Berlin, Innenstadt, tausende Radfahrer sind unterwegs, sei es privat oder auf dem Weg zur Arbeit. Egal, wen man anspricht: Sie alle können ein Lied singen vom Stress mit den Falschparkern.
"Jeden Tag stehen hier auf diesem Radfahrstreifen Falschparker und ich habe auch zwei Kinder und erlebe das sehr oft, dass die dann in den Fließverkehr ausscheren müssen, das ist schon sehr unangenehm." - "Gerade in der Straße hier, auf dem Fahrradweg stehen die Falschparker. Und dann hat man praktisch nichts davon. Schade drum, man muss in den Verkehr einfädeln, das ist gefährlich." - "Falschparken ist ein bisschen lästig. Wenn jetzt in der zweiten Reihe die Leute parken, als Fahrradfahrer ist das dann nicht so einfach." -"Ich finde, dass seitdem die Fahrradschutzstreifen ständig zugeparkt sind, es sich eigentlich noch verengt anstatt verbessert hat."
Autofahrer "oft ohne Problembewusstsein"
Viele Radfahrer haben längst resigniert: Sie empfinden Autos, die im Weg stehen, als lästigen Alltag - an dem sie aber kaum etwas ändern können. Denn Versuche, die Autofahrer darauf anzusprechen, bleiben oft fruchtlos:
"Also meistens unfreundliche Reaktionen oder Schulterzucken, da gibt es eigentlich kein Problembewusstsein." - "In der Regel platzen die Leute; Aggression ... also man hat da eher noch Angst, dass man wirklich noch eins übergezogen bekommt." – "Wie formulieren Sie Ihr Anliegen denn?" – "Immer höflich, also nicht ausfallend, und trotzdem wird man als Organspender beschimpft und sonst was. Also es sind schon wirklich krasse Fronten muss ich sagen."
Mit der Aktionswoche gegen "Falschparker" wollen die Initiative "Clevere Städte" und der Verkehrsclub Deutschland das ändern. Die Waffen der Aktivisten: Papier und Smartphones. Was sie damit vorhaben, erklärt Heinrich Strößenreuther in der Oranienstraße in Berlin-Kreuzberg, einem der Orte, an dem die Aktion schwerpunktmäßig stattfindet.
Autofahrer soll merken, dass er "Scheiße gebaut hat"
"Wir werden heute ganz massiv Falschparker anzeigen, mit der Wegeheld-App, das ist eine Falschparker-App, kostenlos bei iPhone, Android runterzuladen, auf der Seite wegeheld.org und dem Twitteraccount "Das muss weg" kann man die Ergebnisse nachher sehen - Straßenscharf mit Fotos, mit geschwärztem Nummernschild. Ergänzend haben wir eine kleine Visitenkarte, der Autofahrer soll ja auch heute schon merken, dass er Scheiße gebaut hat und andere behindert, Staus verursacht, gefährliche Situationen."
Entlang der Oranienstraße, einer zweispurigen Straße mit vielen Lokalen und kleinen Geschäften, zieht einen Handvoll Aktivisten los. Die zahlreichen Pkw, die links und rechts entlang der Straße parken, stehen alle im Halteverbot. Sie bekommen jetzt kleine blaue Pappkärtchen unter den Scheibenwischer gesteckt. Darauf steht: "Ich bin hier, weil Sie schlecht stehen! Das hat mich geärgert, behindert und gefährdet: Ich habe WegeAlarm ausgelöst. Gucken Sie doch mal nach unter www.wegeheld.org, denn Ihr Auto ist jetzt berühmt!"
Kritik an zu niedrigem Bußgeld
In mehreren Online-Medien prangern die Aktivisten so per Foto oder Video Falschparker an. Und sie machen noch mehr mit den Bildern. Heinrich Strößenreuther:
"Diese Posts werden auch dem Ordnungsamt zugeschickt, also als Anzeige, als Bürger-Anzeige, und das Ordnungsamt wird dann entsprechend Bußgelder ausstellen und das den Autofahrern und Lkw-Fahrern nach Hause schicken."
Die Aktionswoche richtet sich allerdings auch gegen diese Bußgelder. Denn die sind den Aktivisten viel zu niedrig. Schließlich kostet Falschparken deutschlandweit in den meisten Fällen gerade mal 15 bis 35 EUR. Die Bußgelder sollten deshalb deutlich erhöht werden, fordert Heinrich Strößenreuther:
"Hundert Euro mindestens, das ist der Durchschnitt auf EU-Niveau."
In diversen Städten in ganz Deutschland läuft die Falschparker-Aktionswoche noch bis Sonntag. Mit vielen öffentlichkeitswirksamen Manövern: etwa Luftballons, die Falschparker an die Außenspiegel gehängt bekommen oder Lastenfahrrädern, die Autos zuparken. Auch mit direkter Ansprache versuchen es die Aktivisten immer wieder. So zum Beispiel Jan-Michael Ihl am Heinrichplatz in Kreuzberg. Am Morgen habe ein Fahrer sogar absichtlich auf ihn zugesteuert, als er ihn ansprach, das da sei ein Radweg und kein Parkplatz. Diesmal läuft es besser: Ein roter VW-Bus stellt sich hinter einen Kleinwagen mitten auf den gestrichelten Fahrradschutzstreifen.
Nach Rückzbzug hinein ins absolute Halteverbot
"Guten Tag, Sie wissen, dass Sie hier nicht stehen dürfen!? - Ich fahr weg gleich. - Dann fahren Sie doch bitte gleich weg, stellen Sie sich doch gar nicht erst hin. Ich stell mich doch auch nicht bei Ihnen vor die Einfahrt. - Wenn ich da drüben stehe ..."
Der Fahrer verteidigt sich zwar, er wolle nur kurz was zu dem Laden schräg über die Straße bringen, parkt dann aber doch um. Er stellt sich zwanzig Meter weiter hin. Ausgerechnet ins absolute Halteverbot neben eine Bushaltestelle. Noch vor ein paar Minuten hätten die Aktivisten ihm auch dort ein Kärtchen unter den Scheibenwischer geklemmt. Doch jetzt ist ihre Aktion vorbei, sie radeln nach Hause oder zur Arbeit. Gerade mal eine Stunde hat das Ganze gedauert. Morgen geht es weiter.