"Das gibt einen kleinen Pieks, das kann ein bisschen brennen, geht aber sofort weg." Die Untersuchungsmethode Biopsie - der Begriff stammt aus dem Griechischen "Bios" für "Leben" sowie "opsis" für "Sehen". "Die Biopsie ist für Internisten, Chirurgen, Radiologen absolut unverzichtbar. Wir haben viele Fälle, wo wir nur mit der Biopsie eine Klärung der Diagnose erreichen können; sie ist ein sehr sicheres Verfahren geworden und es ist eigentlich in unserem Standardrepertoire der Diagnostik."
Bei einer Biopsie wird eine Gewebeprobe aus dem Körper entnommen, um genauere Informationen über krankhafte Prozesse in Organen zu erhalten. Anschließend untersucht ein Pathologen das Material, meist histologisch, also feingeweblich, um festzustellen, ob es sich um eine gutartige oder um eine bösartige Veränderung handelt. Professor Johannes Pratschke, Chefchirurg an der Charité, nennt einige Beispiele.
"Ein ganz typische Biopsiefall ist, wenn Sie eine Darmspiegelung machen, dass sie dann ein Stück von dem Tumor, den sie dort sehen, abknabbern und es dann in die Histologie schicken. Der zweite Fall ist, wenn Sie zum Beispiel an der Lunge oder an der Leber einen Tumor haben, dass Sie dann mit der Nadel von außen bioptieren, das machen sehr häufig die Radiologen, aber auch die Chirurgen natürlich, wenn der Tumor gut zugänglich ist. Eine andere Biopsieform ist, wenn Lungenwasser vorhanden ist, dass man dann durch die Brusthöhle sticht und das Wasser entnimmt und dann untersucht; das Gleiche kann natürlich auch im Bauchraum sein."
Die richtige Stelle kann millimetergenau lokalisiert werden
Ein weiteres, eher etwas unangenehmes Beispiel ist die Biopsie an der Prostata, wenn hier ein Krebsverdacht aufgetaucht ist. Ferner, wenn im Rahmen der radiologischen Brustkrebs-Reihenuntersuchung ein verdächtiger Knoten festgestellt wird. Verständlicherweise haben Frauen Angst vor einer Biopsie an der Brust. Dr. Sylvia Heywang-Köbrunner vom Münchner Mammografiezentrum beruhigt: "Es gibt sehr viele schonende, minimal invasive Biopsien, die können ambulant unter Lokalanästhesie durchgeführt werden, die meisten sind nicht schmerzhaft, und durch diese Nadelbiopsie kann in 90 Prozent ganz sicher gesagt werden, ob das was gutartig ist oder ob was Bösartiges vorliegt und dann halt wirklich operiert werden muss."
Generell sind Biopsien technisch nicht besonders schwierig. Die eingeführte Hohlnadel nimmt ein Gewebestückchen auf und schneidet es mit einem kleinen Messer ab. Professor Pratschke erläutert, was dabei im wörtlichen Sinne herauskommt: "Man hat dann einen Zylinder, der so ein bis zwei Zentimeter lang ist, zwei, drei Millimeter breit, und das kann sehr gut vom Pathologen untersucht werden."
Und auch die richtige Stelle zu finden, ist heutzutage kaum noch ein Problem, weil sich Operateure der Hilfe anderer Kollegen bedienen: "Natürlich nehmen die Chirurgen auch Biopsien, ultraschallgestützt, aber wenn es komplexer wird oder tiefer im Körper ist oder schwer zu erreichen ist, dann machen das sehr häufig die Radiologen mit Hilfe der Computertomografie, wo sie millimetergenau lokalisieren können, wohin sie stechen wollen."
Schnellschnitt ist nicht hundert Prozent sicher
Bei vielen Operationen aufgrund eines Krebsverdachtes wird schon während des Eingriffs Gewebe entnommen wird, um vom Pathologen sofort zu erfahren, um welche Art von Wucherung es sich handelt: gut- oder bösartig. Der Chirurg Johannes Pratschke: "Der Schnellschnitt, wo man an sich ein Ergebnis innerhalb einer Stunde bekommt, hat eine sehr hohe Treffwahrscheinlichkeit, aber ist nicht hundert Prozent sicher, und deswegen machen wir auch die sogenannten Routineuntersuchungen danach mit verschiedenen Färbungen, um die Sicherheit der Aussage dann deutlich noch mal zu erhöhen. Aber für eine schnelle Aussage während einer Operation ist der Schnellschnitt sehr geeignet."
Für seine Zunft sind solche Schnellschnitte eine besondere Herausforderung, sagt Prof. Harald Stein, Chef der Berliner Pathologie: "Die Konsequenzen können schon sehr, sehr erheblich sein. Der Pathologe ist dadurch natürlich unter enormen Druck, denn wenn er sich hier falsch festlegt, die Diagnose kann man zwar revidieren, aber das entfernte Organ kann man natürlich nicht wieder reimplantieren."
So notwendig Biopsien in der Medizin auch oftmals sind, ganz ohne Risiken geht es nicht immer ab: "Die Risiken sind, wie bei vielen Eingriffen, wo man invasiv in den Körper eindringen muss, eine Nachblutung, es kann ein Infekt auftreten, und die Gefahr der Biopsie ist immer eine Tumorzell-Verschleppung. Aber das ist eine sehr, sehr seltene Komplikation."
Manchmal ist "aktive Überwachung" nötig
Ein weiteres Problem sind mögliche falsch-negative Diagnosen, mit denen Patienten also unzutreffenderweise in Sicherheit gewogen werden. Dr. Stefan Hinz, Urologe an der Berliner Uniklinik, räumt beispielsweise Fehlermöglichkeiten bei der Prostatabiopsie ein: "Unter Umständen hat man einfach nicht den Großteil des Krebses getroffen, vielleicht hat man auch mit der Stanzbiopsie nicht den aggressiveren Teil dieses Krebses getroffen, sodass da gewisse Unsicherheit besteht."
Die Urologen empfehlen deswegen die "aktive Überwachung", nämlich eine jährliche Biopsie, um zu überprüfen, ob es sich wirklich nicht um einen "Raubtier-", sondern um einen "Haustierkrebs" handelt, mit dem Mann weiter gut leben kann. "Wenn ich sozusagen gesundes Gewebe habe, kann es einerseits heißen, der Knoten ist nicht bösartig, kann aber auch heißen, ich habe ihn einfach nicht getroffen richtig. In der Biopsie, wenn ich bösartige Zellen habe, ist es beweisend, dann kann ich sicher sein mit der Diagnose.
Falsch positive Ergebnisse, Fehlalarme, gibt es bei dieser Untersuchungsmethode also eigentlich nicht. "Mit der modernen Bildgebung ist die Notwendigkeit der Biopsie geringer geworden", sagt Professor Pratschke, weil Ultraschall oder Computertomografie inzwischen bessere Bilder liefern. "Aber letztendlich gibt es immer noch eine Anzahl von Fällen, wo wir schlichtweg nicht ganz akkurat sagen können, ist es gut- oder bösartig, und dann muss man bioptieren."
Nur ein Beispiel ist die – leider nicht ganz so schmerzarme – Knochenmarkbiopsie. "Da ist die Bildgebung einfach nicht gut genug, oder kann gar keine Aussage treffen, da muss man in hundert Prozent der Fälle Knochenmark bioptieren, um dann in der Histologie eine Aussage zu bekommen über den Typ der Tumorerkrankung."
In der Regel sind Biopsien nicht sehr belastend. Meist laufen sie minimal-invasiv, also nur über einen kleinen Hautschnitt. Patienten erhalten Schmerzmittel oder eine Lokalanästhesie, manchmal sogar eine Vollnarkose.