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Psychologie hinter Hasskommentaren
"Ignorieren hilft nicht"

Wie geht man gegen Hass im Netz vor? Ihn nicht zu beachten oder einfach zu verbieten helfe nicht, sagte die Psychologin Dorothee Scholz im Deutschlandfunk. Hasskommentare seien ein Symptom für eine gesellschaftliche Entwicklung, die es auch ohne Internet gebe.

Dorothee Scholz im Gespräch mit Bettina Köster |
    Stilisierter Mensch sitzt am Computer, von dem aus sich wirre Leitungen verhaken.
    Wer Hasskommentare im Netz verfasst, tut das nicht unbedingt anonym - verdeckt bleiben hingegen häufig die Beweggründe, die hinter dem Hass stehen, sagt Dorothee Scholz. (imago/Ikon Images)
    Viele Hasskommentare im Internet würden nicht anonym geschrieben, sondern unter Klarnamen gespostet, erklärt die Psychologin und bezieht sich dabei auf eine Studie aus dem vergangenen Jahr von Rost, Stahel und Frey Außerdem beobachteten Forscher im Internet immer wieder den Effekt der Enthemmung, weil viele ihr Gegenüber im Internet nicht so sehr als menschliches Gegenüber wahrnähmen.
    Hinter der Äußerung von Hasstiraden stecke häufig ein irrationales Bedrohungsgefühl, das sich aus Vorurteilen gegenüber bestimmten Menschengruppen entwickelt habe, sagt Scholz. MRT-Studien hätten gezeigt: Wenn Menschen fremde Gruppen als nicht kompetent und nicht nützlich im wirtschaftlichen Sinne wahrnähmen, dann seien die für Empathie zuständigen Hirnregionen nicht aktiv. Insofern sei die Wahrnehmung dieser Gruppen entmenschlicht.
    Die Forschungslage über hatespeech sei insgesamt vorrangig deskriptiv. Der Sozialpsychologe Andreas Zick habe bereits 2011 darauf aufmerksam gemacht, dass Angst Islamophobie und Fremdenfeindlichkeit schürt.
    Angst- und Defizitgefühle ernster nehmen
    Umfragen von Meinungsforschungsinstituten hätten außerdem gezeigt, dass zwei Drittel der Internet-User bereits mit Hasskommentaren in Berührung gekommen sind. Viele Betroffene seien deshalb psychisch sehr belastet.
    Um ein anderes Gesprächsklima im Internet zu schaffen, sollte man nach Ansicht von Scholz die Angst- und Defizitgefühle, die viele Menschen haben, ernster nehmen. Wichtig sei auch, ihnen demokratische Beteiligungsmöglichkeiten aufzuzeigen. So könne der Diskurs langsam entgiftet werden.
    Anmerkung der Redaktion: Diese Zusammenfassung des Gesprächs ersetzt die erste Version des Textes. Komplett hören können Sie das Gespräch durch Klick auf "Hören" oben auf dem Foto.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.