einem überraschenden Urteil komme.

Frank Wehrheim im Gespräch mit Silvia Engels |
    Der Präsident des FC Bayern München Uli Hoeneß steht am 12.03.2014 zwischen seinen Anwälten als Angeklagter im Gerichtssaal des Landgerichts München II in Bayern.
    Uli Hoeneß steht wegen Steuerhinterziehung vor Gericht. (picture alliance / dpa / Marc Müller)
    Silvia Engels: Am Telefon mitgehört hat Frank Wehrheim. Er war früher selbst Steuerfahnder in Frankfurt am Main und hat mehrere Bücher über das Ringen zwischen Steuerbetrügern einerseits und Ermittlern andererseits geschrieben. Da ging es auch immer wieder um die Rolle der Banken. Guten Morgen, Herr Wehrheim.
    Frank Wehrheim: Guten Morgen!
    Engels: Wir haben den Beitrag gerade gehört. Sie können natürlich auch nicht in die Haut des Richters schlüpfen. Aber aus aktuellem Anlass: Wie ist denn Ihre Einschätzung, ob nun diese Selbstanzeige gültig war oder nicht?
    Wehrheim: Das ist zumindest die komplizierteste Selbstanzeige, die wohl je vor Gericht gelandet ist. Und deswegen glaube ich, dass es auch hoch kompliziert ist. Aber ich glaube, wir werden heute alle eine Überraschung erleben. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Selbstanzeige zumindest in den strafrechtlich relevanten Jahren greift und es zu einem überraschenden Urteil trotz der Höhe der Steuerschulden kommt, weil es durchaus sein kann, dass der Großteil der nachzuzahlenden Beträge in verjährten Zeiträumen liegt.
    Engels: Das könnte dann dafür sprechen, dass man vielleicht doch auf eine Bewährungsstrafe für Uli Hoeneß hinauskommt?
    Wehrheim: Ja, das kann durchaus in diese Richtung gehen. Das ist dann schwer zu verstehen, aber möglich ist es.
    Engels: Nun ist es ja so, dass gerade bei dieser Selbstanzeige die Verteidigung sagt, die Zahlen seien alle erwähnt, aber man habe halt die Spalte, wie viel Steuerschuld sich daraus ergebe, noch nicht ausfüllen können, weil einfach Unterlagen gefehlt haben. Ist das eigentlich bei Steuerverfahren und auch bei solchen Selbstanzeigen üblich?
    Wehrheim: Na ja, bei der Selbstanzeige muss man erst mal eines sehen: Die ist wahrscheinlich mit der heißen Nadel gestrickt. Am Anfang waren die Werte mit Sicherheit nicht auf dem Tisch. Dass das hoch kompliziert zu berechnen ist, hat die Aussage der Fahnderin gestern gezeigt. Die sagt, wenn ich zugunsten von Hoeneß rechne, komme ich so bei roundabout 27 Millionen raus. Das ist aber sehr günstig gerechnet. Das heißt, es gibt mehrere Berechnungsmöglichkeiten. Das ist so kompliziert von den Geldanlagen, von der Art der Geldanlagen, was dahinter steht, ob das intransparente Fonds sind. All das ist hoch kompliziert und deswegen ist die Berechnung schwierig. Das heißt nicht, dass die Zahl, die jetzt zugrunde liegt, richtig ist. Das ist ein wirklich überaus komplizierter Sachverhalt und die Leute, die die Selbstanzeige für Hoeneß gemacht haben, die nur zwei Tage Zeit hatten, wenn man das in den Medien verfolgt, die haben mit Sicherheit damals nur Schätzungen eingereicht. Und das hat eben lange gedauert, um das zu berechnen.
    Engels: Warum trauen Sie dann doch nicht so sehr dem Argument der Staatsanwaltschaft, die ja sagt, dass nun diese Selbstanzeige unter Druck erfolgen musste, ist nicht unser Problem, sondern eine solche Selbstanzeige muss vollständig sein?
    Wehrheim: Das Argument ist sicher nicht richtig. Zu mir kommen ja auch Leute, damit ich Selbstanzeigen mache.
    Engels: Sie sind jetzt auch als Steuerberater tätig?
    Wehrheim: Ich bin jetzt auch als Steuerberater tätig. – Wenn es so ist, dass Sie eine Selbstanzeige unter solchen Gesichtspunkten, dass die Unterlagen fehlen – das dauert Monate, bis die da sind aus der Schweiz. Ein Mandant kommt zu mir und sagt, ich will eine Selbstanzeige machen. Dann sage ich ihm, ich brauche die Unterlagen. Bis die Unterlagen dann aus dem Ausland da sind, hängt natürlich von der Art der Anlage, der Kapitalanlage ab. Aber das dauert Monate, bis Sie die Selbstanzeige so erstellt haben. Und wenn Sie die Zeit nicht haben, weil vielleicht – und das unterstelle ich bei Hoeneß – droht, dass da entweder Daten gekauft sind oder Daten in irgendeiner Form in dem Fall an Journalisten durchgegeben wurden. Und Sie haben nur Zeitdruck, dann müssen Sie die Selbstanzeige so hoch schätzen, dass kein Problem auftritt. Dieses so hoch schätzen meint aber den strafrechtlichen Teil. Der muss abgesichert sein. Nicht der dann noch erfolgende steuerliche Teil. Und das ist das, was teilweise hier in den Diskussionen für mich nicht richtig rausgestellt wird.
    Engels: Das heißt, wenn die Gesamtsumme der Steuerschuld ungefähr so hoch geschätzt war, dann kann man schon damit davon kommen, dann akzeptieren so etwas auch die Gerichte nach Ihrer Erfahrung?
    Wehrheim: Wenn die Gesamtsumme des strafrechtlich relevanten Teils – soweit mir bekannt ist, war die ja mit irgendwas bei drei Millionen wohl geschätzt -, wenn die Gesamtsumme in dem strafrechtlich relevanten Teil, das heißt, das sind nur die ersten fünf Jahre, das sind hier die Jahre vielleicht, sagen wir mal, 2007 bis 2011 oder so, wenn diese Gesamtsumme von den Anwälten und Steuerberatern von Hoeneß richtig angegeben wurde, dann wird es für das Gericht schwer, ihn zu verurteilen.
    Engels: Schauen wir einmal auf die Rolle der Banken, denn das ist ja auch ein Metier, mit dem Sie sehr viel in Ihrer Zeit als Steuerfahnder zu tun hatten. Die Verteidigung von Uli Hoeneß hat ja erklärt, selbst erst spät von der Schweizer Bank von Hoeneß die vollständig bearbeiteten Daten bekommen zu haben. Ist das denn glaubwürdig, ist das Realität?
    Wehrheim: Das ist Realität, was da teilweise in der Schweiz passiert. Und nun hat Hoeneß sicher über das Geld, sagen wir mal, weitgehend bestimmt, weil er sich aktiv eingemischt hat. Vielen Leuten ist von Schweizer Banken mit Geldanlagen vieles passiert, was die Banken selbstständig gemacht haben. Die Leute haben eigentlich nur entschieden, mit welcher Risikobereitschaft sie Anlagen tätigen wollen. Viele meiner Mandanten merken erst jetzt, wie viel Geld sie auch beispielsweise an Banken verloren haben, an Gebühren, weil die hin- und hergebucht haben und Dinge angelegt haben. Die Rolle der Banken ist für mich sehr fragwürdig.
    Engels: Auch in diesem Fall hat die Privatbank von Hoeneß, Vontobel heißt sie, offenbar mitverdient durch die ganzen Transaktionen. Welche Verantwortung für den Steuerbetrug muss sich eine solche Bank in diesem Fall zurechnen lassen?
    Wehrheim: Da wird nicht darüber geredet, aber natürlich ist das irgendwo Beihilfe. Da ist vieles spannend im Fall Hoeneß. Mich würde interessieren, wie waren die Gelder angelegt, waren die tatsächlich auf den Namen Hoeneß angelegt, oder steckte dahinter vielleicht eine Stiftung, ein Trust. Und eine weitere Frage, weil das auch immer von Hoeneß angesprochen wurde: Er wollte ja steuerehrlich werden mit der Amnestie, also mit dem Schweizer Abkommen. Und wenn das Schweizer Abkommen gegriffen hätte, hätte der Staat Deutschland niemals diese Millionen gesehen, die jetzt beispielsweise im Prozess rauskommen. Dann sieht man mal, was das Abkommen wert gewesen wäre.
    Engels: Noch kurz zum Schluss. Es gab ja auf der anderen Seite großen Druck auch auf die Banken, ehrlicher und transparenter zu sein, nicht zuletzt durch Steuer-CDs. Wäre ein Fall Hoeneß mit Blick auf die strengeren Blicke auf die Banken heute noch möglich?
    Wehrheim: Das ist so eine Frage. Ich bin mir ziemlich sicher, dass nicht unbedingt vielleicht in der Schweiz, aber woanders das immer noch geht.
    Engels: Vielen Dank! – Das war der frühere Steuerfahnder und heutige Steuerberater und Buchautor Frank Wehrheim. Wir ordneten mit ihm den Fall Hoeneß ein und die Rolle der Banken. Vielen Dank für das Gespräch.
    Wehrheim: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.