"Wann das genau angefangen hat, das kann ich gar nicht sagen."
Angela Neumeier ist 32 Jahre alt und Patientin der Klinik am Korso in Bad Oeynhausen.
"Ich weiß auch nicht, was der Auslöser war. Es kam schleichend. Erst kam bei mir das Übergewicht und dann irgendwann die Bulimie. "
Sie leidet seit 20 Jahren unter der Krankheit und hat eine überaus enge Beziehung zu ihr entwickelt, die Trennung fällt schwer.
"Es ist, wie man so schön sagt, diese gute Freundin, das ist ein Begleiter, es gehört einfach dazu. Man kann sich das irgendwann einfach nicht mehr vorstellen: Man möchte raus, aber dann so zu überlegen, alles, was ich esse, auch in mir zu behalten, das ist eine Vorstellung, die fiel mir sehr schwer."
"Das zentrale Merkmal der Bulimia nervosa, wie wir sie nennen, man sagt gern 'Essbrechsucht', ist, Essattacken zu haben, und irgendetwas zu unternehmen, um durch diese Essattacken nicht übermäßig zuzunehmen."
Der Leiter der Klinik am Korso mit ihren 92 stationären Betten Professor Thomas Huber ist Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Ernährungsmedizin.
"Betroffene haben eine immense Angst, übergewichtig zu werden, obwohl sie meist normalgewichtig sind, und deswegen versuchen sie, ihre Essattacken auszugleichen, durch Erbrechen nach dem Essen, durch übermäßiges Sporttreiben, durch Hungern zwischen den Essattacken und ähnliche Maßnahmen."
Das Problem ist oft, dass die Krankheit gar nicht so leicht zu erkennen ist. Die Diagnose ist schwer zu stellen.
"Das ist in der Tat gar nicht so leicht, weil die Bulimie auch gern als die 'heimliche' Krankheit bezeichnet wird und Betroffene oft nach außen hin sehr kompetent und gesund wirken. Wenn sie es nicht von selbst erzählen, kann man es manchmal an Dingen bemerken wie Speicheldrüsenschwellung, die durch das ständige Erbrechen entstehen, durch Veränderung der Blutsalze, durch körperliche Folgeschäden, Zahnschäden und Ähnliches."
"Da war ich so im Teenageralter, zwischen 16 und 19. Da hab ich mich Freunden anvertraut. Was kann das für Konsequenzen haben, was hab ich genau, was sind das für Auslöser- ich habe mich nie damit auseinandergesetzt. Anfangs konnte ich es noch steuern, nur ein bis zwei Mal die Woche, dann wurde es immer mehr, immer mehr und irgendwann war eigentlich, dass ich gar nichts mehr gegessen habe. Und da kam auch die Verzweiflung."
Nur wenn eine Patientin - wie Angela Neumeier - von sich aus Hilfe sucht, gibt es Möglichkeiten für den Therapeuten, einzugreifen, den selbstzerstörerischen Verlauf zu bremsen, den Betroffenen zur Erkenntnis und somit zur Besserung zu leiten. Zunächst sei es wichtig, überhaupt mit den Erkrankten ins Gespräch zu kommen, so Thomas Huber.
"Das ist für Betroffene oft sehr entlastend, die häufig sich sehr schämen und niemandem von ihrer Erkrankung erzählen. Wenn das erreicht ist, dass eine Einigkeit besteht: jemand hat eine Bulimie, dann kann man schauen, was ist die sinnvollste Behandlung zurzeit."
Zunächst stünde eine ambulante Psychotherapie an und die Behandlung der körperlichen Begleiterscheinungen wie zum Beispiel den Kaliummangel. Die stationäre Behandlung gehöre zu den sinnvollsten Mitteln, wenn ein Wechsel des Lebensmilieus erforderlich und hilfreich sei.
"Grundsätzlich das mit dem Wegkommen ist wirklich schwierig, weil es einfach etwas ist, was man sich antrainiert hat. Ich denke, man kann das nicht sagen auf einzelne Therapien, wir haben hier ja das Konzept mit der Gruppentherapie, Gestaltungstherapie, Körpertherapie und plötzlich wird einem ganz viel klar."
Körpertherapie ist dabei wohl die schwierigste Übung: Sich mit seinem eigenen Körper beschäftigen, ihn entdecken und annehmen. Vor allem die Frage nach dem Warum, warum habe ich die Essstörung, beschäftigt die Patienten.
"Warum hat man ein mangelndes Selbstbewusstsein, was kann man dafür tun, weil ich hab in einem ambulanten Vorgespräch die Frage gestellt bekommen: Was können Sie gut. Ich konnte diese Frage nicht beantworten und das ist jetzt hier meine Suche."
"Ganz vordergründig geht es darum, gut genug zu sein. Menschen mit einer Bulimia nervosa haben oft ein Gefühl, sie seien als Mensch nicht so in Ordnung, wie sie sind, und unternehmen viel. Das bezieht sich nicht nur auf Figur und Gewicht - um besser zu sein oder zu wirken. Das kann man umfassend schon so sagen, aber die ganz persönlichen Unterschiede sind so individuell, wie wir Menschen es sind."
Thomas Huber führt nicht nur ein gestörtes Selbstwertgefühl an, das häufig bei Bulimikern anzutreffen sei. Nicht ohne Grund beginnt für viele Patienten das Leiden während der einsetzenden Pubertät, einer Zeit des Umbruchs.
"Oft geht es dahinter noch um viel grundlegendere Dinge: Identität, wer bin ich eigentlich, bin ich so, wie ich bin, in Ordnung und darf ich meine eigenen Wünsche und Interessen vertreten."
Bei dieser Suche zu helfen, das ist vordringlichste Aufgabe einer Behandlung. Das große Problem ist aber die Zeit nach der stationären Behandlung. Wie anhaltend ist die Wirkung, wie kann man dem berüchtigten "Drehtüreffekt" entkommen?
"Es ist tatsächlich so, dass das Erreichte in einer stationären Therapie nicht automatisch mit nach Hause genommen wird. In der Klinik am Korso haben wir deshalb einige Dinge: Wir versuchen, die Situation zuhause gut vorzubereiten, zum Beispiel zum Ende der Behandlung in einer Wohngemeinschaft zu sein, das gleiche Therapieprogramm zu haben. Aber: ein Kühlschrank, der gefüllt ist, was eine große Herausforderung für jemanden mit einer Bulimie ist, zu haben in der Wohnung, selber Essen zuzubereiten, zu bestimmten Mahlzeiten, sich gut zu versorgen. Zu diesem Konzept zählt zum Beispiel auch, eine Beurlaubung nach Hause, um auszuprobieren, geht es auch dort, wenn es hier gut läuft. Wir nennen das ein Realitätstraining."
Angela Neumeier ist 32 Jahre alt und Patientin der Klinik am Korso in Bad Oeynhausen.
"Ich weiß auch nicht, was der Auslöser war. Es kam schleichend. Erst kam bei mir das Übergewicht und dann irgendwann die Bulimie. "
Sie leidet seit 20 Jahren unter der Krankheit und hat eine überaus enge Beziehung zu ihr entwickelt, die Trennung fällt schwer.
"Es ist, wie man so schön sagt, diese gute Freundin, das ist ein Begleiter, es gehört einfach dazu. Man kann sich das irgendwann einfach nicht mehr vorstellen: Man möchte raus, aber dann so zu überlegen, alles, was ich esse, auch in mir zu behalten, das ist eine Vorstellung, die fiel mir sehr schwer."
"Das zentrale Merkmal der Bulimia nervosa, wie wir sie nennen, man sagt gern 'Essbrechsucht', ist, Essattacken zu haben, und irgendetwas zu unternehmen, um durch diese Essattacken nicht übermäßig zuzunehmen."
Der Leiter der Klinik am Korso mit ihren 92 stationären Betten Professor Thomas Huber ist Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Ernährungsmedizin.
"Betroffene haben eine immense Angst, übergewichtig zu werden, obwohl sie meist normalgewichtig sind, und deswegen versuchen sie, ihre Essattacken auszugleichen, durch Erbrechen nach dem Essen, durch übermäßiges Sporttreiben, durch Hungern zwischen den Essattacken und ähnliche Maßnahmen."
Das Problem ist oft, dass die Krankheit gar nicht so leicht zu erkennen ist. Die Diagnose ist schwer zu stellen.
"Das ist in der Tat gar nicht so leicht, weil die Bulimie auch gern als die 'heimliche' Krankheit bezeichnet wird und Betroffene oft nach außen hin sehr kompetent und gesund wirken. Wenn sie es nicht von selbst erzählen, kann man es manchmal an Dingen bemerken wie Speicheldrüsenschwellung, die durch das ständige Erbrechen entstehen, durch Veränderung der Blutsalze, durch körperliche Folgeschäden, Zahnschäden und Ähnliches."
"Da war ich so im Teenageralter, zwischen 16 und 19. Da hab ich mich Freunden anvertraut. Was kann das für Konsequenzen haben, was hab ich genau, was sind das für Auslöser- ich habe mich nie damit auseinandergesetzt. Anfangs konnte ich es noch steuern, nur ein bis zwei Mal die Woche, dann wurde es immer mehr, immer mehr und irgendwann war eigentlich, dass ich gar nichts mehr gegessen habe. Und da kam auch die Verzweiflung."
Nur wenn eine Patientin - wie Angela Neumeier - von sich aus Hilfe sucht, gibt es Möglichkeiten für den Therapeuten, einzugreifen, den selbstzerstörerischen Verlauf zu bremsen, den Betroffenen zur Erkenntnis und somit zur Besserung zu leiten. Zunächst sei es wichtig, überhaupt mit den Erkrankten ins Gespräch zu kommen, so Thomas Huber.
"Das ist für Betroffene oft sehr entlastend, die häufig sich sehr schämen und niemandem von ihrer Erkrankung erzählen. Wenn das erreicht ist, dass eine Einigkeit besteht: jemand hat eine Bulimie, dann kann man schauen, was ist die sinnvollste Behandlung zurzeit."
Zunächst stünde eine ambulante Psychotherapie an und die Behandlung der körperlichen Begleiterscheinungen wie zum Beispiel den Kaliummangel. Die stationäre Behandlung gehöre zu den sinnvollsten Mitteln, wenn ein Wechsel des Lebensmilieus erforderlich und hilfreich sei.
"Grundsätzlich das mit dem Wegkommen ist wirklich schwierig, weil es einfach etwas ist, was man sich antrainiert hat. Ich denke, man kann das nicht sagen auf einzelne Therapien, wir haben hier ja das Konzept mit der Gruppentherapie, Gestaltungstherapie, Körpertherapie und plötzlich wird einem ganz viel klar."
Körpertherapie ist dabei wohl die schwierigste Übung: Sich mit seinem eigenen Körper beschäftigen, ihn entdecken und annehmen. Vor allem die Frage nach dem Warum, warum habe ich die Essstörung, beschäftigt die Patienten.
"Warum hat man ein mangelndes Selbstbewusstsein, was kann man dafür tun, weil ich hab in einem ambulanten Vorgespräch die Frage gestellt bekommen: Was können Sie gut. Ich konnte diese Frage nicht beantworten und das ist jetzt hier meine Suche."
"Ganz vordergründig geht es darum, gut genug zu sein. Menschen mit einer Bulimia nervosa haben oft ein Gefühl, sie seien als Mensch nicht so in Ordnung, wie sie sind, und unternehmen viel. Das bezieht sich nicht nur auf Figur und Gewicht - um besser zu sein oder zu wirken. Das kann man umfassend schon so sagen, aber die ganz persönlichen Unterschiede sind so individuell, wie wir Menschen es sind."
Thomas Huber führt nicht nur ein gestörtes Selbstwertgefühl an, das häufig bei Bulimikern anzutreffen sei. Nicht ohne Grund beginnt für viele Patienten das Leiden während der einsetzenden Pubertät, einer Zeit des Umbruchs.
"Oft geht es dahinter noch um viel grundlegendere Dinge: Identität, wer bin ich eigentlich, bin ich so, wie ich bin, in Ordnung und darf ich meine eigenen Wünsche und Interessen vertreten."
Bei dieser Suche zu helfen, das ist vordringlichste Aufgabe einer Behandlung. Das große Problem ist aber die Zeit nach der stationären Behandlung. Wie anhaltend ist die Wirkung, wie kann man dem berüchtigten "Drehtüreffekt" entkommen?
"Es ist tatsächlich so, dass das Erreichte in einer stationären Therapie nicht automatisch mit nach Hause genommen wird. In der Klinik am Korso haben wir deshalb einige Dinge: Wir versuchen, die Situation zuhause gut vorzubereiten, zum Beispiel zum Ende der Behandlung in einer Wohngemeinschaft zu sein, das gleiche Therapieprogramm zu haben. Aber: ein Kühlschrank, der gefüllt ist, was eine große Herausforderung für jemanden mit einer Bulimie ist, zu haben in der Wohnung, selber Essen zuzubereiten, zu bestimmten Mahlzeiten, sich gut zu versorgen. Zu diesem Konzept zählt zum Beispiel auch, eine Beurlaubung nach Hause, um auszuprobieren, geht es auch dort, wenn es hier gut läuft. Wir nennen das ein Realitätstraining."